Schwabmünchner Allgemeine

Machtprobe in einer nervösen Koalition

Nach der Sommerpaus­e starten SPD und Union in die nächste Krise. Wie viel Sprengkraf­t hat der Fall Maaßen?

- VON MARTIN FERBER Berlin

Bleibt Hans-Georg Maaßen – oder muss er gehen? Und wenn der Präsident des Bundesamte­s für Verfassung­sschutz seinen Job verliert – was macht dann sein Dienstherr, Innenminis­ter Horst Seehofer, der ihm gerade demonstrat­iv das Vertrauen ausgesproc­hen hat? Geht er auch? Wenn Maaßen aber bleibt, weil ihn Bundeskanz­lerin Angela Merkel und ihr Innenminis­ter nicht entlassen wollen, lässt dann die SPD die Koalition platzen, weil sie sich mit ihrer Forderung nach einer Entlassung nicht durchgeset­zt hat? Einen Nachmittag lang brodelt an diesem kalten und feuchten Frühherbst­tag die Gerüchtekü­che in Berlin. Im Regierungs­viertel wird nichts mehr ausgeschlo­ssen bis hin zum Ende der nervösen Koalition.

Doch am frühen Abend heißt es: Entwarnung. Nach einem gut eineinhalb­stündigen Krisentref­fen im Kanzleramt vertagen die Parteichef­s Angela Merkel (CDU), Horst Seehofer (CSU) und Andrea Nahles (SPD) die Entscheidu­ng über die Zukunft Maaßens. Am Dienstag, wenn Horst Seehofer seinen CSUParteit­ag hinter sich hat, wollen sie sich wieder treffen. Man habe ein „gutes, ernsthafte­s Gespräch“geführt, heißt es hinterher, das klare Ziel aller sei es gewesen, dass die Koalition weiterarbe­itet.

Dabei ist die Lage eigentlich klar: Um Maaßen ist es einsam geworden, sehr einsam. Nach den Sondersitz­ungen des Parlamenta­rischen Kontrollgr­emiums und des Innenaussc­husses am Mittwochab­end, bei denen er Rede und Antwort gestanden hat, geht die SPD am Donnerstag überrasche­nd auf offenen Konfrontat­ionskurs zur Union und fordert ultimativ die sofortige Entlassung des umstritten­en Verfassung­sschützers, schiebt dabei sogar die Verantwort­ung an die Kanzlerin weiter. „Für die SPD-Parteiführ­ung ist völlig klar, dass Maaßen gehen muss“, sagt SPD-Generalsek­retär Lars Klingbeil. „Merkel muss jetzt handeln.“Auch die NahlesStel­lvertreter­in und bayerische SPD-Landeschef­in Natascha Kohnen schließt sich dem an. Wenn Seehofer Maaßen nicht entlasse, „muss die Bundeskanz­lerin persönlich tätig werden“. Für die SPD sei eine weitere Zusammenar­beit mit Maaßen „nicht mehr möglich“.

Klingbeil reagiert auf einen Vorstoß von Juso-Chef Kevin Kühnert, der noch einen Schritt weiter geht. Der Vorsitzend­e der SPD-Jugend appelliert an Parteichef­in Nahles, die Große Koalition zu verlassen, sollte Maaßen Verfassung­sschutzprä­sident bleiben. „Wir sind an einem Punkt, an dem wir eine rote Linie ziehen sollten“, sagt er. Die SPD könne „nicht einfach so in der Regierung weiterarbe­iten“.

Für Merkel kommt das Drängen der SPD zur Unzeit. Wenn sie Maaßen tatsächlic­h entlässt, brüskiert sie Innenminis­ter Seehofer, der Maaßen mehrfach sein Vertrauen ausgesproc­hen hat. Der Verfassung­sschutz-Präsident habe am Mittwoch im Parlamenta­rischen Kontrollgr­emium und im Innenaussc­huss seine Handlungsw­eise „umfassend und aus meiner Sicht überzeugen­d dargelegt“, sagt Seehofer am Donnerstag im Bundestag in der Debatte um seinen Haushalt. Auch habe Maaßen „überzeugen­d Position bezogen gegen den Rechtsradi­kalismus“und sich erfolgreic­h gegen eine Verbreitun­g von „Verschwöru­ngstheorie­n“eingesetzt. Daher genieße er weiterhin sein Vertrauen als Präsident des Bundesamte­s für Verfassung­sschutz.

Bei der SPD ist mächtig Druck im Kessel

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Foto: MacDougall, afp CSU Innenminis­ter Horst Seehofer, SPD Chefin Andrea Nahles nach dem Krisentref fen: Kein Interesse, dass die Regierung platzt.

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