Eine Nacht für die Demokratie
Rund 800 Besucher erleben Politik zum Anfassen und Mitmachen – und hören, wie es ist, wenn man seine Meinung nicht sagen darf
Politik und Demokratie klingen nach theoretischen und abstrakten Begriffen. Die Theatergruppe Deschawüh ändert das. Die Schauspieler lassen die Zuschauer während der Langen Nacht der Demokratie in der Stadtbücherei entscheiden, wie sich das Stück entwickelt. Thematisiert werden alltägliche mehr oder weniger demokratische Entscheidungen. So beschließt zum Beispiel die Mutter, ihrem Sohn den Fußball zu entreißen, weil sie lieber selbst spielen möchte. Die Zuschauer reagieren amüsiert und auch etwas ratlos, wurde das Kind doch augenscheinlich ungerecht – und wenig demokratisch – behandelt.
Dieses Impro-Theater ist eine von vielen Aktionen am Samstagabend. Der Andrang vor der Stadtbücherei ist groß. Viele Menschen kommen zur Langen Nacht der Demokratie in Augsburg. Es waren rund 800, sagen die Veranstalter rund um den Bezirksjugendring später und freuen sich, dass so viele junge Frauen und Männer neugierig waren.
Die 22-jährige Franziska Armbruster ist eine von ihnen. Aus ihrer Sicht gibt es ein Problem: „Die Politik macht nicht genügend dafür, dass sich junge Leute engagieren. So ein Abend wie heute kann aber schon helfen.“Es gibt eine Mischung aus Workshops, Vorträgen und Diskussionen. All diese Aktionen stehen ganz im Zeichen der Demokratie, die es zurzeit nicht so leicht hat in Deutschland. Sie ist kein Selbstläufer: „Demokratie ist wie eine Partnerschaft – man muss sie pflegen“, sagt Jürgen Reichert, Bezirkstagspräsident und Schirmherr. Dass die Spielregeln der Demokratie schon früh erlernt und gefördert werden müssen, sagt Oberbürgermeister Kurt Gribl: „Demokratie muss innerhalb der Familie stattfinden, im Kindergarten und auch in der Schule, zum Beispiel bei Klassensprecherwahlen.“Demokratie und Kommunikation hängen zusammen, das erkennt man auch beim Workshop des Taubenschlags: Dort werden strittige Themen, wie etwa die Idee einer Bargeldabschaffung disku- tiert. „Demokratie lebt von der Diskussion und die Kompetenz dafür kann erlernt werden“, sind sich die Workshopleiter sicher. Doch was geschieht, wenn man gar keine Chance dazu hat?
Martina Tichov, 38, diskutiert mit dem chinesischen Menschenrechtsaktivisten Dejun Liu. Dieser berichtet, wie es ist, wenn Meinungsund Pressefreiheit auf brutale Weise eingeschränkt werden. Umso wichtiger sei es für Deutsche, demokratische Rechte und Pflichten ernst zu nehmen. Wie das laufen kann, zeigen Tim Novak und Markus Friesenegger vom Kreisjugendring Augsburg. In einem Bus werden Jugendliche gefilmt, die Fragen an Augsburger Landtagsabgeordnete stellen. Diese antworten ebenfalls per Videobotschaft. Der Gedanke dahinter: Die Jugendlichen sollen merken, dass auch ihre Fragen und Probleme ernst genommen werden – auf einem für sie populären Wert.