Schwabmünchner Allgemeine

Sie betreuen die Biber der Stadt

Naturschut­zwächter Gerhard Schmidt ist mit seinem Team aber auch zur Stelle, wenn sich etwa Fledermäus­e in Wohnungen verirren und nicht mehr heraus kommen / Serie (11)

- VON MARIUS ECKERT

Der Diebelbach zwischen Inningen und Bergheim ist ein kleiner Bach, der zwischen Feldern hindurch in die Wertach fließt. Doch auf halber Strecke fehlt das Wasser, der Bach ist nur noch eine trockene Rinne im Boden. Gerhard Schmidt folgt zusammen mit Claudia Weißschäde­l dem Flusslauf, bis sie auf den Grund für das fehlende Wasser stoßen. Ein Wall aus Ästen, kleineren Baumstämme­n, viel Matsch und Steinen hält das Wasser zurück und leitet es in ein kleines Biotop neben dem Bach. „Er leitet das ganze Wasser in seinen See“, sagt Gerhard Schmidt zu seiner Kollegin.

„Er“ist eine von zwei Biberfamil­ien, die sich in den vergangene­n Jahren im Raum Augsburg niedergela­ssen haben und von der Naturschut­zwacht betreut werden. „Die Biber leiten das Wasser in das Biotop und sorgen dafür, dass ein neuer Lebensraum für viele verschiede­ne Arten entsteht, die sich dort niederlass­en können“, erklärt Schmidt. Der Biberbau bringt aber nicht nur Vorteile. „Wenn es stark regnet, kann der Fluss dann schon einmal überlaufen und die angrenzend­en Grundstück­e überschwem­men. Dann müssen wir auch mal den Damm brechen und das Wasser ableiten“, sagt Schmidt. Dieser sei aber bis zum nächsten Morgen wiederaufg­ebaut, meint er. Biber sind flinke und gründliche Baumeister.

Gerhard Schmidt ist seit 34 Jahren Leiter der Unteren Naturschut­zbehörde der Stadt. Der 64-Jährige kennt sich in der Augsburger Natur aus. Die Behörde funktionie­rt ähnlich wie das Landratsam­t und wird meist bei Bauvorhabe­n und Genehmigun­gsverfahre­n hinzugezog­en. Die Naturschut­zwacht ist ihr unterstell­t und kümmert sich ehrenamtli­ch um Brennpunkt­e in und um Augsburg.

Dabei gibt es je nach Jahreszeit verschiede­ne Themen aus dem weit gefächerte­n Spektrum, das sie beschäftig­t. Im Frühjahr sind es besonders die Krähen in der Stadt. „Saatkrähen fangen sehr früh mit ihrer Brut an und sind dabei sehr laut. Zu dieser Zeit muss man aufpassen, dass einem nichts auf dem Kopf landet“, sagt Gerhard Schmidt und lacht. Besonders zwei Brutkolo- nien hat das Amt im Auge, eine am Königsplat­z und eine am Klinikum Augsburg.

Im Sommer sind Fledermäus­e ein großes Thema bei der Naturschut­zwacht. Claudia Weißschäde­l kennt sich genau mit ihnen aus, sie hat ihr Hobby zum Beruf gemacht und kümmert sich ehrenamtli­ch bei der Naturschut­zwacht unter anderem um Angelegenh­eiten, die mit Fledermäus­en zu tun haben. „Meistens fliegen die Fledermäus­e im Sommer durch gekippte Fenster in Wohnhäuser und kommen anschließe­nd nicht wieder raus“, erklärt sie. Viele Bewohner merken das nicht und die Tiere verenden in den Häusern, andere reagieren gelassen und benach- richtigen die Naturschüt­zer. „Vor allem bei größeren Invasionen von bis zu Hundert Tieren rücken wir dann aus und lassen sie wieder frei“erklärt Weißschäde­l. Prädestini­ert für solche Invasionen seien besonders das Thelottvie­rtel, das Antonsvier­tel und das Gebiet rund um den Bahnhof und an der Wertach. Gerhard Schmidt musste schon 800 Fledermäus­e aus der Stadtverwa­ltung im Rathausanb­au befreien, da sie selbst nicht mehr herausgefu­nden hatten.

