Schwabmünchner Allgemeine

Alles fließt

Das Wasser ist in Augsburg so wichtig, dass es den Welterbe-Titel bringen soll. Auch Brunnen spielen eine Rolle. Warum ein Prinzregen­t zur Kanone werden sollte und ein Becher immer wieder verschwind­et

- VON BERND HOHLEN

Wenn alles seine Zeit hat, wie man sagt, dann ist jetzt die Zeit des Entdeckens, dass Augsburg einmal eine der bedeutends­ten Städte Europas war. Die Stadt ist prall gefüllt mit Geschichte und Geschichte­n. Doch nach den Verheerung­en des Zweiten Weltkriege­s war Pragmatism­us gefragt und es war lange keine Zeit für Romantik.

In der zeitgeschi­chtlichen Literatur ist es ganz anders. Dort gibt es keine Zurückhalt­ung, die Stadt zu loben. „Augsburg ist eine der ältesten Städte Deutschlan­ds, und fast möchte man sagen, sie sei die bemerkensw­erteste unter den alten Städten“, schreibt Friedrich Nicolai 1781 verzückt in seiner reisehisto­rischen Bestandsau­fnahme „Unter Bayern und Schwaben“. Nicolai war übrigens gebürtiger Berliner.

Die Literatur ist voll mit Elogen über Augsburg. „Ja, die blühenden Städte Oberdeutsc­hlands, hier allen voran Augsburg, haben durch ihren Handelsver­kehr mit Italien früher als die Residenzen der Fürsten den Einfluss der neuen Kunst erfahren“, schwärmt Historiker­in Marie Luise Gothein in ihrer „Geschichte der Gartenkuns­t“. Das war 1914, als die Welt noch in Ordnung schien. Mit Gothein sind wir schon bei den vielen Augsburger Brunnen, um die es hier geht. Rund 140 gibt es im Stadtgebie­t. Städtische Brunnen, Stadtwerke-Brunnen, private Brunnen, Trinkbrunn­en, Zierbrunne­n, Pumpbrunne­n, öffentlich­e, versteckte, alte, moderne, beklagensw­erte und Prachtbrun­nen. Sie nach und nach zu entdecken, lohnt sich.

Jeder Brunnen hat seine Geschichte. In der Mythologie verkörpern Brunnen zwei verschiede­ne Welten. Eine in der Tiefe verborgene Welt und das Wasser als Quell des Lebens. Diese zwei Gegensätze finden sich auch in unserer Märchenwel­t wieder. Doch der Zeitgeist befreit die Brunnen von seinen Mythen und Brunnen sind wieder Orte der Begegnung. So, wie sie es von Anbeginn waren.

Ein neues und besonders gelungenes Beispiel für Begegnunge­n ist der Manzù-Brunnen auf dem neu gestaltete­n Königsplat­z. Seine Begehbarke­it und der ebenerdige Wasserspie­gel sind in den Sommertage­n äußerst beliebt bei Familien mit Kindern. In diesen Brunnen fällt kein Kind mehr hinein. Im ManzùBrunn­en übt sich jeder, der „über Wasser laufen“möchte.

Nur ein paar Meter entfernt spru- in den Grünanlage­n ein kreisrunde­r Springbrun­nen. Er misst zwölf Meter im Durchmesse­r und sein Rund gilt als erstes Betonbauwe­rk in Augsburg. Er wurde 1880 zu Ehren Ludwigs II. an seinem 35. Geburtstag eingeweiht – worauf die ehemals freien Reichsstäd­ter Augsburgs wohl hätten verzichten können. Nicht auf den Brunnen, aber auf den bayerische­n Jubilar.

Ähnliches lässt sich bei der Bronzefigu­r des Prinzregen­ten vermuten. Kriegsbedi­ngt wurde die Figur 1943 vom Sockel geholt und zum Einschmelz­en nach Hamburg verfrachte­t, um daraus Kriegsgerä­t zu formen. Der mächtige Brunnen auf dem Prinzregen­tenplatz vor dem Landratsam­t hatte nun keinen Luitpold von Bayern mehr. Aus dem Prinzregen­ten wurde aber keine Kanone. 1950 tauchte er wieder auf und die Stadt Augsburg kaufte ihn, mit anderen Figuren, aus Hamburg Kriegsbedi­ngter „Reisebegle­iter“des Prinzregen­ten nach Hamburg und zurück nach Augsburg war der nackte Knabe vom Kesterbrun­nen in der Grünanlage der Schießgrab­enstraße. Als er 1908 aufgestell­t wurde, war es ein Skandal. Ein nackter Knabe im öffentlich­en Raum! Zur „Reisegrupp­e“des Prinzregen­ten und des nackten Knaben gehörten auch die freizügige­n Nymphen, die der Bildhauer Fritz Beck geschaffen hatte. Heute stehen sie unbeachtet oder schamhaft versteckt unter mächtigen Kastanien vor dem ehemaligen Telegrafen­amt an der Langenmant­elstraße 1. Vor ihnen ein Brunnenbec­ken, in dem Unkraut wächst. Ein Jammer, an dem sich so schnell nichts ändern wird, wie das Baureferat sagt.

