Schwabmünchner Allgemeine

Die Gefahr auf dem Dach

Nach dem Feuer in Leitershof­en: Schaden an dem Mehrfamili­enhaus beläuft sich auf rund 100000 Euro. Wie tückisch Solartechn­ik für Rettungskr­äfte sein kann und auf was die Feuerwehr aufpassen muss.

- VON MAXIMILIAN CZYSZ Stadtberge­n/Landkreis Augsburg

Ein brennender Dachstuhl, auf dem sich Solartechn­ik befindet, wird schnell zum Albtraum für die Feuerwehr: Höchste Vorsicht ist bei Photovolta­ikund Solarwärme­anlage angebracht, um nicht selbst in Lebensgefa­hr zu geraten. Auch der Brand in einem Mehrpartei­enhaus am Mittwochab­end in Leitershof­en hätte tückisch werden können – wenn den Freiwillig­en nicht ein Zufall zu Hilfe gekommen wäre.

Auf einer nahen Baustelle waren am Abend noch Handwerker bei der Arbeit. Sie ließen alles stehen und liegen und steuerten ihren allradbetr­iebenen Teleskopla­der durch einen Garten zum Brandort, um die Feuerwehre­n aus Stadtberge­n und Leitershof­en zu unterstütz­en. Mit den beiden Gabeln des Spezialfah­rzeugs hoben sie die im Dach eingelasse­ne großflächi­ge Solaranlag­e an und zogen sie schließlic­h auf den Boden, was die Löscharbei­ten erleichter­te. Im schlimmste­n Fall hätten Teile der Anlage aus großer Höhe auf die Rettungskr­äfte fallen können. „Trümmersch­atten“nennt die Feuerwehr den Gefahrenbe­reich, in dem jeder durch herabstürz­ende Trümmer getroffen werden kann.

Die Solarwärme­anlage hätte noch eine weitere Gefahr bedeuten können: Flüssigkei­ten, die bis zu 130 Grad heiß werden können, treten aus und verbrühen die Feuerwehrk­räfte. Deshalb gilt ganz klar: Sicherheit­sabstand. Der sei besonders bei Photovolta­ikanlagen nötig, sagt Wolfgang Baumeister, der als Kreisbrand­meister-Stellvertr­eter vor Ort war. Der Kommandant der Gersthofer Feuerwehr erklärt: Die Technik sei tückisch. Die Anlagen führten häufig bis zum Gleichrich­ter gefährlich­e Spannung. Und selbst wenn die Module vermeintli­ch ausgeschal­tet sind, produziert­en die Zellen noch Gleichstro­m.

Um die Freiwillig­en vor Stromschlä­gen zu schützen, habe es in der Vergangenh­eit mehrfach Versuche gegeben, erinnert sich Baumeister. Auf die Module wurde beispielsw­eise Schaum gesprüht, um eine künstliche Nacht zu erzeugen und damit die Module außer Betrieb zu setzen. Zu dumm nur: Bei der Hitze rutschte der Schaum weg. Und schwarze Folien, die kurzerhand über die Module geworfen wurden, verglühten sofort oder wurden dann vom Wind weggeweht. Kaum zu glauben: Sogar die Scheinwerf­er der Feuerwehr bei einem Nachteinsa­tz können die Module anregen, elektrisch­e Energie zu erzeugen.

Was tun? Gelöscht wird mit ei- nem besonderen Abstand. „Dann kann nichts passieren“, sagt Experte Baumeister. Im besten Fall sind die Module beim Eintreffen der Feuerwehr schon so weit beschädigt, dass es auch keine Gefahr durch umherflieg­ende Glassplitt­er gibt. Das Problem sei nicht zu unterschät­zen, meint Baumeister, auch wenn seinen Kollegen die Gefahr von oben bekannt ist: Bei einem Dachstuhlb­rand müssen sie immer mit herabfalle­nden Platten rechnen. Bei Solartechn­ik ist das Gewicht allerdings weitaus höher: 30 bis 50 Kilogramm schlagen dann aus zehn oder mehr Metern Höhe mit einer ganz anderen Wucht am Boden auf.

Die drohende Gefahr hatten die Feuerwehrm­itglieder dank der Hilfe der Handwerker in Leitershof­en unter Kontrolle gebracht. Bis 2 Uhr morgens dauerten die Arbeiten, anschließe­nd kontrollie­rte eine Brandwache, dass das Feuer nicht wider Erwarten noch einmal aufflammt. Am nächsten Morgen untersucht­en Brandexper­ten des Polizeiprä­sidiums das Dach. Die genaue Ursache war gestern noch unklar. Ein Vorsatz wird ausgeschlo­ssen, ein technische­r Defekt müsse nicht zwangsläuf­ig von der Solaranlag­e ausgegange­n sein. Den entstanden­en Schaden schätzt die Polizei auf rund 100000 Euro. Inwieweit das Mehrpartei­enhaus wieder bewohnbar ist, war am Donnerstag ebenfalls nicht klar.

 ?? Foto: Marcus Merk ?? Die genaue Ursache für das Feuer war gestern noch unklar. Ein Vorsatz wird ausgeschlo­ssen, ein technische­r Defekt müsse nicht zwangsläuf­ig von der Solaranlag­e ausge gangen sein. Inwieweit das Mehrpartei­enhaus wieder bewohnbar ist, war am Donnerstag ebenfalls nicht klar.
Foto: Marcus Merk Die genaue Ursache für das Feuer war gestern noch unklar. Ein Vorsatz wird ausgeschlo­ssen, ein technische­r Defekt müsse nicht zwangsläuf­ig von der Solaranlag­e ausge gangen sein. Inwieweit das Mehrpartei­enhaus wieder bewohnbar ist, war am Donnerstag ebenfalls nicht klar.
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Foto: Klaus Rainer Krieger Über eine Drehleiter löschte die Feuer wehr den Brand.

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