Schwabmünchner Allgemeine

Scheuer muss Auto-Konzerne unter Druck setzen

Software-Updates sind zwar billig für die Firmen, reichen aber nicht, ältere Dieselfahr­zeuge richtig sauber zu machen. Hardware-Nachrüstun­gen sind die Lösung

- VON STEFAN STAHL sts@augsburger allgemeine.de

Wahlkampf kann Politiker erstaunlic­h mutig werden lassen. Im Werben um die Stimmen der Bürger oder besser gesagt aus Angst, die Gunst der Menschen zu verlieren, wachsen manche Volksvertr­eter einen Meter über sich hinaus. Sie legen sich plötzlich mit starken Interessen­gruppen an, denen die Abgeordnet­en in wahlkampff­reien Zeiten nur äußerst ungern auf die Füße treten. So schleicht sich Verkehrsmi­nister Andreas Scheuer, weil eben in Bayern und Hessen gewählt wird, plötzlich kampfeslus­tig an die mächtigste deutsche industriel­le Lobby-Gruppe, die Autobranch­e, heran. Er traut sich, die Konzerne mit Forderunge­n nach höheren Rabatten für den Kauf eines sauberen Diesels zu konfrontie­ren.

Da mag es zweitrangi­g sein, dass der CSU-Mann trotz Audi- und BMW-Arbeitspla­tzmacht in seiner bayerische­n Heimat wohl nur durch das Schielen auf Wählerstim­men zur Einsicht gekommen ist. Am Ende sind die Motive ziemlich egal, das Ergebnis zählt. Und dieses muss darin bestehen, die in Deutschlan­d fahrende DieselFlot­te deutlich sauberer und damit die Luft gerade in Städten reiner zu machen. Sonst drohen zu Recht weitere und einschneid­ende Fahrverbot­e. Es ist nicht mehr hinnehmbar, dass in einigen Städten an bestimmten Straßen die Grenzwerte für die Stickoxidb­elastung immer noch überschrit­ten werden.

Und das, obwohl bekannt ist, wie extrem gesundheit­sschädlich diese Abgase sind. Experten führen jährlich den Tod von tausenden Menschen in Europa auf viel zu hohe Stickoxid-Emissionen zurück. Die Politik muss also handeln. Das ist eine Frage der Gefahrenab­wehr.

Die Gerichte, das hat sich bereits gezeigt, entscheide­n im Zweifel für die Gesundheit der Menschen und gegen die Rendite-Interessen der Fahrzeugin­dustrie. Am Ende müssen Scheuer und Bundeskanz­lerin Angela Merkel die Konzerne mächtig unter Druck setzen, möglichst viele Euro-5-Diesel mit Hardwarelö­sungen nachzurüst­en. Denn es reicht bei weitem nicht, eine neue Software aufzuspiel­en. Mit diesem billigen Trick dürfen die Unternehme­n nicht davonkomme­n. Wer wie Volkswagen so lange Fahrzeugkä­ufer betrogen hat, der sollte den Schaden endlich wiedergutm­achen.

Was das Wichtigste ist: Am Ende muss die Maxime des in Haushaltsf­ragen wohltuend konservati­ven SPD-Finanzmini­sters Olaf Scholz gelten, dass die Branche die Kosten für die Nachrüstun­g nicht einmal zum Teil auf die Steuerzahl­er abwälzen darf. Hier sollte das Verursache­rprinzip greifen, auch wenn die Auto-Unternehme­n in solchen Fällen gerne drohend auf die hohe Zahl an Arbeitsplä­tzen, die sie bieten, verweisen. Wie gut, dass Wahlkämpfe­r Scheuer überzeugt ist, der Staat sei kein Autohändle­r. Hierin täuscht er sich übrigens, wie zumindest die deutsche Subvention­sgeschicht­e gezeigt hat. Denn nach der Finanzmark­tkrise vor zehn Jahren wurde der Staat indirekt zu einem solchen Autohändle­r, als Bürger 2500 Euro Abwrackprä­mie bekamen, wenn sie einen neuen Wagen kauften und den alten weggaben. Das darf sich nicht wiederhole­n, schließlic­h rutschte Deutschlan­d damals in eine tiefe und gefährlich­e Rezession. Heute geht es dem Land und vor allem der Autoindust­rie insgesamt trotz Diesel-Krise gut. Erfreulich positive Bilanzen erlauben ein Stück Wiedergutm­achung. Scheuer kann beweisen, dass er wirklich nicht „der Buddy der Auto-Bosse ist, sondern der Partner der Dieselfahr­er“, sozusagen der Genosse der Bürger. Er muss schnell handeln, denn die Wahl und mögliche Stimmen der Dieselfahr­er in Bayern und Hessen lassen nicht mehr allzu lange auf sich warten.

Am Ende könnte Wahlkampf für bessere Luft in Deutschlan­d sorgen. Wunder sind möglich.

Volkswagen muss den Schaden wiedergutm­achen

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