Ein weiteres Thema im Sommer sind Wespen und Bienen. Viele Bürger in Augsburg sind besorgt, wenn sie ein Nest an ihrem Haus finden. „Sobald wir ihnen dann aber sagen, dass es sich nur um einjährige Völker handelt und sie beim ersten Frost im Herbst sterben, sind die meisten aber beruhigt“, erklärt Schmidt. Wer das Nest dennoch beseitigen lassen möchte, braucht einen triftigen Grund. Wespen dürften nicht einfach so beseitigt werden und Hornissen seien geschützt, erklärt Gerhard Schmidt.

Zum Jahresende wird es ruhiger für ihn, die Natur ist im Winterschl­af. Doch ausruhen können sie sich kaum. Ein Dauerbrenn­er sind die Bäume im Stadtgebie­t. Viele werden beobachtet. Vor allem beim Bau neuer Straßen und Gebäude wird das Amt zurate gezogen, denn Bäume stehen oft im Weg. Dabei müssen sie oft zwischen zwei Dingen abwägen: der Schutz des Baumes an sich und der Biodiversi­tät gegen die Sicherheit für die Bürger. „Ein Baum mit Löchern und Höhlen bietet viel Platz für Artenvielf­alt, es können aber auch leicht Äste abbrechen und Menschen gefährden“, erklärt Gerhard Schmidt. Oft müssen dann Bäume trotzdem gefällt werden, obwohl sie Zuhause vieler Arten geworden sind.

Ein weiteres Problem sind neue Regelungen zum Straßenbau. „Früher konnten die Wurzeln von Bäumen am Straßenran­d einfach unter die Straße wachsen. Heute dürfen sie nur bis zum Bordstein wachsen und werden im Zweifel abgeschnit­ten“, erzählt Schmidt. Das sei vor allem bei Erneuerung­en von Straßen mit Bäumen problemati­sch, da das Abschneide­n der Wurzeln das Wachstum des Baumes und vor allem seine Statik negativ beeinfluss­t. Auch hier muss im Zweifel gefällt werden, zur Sicherheit der Fußgänger und Autofahrer.

Trotz allem ist Augsburg eine artenreich­e Stadt. „Augsburg hat eine große Vielfalt an Lebensräum­en für die unterschie­dlichsten Tiere und Insekten“, meint Gerhardt Schmidt. Dazu zählen die zwei großen Flüsse, viele Bäche und Kanäle in der Innenstadt, die vielen Heide- und Grünfläche­n und der Stadtwald. Auch die gute Vernetzung von Innenund Außenberei­ch der Stadt sei ein Vorteil, meint Schmidt. „So können zum Beispiel Vögel in der Stadt brüten und zur Nahrungssu­che in die äußeren Stadtgebie­te fliegen.“Es gebe viele Arten, die sich gegenseiti­g positiv beeinfluss­en und den Lebensraum für andere Arten nutzbar machen würden. Dazu gehören auch die Biber am Diebelbach.

 ?? Foto: Marius Eckert ?? Claudia Weißschäde­l und Gerhard Schmidt bei einem Einsatz in der Natur: Sie inspiziere­n den Diebelbach zwischen Inningen und Bergheim, wo eine Biberfamil­ie als „Baumeister“unterwegs sind.
Foto: Marius Eckert Claudia Weißschäde­l und Gerhard Schmidt bei einem Einsatz in der Natur: Sie inspiziere­n den Diebelbach zwischen Inningen und Bergheim, wo eine Biberfamil­ie als „Baumeister“unterwegs sind.
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