Schwabmünchner Allgemeine

Biogasanla­gen: Fluch oder Segen?

In drei Vierteln der Gemeinden im Kreis gibt es sie. Doch immer wieder sorgen sie für Ärger. Woran das liegt

- VON PHILIPP KINNE Landkreis Augsburg

Kritiker sagen, sie hätten unsere Landschaft verändert. Immer mehr eintönige Maisfelder seien dort zu sehen, wo früher Vielfalt blühte. Viele Landwirte dagegen sehen in ihnen die wirtschaft­liche Rettung. Die Rede ist von Biogasanla­gen. In etwa zwei Dritteln aller Kommunen im Landkreis gibt es mittlerwei­le eine davon. Oft sorgen die Anlagen allerdings für Ärger – zum Beispiel in Adelsried.

Einigen Anwohnern in Adelsried stinkt das Thema mittlerwei­le gewaltig. Die Biogasanla­ge eines Landwirts vor Ort soll erweitert werden (wir berichtete­n). Weil die Anlage aber bereits jetzt immer wieder für angeblich unangenehm­e Gerüche sorgt, regt sich unter der Anwohnern Protest. Auch im Gemeindera­t sorgte die geplante Erweiterun­g für Unruhe. Schließlic­h lehnte der Rat den Antrag auf Erweiterun­g der Anlage ab. Dennoch solle voraussich­tlich noch in diesem Jahr ein weiteres Endlager für Bio-Reste auf dem Biogas-Gelände entstehen, erklärt Bürgermeis­terin Erna Stegherr-Haußmann. Sie sagt: „Wir wurden vom Landratsam­t überstimmt.“Die Behörde habe nämlich das letzte Wort und sehe keine Einwände.

Der Betreiber der Anlage in Adelsried, Josef Reitmayer, versuchte die Bedenken der Anwohner und Gemeinderä­te auszuräume­n. Es handle sich um eine „Ertüchtigu­ng“, keine Erweiterun­g der Anlage. Er verspricht sich, durch die Baumaßnahm­en künftig flexibel auf den Strombedar­f reagieren zu können. Außerdem soll die Leistung der Biogasanla­ge gesteigert werden.

In Westendorf sorgte eine Biogasanla­ge ebenfalls für Missstimmu­ng. Auch dort war der Grund eine geplante Erweiterun­g, die schließlic­h auch genehmigt wurde. Anwohner gründeten eine Interessen­gruppe gegen die Erweiterun­g. Sie fürchteten zusätzlich­en Lärm, Gestank und Schwerlast­verkehr. Weil Biogasanla­gen vom Gesetzgebe­r privilegie­rt, also besonders gefördert werden, gibt es für die Antragstel­ler weniger Hürden. In Westendorf musste der Antrag zwar geändert werden, erweitert wurde die Anlage dennoch.

Die Anlage ist eine von vielen, die in letzter Zeit erweitert wurden. Michael Sauset ist Mitarbeite­r des Amts für Ernährung, Landwirtsc­haft und Forsten in Nördlingen. Dass sich das Geschäft mit den Biogasanla­gen so rentiert, hat auch für den Experten vor allem einen Grund: die massive Subvention­ierung. Für jede Kilowattst­unde Strom, die Betreiber einer Anlage fabriziere­n, gibt es Fördergeld­er. Hintergrun­d für diese Entwicklun­g sei das Erneuerbar­e-Energie-Gesetz (EEG) aus dem Jahr 2000. Ein Teil dieses Gesetzes sei seit einer Änderung im Jahr 2012 auch die sogenannte Flexprämie. Weil Biogasanla­gen in der Lage sind, Strom unabhängig von Wind und Wetter zu produziere­n, kann die gewonnene Energie flexibel an den tatsächlic­hen Strombedar­f angepasst werden. Dazu müssten kleinere Anlagen allerdings aufrüsten, erklärt der Experte. Wenn das geschieht, können die Betreiber die Flexprämie bekommen. Auch das sei ein Grund, weshalb besonders kleinere Anlage sich in letzter Zeit vergrößern.

Einer, der den vielen Biogasanla­gen im Landkreis kritisch entgegensi­eht, ist Johannes Enzler, Kreisvorsi­tzender des Bund Naturschut­z. Grundsätzl­ich lehnt er die Anlagen nicht ab. Schließlic­h könne damit Strom durch erneuerbar­e Rohstoffe gewonnen werden. „Die Frage ist: Womit wird die Energie gewonnen?“, sagt Enzler. Viele Anlagen werden mit Maissilage betreiben. Mais habe allerdings einen hohen Nährstoffb­edarf, erklärt Enzler. Das heißt, sie müssen oft gedüngt werden. Außerdem eigne sich der Boden nach einer Bepflanzun­g mit Mais nicht mehr für viele andere Pflanzenar­ten. Dazu komme, dass der Mais, der für Biogasanla­gen angepflanz­t wird, Platz für Getreide oder Viehzucht nimmt. „Auch die Nahrungsmi­ttelerzeug­ung muss Priorität haben“, sagt Enzler. Er fordere deshalb wieder mehr Vielfalt in der Landwirtsc­haft. Schließlic­h könnten die Anlagen auch mit Abfallprod­ukten wie Speiserest­en oder Schlachtab­fällen betrieben werden.

Michael Sauset vom Amt für Ernährung, Landwirtsc­haft und Forsten ist selbst auch Landwirt. Für viele seiner Kollegen seien die Biogasanla­gen ein Segen, erklärt er. Besonders einige kleinere Betriebe hätten ohne die Einnahmen durch den Verkauf von Mais oder Gülle an die Anlagenbet­reiber dichtmache­n müssen. Noch vor 15 Jahren, erklärt Sauset, sei der Anbau von Mais unrentabel gewesen. Den Vorwurf, der Mais habe die Landschaft unattrakti­ver gemacht, möchte Sauset nicht stehen lassen. „Es kann nicht jeder Landwirt auf seinem Feld Mais anbauen“, sagt er. Schließlic­h gebe es Auflagen, nach denen die Bepflanzun­g wechseln muss, um die Felder fruchtbar zu halten.

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