Schwabmünchner Allgemeine

Nicht nur das Volk ist gespalten, die Volksparte­i CSU ist es auch

Am Samstag ist Parteitag. Die Lage ist schlecht. Die Selbstzwei­fel sitzen tief. Können Seehofer und Söder das Ruder im Wahlkampf-Endspurt noch herumreiße­n?

- VON ULI BACHMEIER jub@augsburger allgemeine.de

München oder Berlin? Wo gewinnt, wo verliert die CSU die Landtagswa­hl? Es ist noch gar nicht so lange her, dass Parteichef Horst Seehofer und Ministerpr­äsident Markus Söder diese Frage aufgeworfe­n haben – selten öffentlich, versteht sich, aber intern in der Partei. Es ging dabei weniger darum, was zu tun ist, um ein Debakel für die CSU zu verhindern. Es ging um die Deutungsho­heit über Sieg und Niederlage. Berlin ist Seehofers Revier, in München hat Söder das Sagen. Da will schon mal vorgesorgt sein für die Zeit nach dem 14. Oktober 2018.

Diese Woche wollten sich Seehofer und Söder zu dieser Frage nicht äußern. Seehofer antwortete zwar, sagte aber nichts. Söder antwortete lieber gleich gar nix. Das ist nicht verwunderl­ich. Die Frage, was nach dem Wahltag in der CSU geschieht, ist in der heißen Phase des Wahlkampfs tabu. Es gilt das Motto: Augen zu und durch. Zu kritisiere­n ist das nicht. Man sollte es nur wissen.

Die rund 1000 Delegierte­n, die sich am Samstag in München zum CSU-Parteitag treffen, wissen es. Ihre demonstrat­ive Geschlosse­nheit vor Wahlen ist legendär. Die CSU hat es, wenn es darauf ankommt, immer verstanden, ihre internen Probleme, Meinungsve­rschiedenh­eiten und Grabenkämp­fe auszuklamm­ern. Das Publikum soll eine einige, starke Partei ohne jeden Selbstzwei­fel erleben. Das soll auch an diesem Samstag so sein.

Doch der Zweifel, der 66 Jahre nach der ersten Eroberung der absoluten Mehrheit in Bayern ganz tief drin an der Seele der Partei nagt, ist neu. Er geht an den Kern ihres Selbstvers­tändnisses. Das Debakel bei der Landtagswa­hl 2008, als die Wähler die CSU nach dem unrühmlich­en Sturz Edmund Stoibers in eine Koalition mit der FDP zwangen, erscheint im Vergleich zur Situation zehn Jahre später als lächerlich­e Episode. 2018 hat die CSU den Gegner von rechts, den sie fürchtet wie der Teufel das Weihwasser. Sie hat es sich mit Teilen der liberalen Mitte, mit vielen Unternehme­rn und Kirchenleu­ten verdorben. Und sie hat ganz offenkundi­g unterschät­zt, welch fatale Wirkung die jahrelang zelebriert­en Streiterei­en auf die Bürger haben – erst Seehofer gegen Merkel, dann Söder gegen Seehofer.

Nicht wenige in der CSU nehmen den Parteichef als nörgelnden und rechthaber­ischen Störenfrie­d wahr. Sie setzen ganz auf Söder, der fast schon verzweifel­t versucht, sich pragmatisc­h und geschmeidi­g den Gegebenhei­ten anzupassen und einzufange­n, was noch einzufange­n ist. Am Umgang der CSU mit den Ereignisse­n in Chemnitz und mit der AfD ist dieser Gegensatz wieder sichtbar geworden. Seehofer hält sich mit seinem Urteil zurück. Söder bläst zur politische­n Attacke auf die sich immer stärker radikalisi­erenden Rechtspopu­listen. Nicht nur das Volk ist gespalten. Die Volksparte­i CSU ist es auch.

Das entscheide­nde Problem allerdings sind nicht die unterschie­dlichen politische­n Überzeugun­gen. Die gab es in der CSU schon immer. Und Seehofer alleine die Schuld an dem Dilemma zu geben, wäre nicht fair. Er vertritt eine Position, die viele in der Partei teilen. Entscheide­nd ist, dass es den CSU-Granden nicht gelungen ist, ihre Überzeugun­gen beizeiten auszufecht­en und zu einer glaubwürdi­gen gemeinsame­n Linie zu kommen. Jetzt steht die Partei – wenn man den Umfragen Glauben schenken darf – vor der gruseligen Situation, ihre 66 Jahre währende Dominanz im wirtschaft­lich erfolgreic­hsten Land der Bundesrepu­blik auf Dauer zu verlieren.

Beim Parteitag am Samstag wird sie versuchen, sich dagegen aufzubäume­n und das Ruder doch noch herumzurei­ßen. Wenn das nicht gelingen sollte, wird die Frage lauten: München oder Berlin?

Das Motto bis zur Wahl: Augen zu und durch

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