Die Gefahr auf dem Dach
Nach dem Feuer in Leitershofen: Schaden an dem Mehrfamilienhaus beläuft sich auf rund 100000 Euro. Wie tückisch Solartechnik für Rettungskräfte sein kann und auf was die Feuerwehr aufpassen muss.
Ein brennender Dachstuhl, auf dem sich Solartechnik befindet, wird schnell zum Albtraum für die Feuerwehr: Höchste Vorsicht ist bei Photovoltaikund Solarwärmeanlage angebracht, um nicht selbst in Lebensgefahr zu geraten. Auch der Brand in einem Mehrparteienhaus am Mittwochabend in Leitershofen hätte tückisch werden können – wenn den Freiwilligen nicht ein Zufall zu Hilfe gekommen wäre.
Auf einer nahen Baustelle waren am Abend noch Handwerker bei der Arbeit. Sie ließen alles stehen und liegen und steuerten ihren allradbetriebenen Teleskoplader durch einen Garten zum Brandort, um die Feuerwehren aus Stadtbergen und Leitershofen zu unterstützen. Mit den beiden Gabeln des Spezialfahrzeugs hoben sie die im Dach eingelassene großflächige Solaranlage an und zogen sie schließlich auf den Boden, was die Löscharbeiten erleichterte. Im schlimmsten Fall hätten Teile der Anlage aus großer Höhe auf die Rettungskräfte fallen können. „Trümmerschatten“nennt die Feuerwehr den Gefahrenbereich, in dem jeder durch herabstürzende Trümmer getroffen werden kann.
Die Solarwärmeanlage hätte noch eine weitere Gefahr bedeuten können: Flüssigkeiten, die bis zu 130 Grad heiß werden können, treten aus und verbrühen die Feuerwehrkräfte. Deshalb gilt ganz klar: Sicherheitsabstand. Der sei besonders bei Photovoltaikanlagen nötig, sagt Wolfgang Baumeister, der als Kreisbrandmeister-Stellvertreter vor Ort war. Der Kommandant der Gersthofer Feuerwehr erklärt: Die Technik sei tückisch. Die Anlagen führten häufig bis zum Gleichrichter gefährliche Spannung. Und selbst wenn die Module vermeintlich ausgeschaltet sind, produzierten die Zellen noch Gleichstrom.
Um die Freiwilligen vor Stromschlägen zu schützen, habe es in der Vergangenheit mehrfach Versuche gegeben, erinnert sich Baumeister. Auf die Module wurde beispielsweise Schaum gesprüht, um eine künstliche Nacht zu erzeugen und damit die Module außer Betrieb zu setzen. Zu dumm nur: Bei der Hitze rutschte der Schaum weg. Und schwarze Folien, die kurzerhand über die Module geworfen wurden, verglühten sofort oder wurden dann vom Wind weggeweht. Kaum zu glauben: Sogar die Scheinwerfer der Feuerwehr bei einem Nachteinsatz können die Module anregen, elektrische Energie zu erzeugen.
Was tun? Gelöscht wird mit ei- nem besonderen Abstand. „Dann kann nichts passieren“, sagt Experte Baumeister. Im besten Fall sind die Module beim Eintreffen der Feuerwehr schon so weit beschädigt, dass es auch keine Gefahr durch umherfliegende Glassplitter gibt. Das Problem sei nicht zu unterschätzen, meint Baumeister, auch wenn seinen Kollegen die Gefahr von oben bekannt ist: Bei einem Dachstuhlbrand müssen sie immer mit herabfallenden Platten rechnen. Bei Solartechnik ist das Gewicht allerdings weitaus höher: 30 bis 50 Kilogramm schlagen dann aus zehn oder mehr Metern Höhe mit einer ganz anderen Wucht am Boden auf.
Die drohende Gefahr hatten die Feuerwehrmitglieder dank der Hilfe der Handwerker in Leitershofen unter Kontrolle gebracht. Bis 2 Uhr morgens dauerten die Arbeiten, anschließend kontrollierte eine Brandwache, dass das Feuer nicht wider Erwarten noch einmal aufflammt. Am nächsten Morgen untersuchten Brandexperten des Polizeipräsidiums das Dach. Die genaue Ursache war gestern noch unklar. Ein Vorsatz wird ausgeschlossen, ein technischer Defekt müsse nicht zwangsläufig von der Solaranlage ausgegangen sein. Den entstandenen Schaden schätzt die Polizei auf rund 100000 Euro. Inwieweit das Mehrparteienhaus wieder bewohnbar ist, war am Donnerstag ebenfalls nicht klar.