Biogasanlagen: Fluch oder Segen?
In drei Vierteln der Gemeinden im Kreis gibt es sie. Doch immer wieder sorgen sie für Ärger. Woran das liegt
Kritiker sagen, sie hätten unsere Landschaft verändert. Immer mehr eintönige Maisfelder seien dort zu sehen, wo früher Vielfalt blühte. Viele Landwirte dagegen sehen in ihnen die wirtschaftliche Rettung. Die Rede ist von Biogasanlagen. In etwa zwei Dritteln aller Kommunen im Landkreis gibt es mittlerweile eine davon. Oft sorgen die Anlagen allerdings für Ärger – zum Beispiel in Adelsried.
Einigen Anwohnern in Adelsried stinkt das Thema mittlerweile gewaltig. Die Biogasanlage eines Landwirts vor Ort soll erweitert werden (wir berichteten). Weil die Anlage aber bereits jetzt immer wieder für angeblich unangenehme Gerüche sorgt, regt sich unter der Anwohnern Protest. Auch im Gemeinderat sorgte die geplante Erweiterung für Unruhe. Schließlich lehnte der Rat den Antrag auf Erweiterung der Anlage ab. Dennoch solle voraussichtlich noch in diesem Jahr ein weiteres Endlager für Bio-Reste auf dem Biogas-Gelände entstehen, erklärt Bürgermeisterin Erna Stegherr-Haußmann. Sie sagt: „Wir wurden vom Landratsamt überstimmt.“Die Behörde habe nämlich das letzte Wort und sehe keine Einwände.
Der Betreiber der Anlage in Adelsried, Josef Reitmayer, versuchte die Bedenken der Anwohner und Gemeinderäte auszuräumen. Es handle sich um eine „Ertüchtigung“, keine Erweiterung der Anlage. Er verspricht sich, durch die Baumaßnahmen künftig flexibel auf den Strombedarf reagieren zu können. Außerdem soll die Leistung der Biogasanlage gesteigert werden.
In Westendorf sorgte eine Biogasanlage ebenfalls für Missstimmung. Auch dort war der Grund eine geplante Erweiterung, die schließlich auch genehmigt wurde. Anwohner gründeten eine Interessengruppe gegen die Erweiterung. Sie fürchteten zusätzlichen Lärm, Gestank und Schwerlastverkehr. Weil Biogasanlagen vom Gesetzgeber privilegiert, also besonders gefördert werden, gibt es für die Antragsteller weniger Hürden. In Westendorf musste der Antrag zwar geändert werden, erweitert wurde die Anlage dennoch.
Die Anlage ist eine von vielen, die in letzter Zeit erweitert wurden. Michael Sauset ist Mitarbeiter des Amts für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten in Nördlingen. Dass sich das Geschäft mit den Biogasanlagen so rentiert, hat auch für den Experten vor allem einen Grund: die massive Subventionierung. Für jede Kilowattstunde Strom, die Betreiber einer Anlage fabrizieren, gibt es Fördergelder. Hintergrund für diese Entwicklung sei das Erneuerbare-Energie-Gesetz (EEG) aus dem Jahr 2000. Ein Teil dieses Gesetzes sei seit einer Änderung im Jahr 2012 auch die sogenannte Flexprämie. Weil Biogasanlagen in der Lage sind, Strom unabhängig von Wind und Wetter zu produzieren, kann die gewonnene Energie flexibel an den tatsächlichen Strombedarf angepasst werden. Dazu müssten kleinere Anlagen allerdings aufrüsten, erklärt der Experte. Wenn das geschieht, können die Betreiber die Flexprämie bekommen. Auch das sei ein Grund, weshalb besonders kleinere Anlage sich in letzter Zeit vergrößern.
Einer, der den vielen Biogasanlagen im Landkreis kritisch entgegensieht, ist Johannes Enzler, Kreisvorsitzender des Bund Naturschutz. Grundsätzlich lehnt er die Anlagen nicht ab. Schließlich könne damit Strom durch erneuerbare Rohstoffe gewonnen werden. „Die Frage ist: Womit wird die Energie gewonnen?“, sagt Enzler. Viele Anlagen werden mit Maissilage betreiben. Mais habe allerdings einen hohen Nährstoffbedarf, erklärt Enzler. Das heißt, sie müssen oft gedüngt werden. Außerdem eigne sich der Boden nach einer Bepflanzung mit Mais nicht mehr für viele andere Pflanzenarten. Dazu komme, dass der Mais, der für Biogasanlagen angepflanzt wird, Platz für Getreide oder Viehzucht nimmt. „Auch die Nahrungsmittelerzeugung muss Priorität haben“, sagt Enzler. Er fordere deshalb wieder mehr Vielfalt in der Landwirtschaft. Schließlich könnten die Anlagen auch mit Abfallprodukten wie Speiseresten oder Schlachtabfällen betrieben werden.
Michael Sauset vom Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ist selbst auch Landwirt. Für viele seiner Kollegen seien die Biogasanlagen ein Segen, erklärt er. Besonders einige kleinere Betriebe hätten ohne die Einnahmen durch den Verkauf von Mais oder Gülle an die Anlagenbetreiber dichtmachen müssen. Noch vor 15 Jahren, erklärt Sauset, sei der Anbau von Mais unrentabel gewesen. Den Vorwurf, der Mais habe die Landschaft unattraktiver gemacht, möchte Sauset nicht stehen lassen. „Es kann nicht jeder Landwirt auf seinem Feld Mais anbauen“, sagt er. Schließlich gebe es Auflagen, nach denen die Bepflanzung wechseln muss, um die Felder fruchtbar zu halten.