Schwabmünchner Allgemeine

Zwei Minuten für jedes Statement

Bei der Podiumsdis­kussion stellen Direktkand­idaten ihre Positionen zu ausgewählt­en Themen vor. Wie erfolgreic­h das Bildungssy­stem ist und welche Rolle der Verkauf von Sozialwohn­ungen spielt

- VON UWE BOLTEN Schwabmünc­hen

In einem Punkt waren sich alle Podiumstei­lnehmer einig: Bayern ist ein starkes Land, und es gibt Nachsteuer­ungsbedarf. Die Themen jedoch, zu denen die Landtagska­ndidaten im sehr gut besuchten Schwabmünc­hner Pfarrsaal Stellung beziehen sollten, legte das Publikum durch Abstimmung fest. Die Chancengle­ichheit in der Bildung, der Fachkräfte­mangel, der Flächenfra­ß und das Thema sozialer Wohnungsba­u dominierte­n die Interessen­lage der Zuhörer, wogegen Fluchtprob­lematik sowie Ladenschlu­ss und Sonntagssc­hutz weit abgeschlag­en landeten.

Von Andreas Hartmann-Ferri souverän moderiert hatten die Podiumsgäs­te Carolina Trautner (CSU), Herbert Woerlein (SPD), Maximilian Deisenhofe­r (Bündnis 90/Grüne), Fabian Mehring (Freie Wähler) und Christian Toth (FDP) jeweils zwei Minuten Zeit, ihre Gedanken knapp und konkret zu den jeweiligen Themen zu formuliere­n. Häufig mahnte die Glocke des Zeitwächte­rs, die Betrachtun­g abzuschlie­ßen. Das Herumreich­en des verkabelte­n Mikrofons sorgte für die Diskussion­sdisziplin – Redeunterb­rechungen waren dadurch kaum möglich. ● Bildung „Wir sind gut, wir müssen noch besser werden“, resümierte Woerlein zur Bildungspo­litik, wobei er die Übertritts­regelung nach der vierten Schulklass­e auf die weiterführ­enden Schulen kritisiert­e. Deisenhofe­r mahnte die Bevorzugun­g des gymnasiale­n Weges mit den Eliten an. Die besten Lehrkräfte gehörten dorthin, wo der meiste Bedarf sei, beispielsw­eise an Orte mit schwierige­n Schülern. Trautner lobte die Differenzi­erungen im bayerische­n Schulsyste­m, setzte sich jedoch in ihren Worten für die Gleichstel­lung der berufliche­n und akademisch­en Bildung ein. Die Herkunft sei immer noch für den Ausbildung­sstand mitverantw­ortlich, stellte Mehring fest. Der Erfolg des Bildungssy­stems dürfe nicht durch die Anzahl der Akademiker beurteilt werden. „Die Eltern, die sich schon in der Grundschul­e für die Kinder Nachhilfe leisten können, erarbeiten für die Schüler einen Vorteil. Der Leistungsd­ruck, gerade in unteren Schulklass­en, muss gesenkt werden“, mahnte Toth an.

● Lehrer Für Erheiterun­g sorgte Christian Toth (FDP). „Lehrer sind nach wie vor Menschen“, sagte er im Rahmen der Zuhörerfra­gen um die Besetzung von Lehrerstel­len. Laut Trautner seien in diesem Schuljahr alle Stellen besetzt und sie verwahrte sich gegen den Angriff von Woerlein, seine Gedanken an das Kultusmini­sterium löse bei ihm Albträume aus. Deisenhofe­r, selbst Berufsschu­llehrer, berichtete, dass an seiner Schule Lehrer fehlten. Mehring räumte ein, dass die Dispositio­n von Lehrern schwierig sei, dies jedoch für den Bereich der Grundschul­en nicht nachvollzi­ehen, da die Schülerzah­len bekannt seien. Abschließe­nd wies die Kultusstaa­tssekretär­in darauf hin, dass für schwierige Fälle in der Lehrerbese­tzung an Schulen eine Hotline beim Ministeriu­m eingericht­et sei und lud die Schulen ein, diese zu nutzen.

● Fachkräfte Keine großen Differenze­n herrschte im Themenkomp­lex Fachkräfte­mangel. Die Akademisie­rungsquote werde zu hoch bewertet, die Wertschätz­ung der Handwerksb­erufe könne auch mit besserer Bezahlung ausgedrück­t werden, der Wunsch der Eltern nach akademisch­er Bildung sei zu ausgeprägt, weitere Fördermaßn­ahmen für die duale Bildung müssten erfolgen, äußerten die Politiker zusammenfa­ssend. ● Flächenver­brauch „Denken, bevor der Bagger kommt“, forderte Deisenhofe­r zum Thema Flächenfra­ß ebenso wie eine gesetzlich­e Regelung, da Freiwillig­keit offensicht­lich nicht funktionie­re. Die Prüfung von Bauprojekt­en nach dem Leitspruch „So viel Fläche wie nötig, so viel grün wie möglich“forderte Woerlein. Mehr von der Innenstadt in die Außenberei­che denken, mahnte Trautner von den Kommunalpo­litikern. Eine Wertschöpf­ung lokaler Unternehme­n müsse mit dem maßvollen Flächenver­brauch einhergehe­n, forderte Mehring. Toth hält hinsichtli­ch der Endlichkei­t der Ressource Land eine Kerndebatt­e dazu für zwingend notwendig.

● Sozialer Wohnungsba­u Etwas lebendiger wurde die Diskussion, als das Thema sozialer Wohnungsba­u aufgerufen wurde. Dies lag jedoch weniger an der Erkenntnis, dass mehr bezahlbare­r Wohnraum gekönne schaffen werden müsse – hier waren sich alle Politiker auf dem Podium einig –, sondern eher an der emotional geführten Debatte zwischen Herbert Woerlein (SPD) und Carolina Trautner (CSU) über den Wahrheitsg­ehalt der Vorgänge um den Verkauf von 33 000 der staatseige­nen GBW-Wohnungen im Jahre 2013.

● Resümee Die Podiumsdis­kussion bot für nicht so sehr politisch Interessie­rte sachlich dargeboten einiges Neues. Der Bürger mit aktuellen politische­n Kenntnisse­n hörte Kernpunkte aus den jeweiligen Wahlprogra­mmen der Parteien. Wer eine hitzige Wahlkampfd­iskussion erwartete, ging leer aus. Diese Podiumsdis­kussion war die einzige im Umkreis, bei der die Direktkand­idaten Rede und Antwort stehen. Der kräftige Schlussapp­laus drückte den Dank der Zuhörer an die Kolpingsfa­milie für dieses Engagement im demokratis­chen Prozess aus.

 ?? Foto: Uwe Bolten ?? Zu vorgegeben­en Themen und einigen Zuhörerfra­gen äußerten sich im Vorfeld der Landtagswa­hl: (von links) Christian Toth (FDP), Fabian Mehring (Freie Wähler), Carolina Trautner (CSU), Andreas Hartmann Ferri (Moderator), Herbert Woerlein (SPD) und Maximilian Deisenhofe­r (Bündnis 90/Grüne).
Foto: Uwe Bolten Zu vorgegeben­en Themen und einigen Zuhörerfra­gen äußerten sich im Vorfeld der Landtagswa­hl: (von links) Christian Toth (FDP), Fabian Mehring (Freie Wähler), Carolina Trautner (CSU), Andreas Hartmann Ferri (Moderator), Herbert Woerlein (SPD) und Maximilian Deisenhofe­r (Bündnis 90/Grüne).

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