Ein „Neigschmeckter“will die Ulmer überzeugen
Der Spatz brachte Spott, das Füchslein soll es richten: So startet Intendant Kay Metzger in seine erste Spielzeit
Den ersten Sturm hat der Theaterintendant Kay Metzger schon aushalten müssen. Ausgerechnet wegen eines Spatzen. Das Ulmer Stadtmaskottchen ziert in der Ära Metzger nämlich das Logo des Theaters, was etliche Stadträte und Bürger in der stolzen Münsterstadt provinziell fanden – ganz abgesehen davon, dass sie den vom neuen Hausdesigner Michael Hahn gestalteten Vogel für anatomisch misslungen hielten. „Für mich war das ein Sturm im Wasserglas“, sagt Metzger inzwischen über die Debatte. „Ich habe die Erfahrung gemacht, dass sich solche Dinge nach einer gewissen Zeit relativieren.“
Der 58-jährige Metzger ist kein Neuling in dieser Position, das merkt man. Vor seinem Wechsel an die Donau war er zwölf Jahre lang Intendant am Landestheater Detmold, davor leitete er sechs Jahre lang das Nordharzer Städtebundtheater in Halberstadt und Quedlinburg. Er ist aber auch ein ganz anderer Typ als sein Vorgänger Andreas von Studnitz. Metzger, fast zwei Köpfe kleiner als der dominante Hüne von Studnitz, wirkt im Gespräch freundlich und aufgeschlossen. Kommunikativ und fair wolle er gegenüber seinem Team sein. Und nie vergessen, dass es nicht um das innerbetriebliche Geplänkel geht, sondern um die Kunst auf der Bühne. Was diese angeht, hat der gebürtige Kieler, der seine Theaterkarriere als Assistent von August Everding begann und ein Mann des Musiktheaters ist, schon einiges bewegt. In Detmold etwa brachte der Wagner-Freund den kompletten „Ring“auf die Bühne. Schon bei seiner Vorstellung im Gemeinderat hatte Metzger damit geliebäugelt, ein solches Projekt auch in Ulm angehen zu wollen. In der ersten Spielzeit gibt es von ihm jedoch noch keinen „Ring“, aber immerhin den „Fliegenden Holländer“– als Übernahme aus Detmold. Auch Ausstatterin Petra Mollérus und Chefdramaturg Christian Katzschmann bringt er aus Ostwestfalen mit.
Neu in seinem Team sind Schauspieldirektor Jasper Brandis, der als freier Regisseur auch in Ulm („Die Krönung Richards III.“) seine Visitenkarte abgegeben hatte, und Ballettdirektor Reiner Feistel, der zuvor als Choreograf am Theater Chemnitz wirkte und eine komplett neue Compagnie aufbaut. Im übrigen Ensemble hat es keinen Kahlschlag gegeben, langjährige Publikumslieblinge wie die Schauspieler Fabian Gröver und Gunther Nickles oder Sopran Maria Rosendorfsky bleiben dem Haus erhalten. Dass Generalmusikdirektor Timo Handschuh in Ulm weitermachen würde, war sogar die allererste Personalie, die der Neue fix machte.
Das plakative Motto von Metzgers erster Spielzeit 2018/19 ist – passend zum wenig schwäbischen Leitungsteam – „Neigschmeckt“. Das große Thema der Intendanz ist aber eine andere: Bürgertum und Bürgerlichkeit. Ein Ansatz, der gut zum (gut)bürgerlichen Ulm passt, findet der 58-Jährige, der in den kommenden fünf Jahren seines Vertrages das Theater enger mit der Stadt und ihrer Bürgerschaft verknüpfen will. Dazu braucht es nicht nur Blockbuster wie das Musical „Evita“, das 2019 die Massen zum Theatersommer auf der Wilhelmsburg locken soll (Premiere 7. Juni), sondern auch prominente Stoffe mit regionalem Bezug: so wie die Uraufführung „Aufstieg und Fall des Uli H. – eine deutsche Wurstiade“im Podium (ab 23. November).
Doch zunächst einmal verlangt er dem theaterbegeisterten Teil dieser Bürgerschaft einiges ab: Die Spielzeit startet mit einem Premierenmarathon mit fünf neuen Produktionen an vier Tagen: der von Metzger selbst inszenierten JanacekOper „Das schlaue Füchslein“(27. September) und Schillers „Die Räuber“in der Regie von Jasper Brandis (28. September) im Großen Haus, dem aktuellen Stück „Lupus in fabula“(29. September) im Podium, dem Kinderstück „Cinderellas Schuhe“im Foyer und – als Gastspiel im Ulmer Münster – dem Monolog „Judas“von Lot Vekemans.