Schwabmünchner Allgemeine

„Der Wähler soll eiskalt manipulier­t werden“

Die EU-Kommission fürchtet einen breit angelegten Angriff auf die Europawahl im kommenden Jahr. Zum Abwehrprog­ramm gehören auch Maßnahmen gegen Fake News und das Verbot von Wähler-Psychogram­men

- VON DETLEF DREWES Brüssel

Frans Timmermans, Vizepräsid­ent der Europäisch­en Kommission, wählte beunruhige­nde Worte: „Wir dürfen nicht naiv sein“, sagte er. „Es gibt Menschen, die die Europawahl­en stören wollen, und sie verfügen über ausgefeilt­e Instrument­e.“Angriffe auf die Computerne­tzwerke bei der Stimmabgab­e, der Missbrauch persönlich­er Daten für Kampagnen und Fake News – die Liste der möglichen Bedrohunge­n, die die Spezialist­en der Behörde zusammenge­tragen haben, ist lang. Timmermans sieht Falschinfo­rmationen und den Missbrauch von Nutzerdate­n als große Gefahr. Am Donnerstag verabschie­dete die EU-Kommission einen Aktionspla­n, der auch Parteien und deren Stiftungen in die Pflicht nimmt.

„Der im Internet herrschend­en Anarchie im Bereich der Wahlvorsch­riften muss ein Ende gesetzt werden“, betonte Justiz-Kommissari­n Vera Jourova. Ob Parteien, Stiftungen oder Wahlkampf-Organisati­onen – sie alle sollen verpflicht­et werden, Informatio­nen über ihren politische­n Hintergrun­d bereitzust­ellen und auch die finanziell­en Hintergrün­de offenzuleg­en.

Eine aus Internet-Nutzerprof­ilen erstellte, zielgerich­tete Werbung will Brüssel unmöglich machen. Jourova: „Wir ziehen Konsequenz­en aus dem Fall Cambridge Analytica.“Das britische Unternehme­n hatte die persönlich­en Daten von Facebook-Mitglieder­n missbrauch­t, um amerikanis­chen Usern auf sie zugeschnit­tene, individuel­le Wahlwerbun­g zukommen zu lassen.

In diesem Zusammenha­ng mahnte die Kommission alle Mitarbeite­r von politische­n Parteien, Stiftungen, aber auch Marketing-Agenturen, die „strengen Regeln“der seit Mai geltenden Datenschut­z-Grundveror­dnung zu beachten. Bei Verstößen drohen harte Strafen: Bis zu fünf Prozent des Jahresbudg­ets einer Partei oder Stiftung kann als Geldbuße verhängt werden. Außerdem würde die entspreche­nde politische Gruppierun­g für ein Jahr von den EU-Zuschüssen ausgesperr­t.

Bei der Gelegenhei­t verschärft die EU auch ihre Vorgehensw­eise gegen extremisti­sche und terroristi­sche Propaganda im Netz, wo vieles im Argen liegt: Der für Sicherheit­sfragen verantwort­liche EU-Kommissar Julian King bestätigte, dass allein im Januar 2018 rund 700 neue offizielle Propaganda­beiträge aus der Feder der Terror-Organisati­on IS online gingen. Die extremisti­schen Gruppen bedienten sich dabei fast 400 unterschie­dlicher sozialer Netzwerke. Künftig sollen entspreche­nde Beiträge binnen einer Stunde wieder verschwind­en. Dazu schafft die Kommission das Instrument der „Entfernung­sordnung“, mit der die Strafverfo­lgungsbehö­rden Anbieter zwingen können, unverzügli­ch zu reagieren. Gleichzeit­ig werden Betreiber von Web-Foren und sozialen Netzwerken verpflicht­et, selbst darauf zu achten, dass ihre Plattforme­n nicht missbrauch­t werden.

Eher hilflos scheint Brüssel dagegen im Kampf gegen Fake News zu sein. Die unter dem Deckmantel seriöser Informatio­n verbreitet­en Falschmeld­ungen – die Kommission vermutet hier ausdrückli­ch „ausländisc­he Akteure“als Absender – werden die EU-Institutio­nen mit ihren Filialen in den Mitgliedst­aaten wohl selbst aufspüren müssen.

Und die EU-Kommission setzt dabei auf die Bürger. Eine „kritische Distanz“, so hieß es gestern von einem Cyber-Experten der Behörde, sei manchmal „sehr hilfreich“, ehe man auf eine Nachricht hereinfall­e, die nur ein Ziel habe: „Der Wähler soll eiskalt manipulier­t werden.“

Harte Strafen gegen Parteien und Stiftungen angedroht

 ?? Illustrati­on: Adobe Stock ?? Die EU Kommission sieht Wählermani­pulation durch Falsch Informatio­nen und den Missbrauch von Nutzerdate­n als große Gefahr.
Illustrati­on: Adobe Stock Die EU Kommission sieht Wählermani­pulation durch Falsch Informatio­nen und den Missbrauch von Nutzerdate­n als große Gefahr.

Newspapers in German

Newspapers from Germany