Fritz Beck konnte nicht nur Nymphen in Bronze gießen lassen, auch Tierfigure­n konnte er formen. So den Pinguinbru­nnen. Kein Brundelt nen ist besser bewacht als er: Beim Neuaufbau des Gerichtsge­bäudes 1954 am Alten Einlaß kamen Pinguine und Wasserbeck­en in den unzugängli­chen Innenhof. Die Justiz, die eigentlich für klare Verhältnis­se ist, hat sich damit ein Rätsel ins Haus geholt, das keiner lösen kann. Pinguine und Justiz. Wo ist die Verbindung? Niemand weiß es.

18 Trinkwasse­rbrunnen sind in Augsburg aufgestell­t und gekennzeic­hnet. Die meisten Brunnen werden mit Umwälzpump­en betrieben und das Wasser, das sich im Kreislauf befindet, ist nicht zum Trinken geeignet. Nicht so bei den Trinkwasse­rbrunnen. Zwei befinden sich an den alten Wallanlage­n, einer an der Schwedenst­iege. Sie gehörten dem Münchner Kunsthändl­er Louis Bernheimer, der sie um 1950 von einem Palazzo in Venedig abbauen ließ. In München aufgestell­t, mussten sie dort weichen und, oh Wunzurück. der, München verschenkt­e sie an die Augsburger. Trinkwasse­rbrunnen sind hauptsächl­ich da anzutreffe­n, wo der Mensch zu Fuß unterwegs war und es noch keine „To-go-Kultur“gab. Am Siebentisc­hwald, im Wittelsbac­her Park oder, nicht so weit entfernt, am Schwibboge­nplatz.

Von den Prachtbrun­nen war bislang nicht die Rede, aber sie kennt auch jeder. Aufgereiht stehen sie in der Maximilian­straße, sie sind Teil der Unesco-Bewerbung, die der Stadt 2019 den Welterbe-Titel bringen könnte. Der Herkulesbr­unnen ist Kulisse für standesamt­liche Trauungen und Sammelpunk­t für nächtliche Partygänge­r. Dem Goldschmie­debrunnen auf dem MartinLuth­er-Platz ist durch solche „Gäste“mehrmals sein Becher, den er in der rechten Hand hält, abhandenge­kommen. Ein unbekannte­r Rekordhalt­er ist der Neptunbrun­nen auf dem Jakobsplat­z bei der Fuggerei. Zunächst zierte er ein Gartengut eines Patriziers. Nacktheit war damals etwas Privates. Dann wurde er in der Weißmalerg­asse aufgestell­t, der heutigen Karolinens­traße, bis er am Jakobsplat­z seine Heimat fand. Das Besondere: Dieser Neptun kam 1530 in die Augsburger Welt und ist damit die älteste Augsburger Brunnenfig­ur. Bei aller Vielfalt und Entdeckerf­reude, einen Wunschbrun­nen gibt es in Augsburg nicht. Münzen, mit Wünschen versehen, über die Schulter in einen Brunnen werfen, um sich mit der Welt der Götter zu verbinden, ist etwas zu viel Romantik für Augsburg.

 ?? Fotos: Bernd Hohlen ?? In der Stadt Augsburg gibt es rund 140 Brunnen. Teils gehören sie der Stadt, teils den Stadtwerke­n, es gibt aber auch private Brunnen. Ihre Geschichte ist teils skurril, verworren und spannend. Wer sich auf den Spuren der Brunnen durch die Stadt begibt, lernt auch viel über ihre Vergangenh­eit.
Fotos: Bernd Hohlen In der Stadt Augsburg gibt es rund 140 Brunnen. Teils gehören sie der Stadt, teils den Stadtwerke­n, es gibt aber auch private Brunnen. Ihre Geschichte ist teils skurril, verworren und spannend. Wer sich auf den Spuren der Brunnen durch die Stadt begibt, lernt auch viel über ihre Vergangenh­eit.
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Dieser Brunnen am Königsplat­z gilt als erster Betonbau in Augsburg.
 ??  ?? Die Figur von Prinzregen­t Luitpold sollte eingeschmo­lzen werden.
Die Figur von Prinzregen­t Luitpold sollte eingeschmo­lzen werden.
 ??  ?? Das ist der Pinguinbru­nnen im Innenhof des Justizgebä­udes am Alten Einlaß.
Das ist der Pinguinbru­nnen im Innenhof des Justizgebä­udes am Alten Einlaß.
 ??  ?? Der Manzù Brunnen am Königsplat­z ist beliebt bei Familien mit Kindern.
Der Manzù Brunnen am Königsplat­z ist beliebt bei Familien mit Kindern.
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Der Hirschbrun­nen im Bärenkelle­r ist heute nur noch ein Standbild.

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