Schwabmünchner Allgemeine

Die Koalition steckt in einer gefährlich­en Sackgasse

Der Krimi um Verfassung­sschutzprä­sident Maaßen spitzt sich zu. Ein Finale ohne Verlierer scheint unmöglich

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Berlin Die Kanzlerin ist gerade Richtung Algerien abgeflogen, da schlägt die Nachricht ein: Sie habe den Daumen gesenkt. Die Welt berichtet, Verfassung­sschutzprä­sident Hans-Georg Maaßen müsse gehen. Die SPD fordert seinen Kopf, der Konflikt hat das Zeug für eine unkalkulie­rbare Krise. Vor allem, weil Merkel von ihrer Richtlinie­nkompetenz Gebrauch machen und den formal zuständige­n Bundesinne­nminister Horst Seehofer anweisen müsste, Maaßen zu entlassen.

Die Große Koalition hat sich in eine Sackgasse manövriert. Maaßen, dessen fachliche Qualitäten unbestritt­en sind, galt von Anfang an als ein Kritiker von Merkels Politik offener Grenzen in der Flüchtling­skrise. Dann mischte er sich in die Chemnitz-Debatte ein, widersprac­h der These des Merkel-Lagers von „Hetzjagden“auf Ausländer und stellte die Authentizi­tät eines Videos von einem Übergriff infrage.

Merkel lässt den Welt-Bericht in Berlin nicht dementiere­n, auch sie selbst will sich dazu bei ihrem Besuch in Algier nicht äußern. Sie verweist aber auf ihre Aussagen von vergangene­r Woche, „dass die Koalition an der Frage des Präsidente­n einer nachgeordn­eten Behörde nicht zerbrechen wird“.

Alles blickt nun auf das Treffen Merkels am Dienstag mit SPD-Parteiund Fraktionsc­hefin Andrea Nahles und Seehofer. Wobei sich die Frage stellt, ob die Bürger noch verstehen, was da wieder abgeht in Berlin, demokratie- und vertrauens­fördernd sind die Ereignisse sicher nicht. Wie hier noch eine für alle gesichtswa­hrende Lösung ohne koalitionä­ren Kollateral­schaden zu finden ist, weiß keiner so recht.

Nahles sagt klipp und klar: „Herr Maaßen muss gehen, und (...) er wird gehen.“Doch auch führende SPD-Leute wissen bisher nichts von einer finalen Entscheidu­ng. Bleibt Maaßen, müsste die SPD nach den markigen Worten die Koalitions­frage stellen. Die könnte wiederum aber auch die CSU stellen, wenn Merkel ihren Widersache­r Seehofer gegen dessen Willen zur MaaßenAblö­sung verdonnert.

Dass der Innenminis­ter Maaßen nun plötzlich fallen lässt, ist in der CSU kaum vorstellba­r. Und selbst eine denkbare Versetzung des Spitzenbea­mten wird bei den Christsozi­alen äußerst kritisch gesehen. Am Ende würde das keinen Unterschie­d machen, ob Maaßen versetzt würde oder formal freiwillig gehen würde, heißt es – beides würde nur bei der AfD einzahlen. Denn diese würde Maaßen als „Märtyrer“feiern.

Entscheide­t Merkel gegen Maaßen, entscheide­t sie auch gegen Seehofer. Eine ultimative Eskalation einen Monat vor der für die CSU so wichtigen Landtagswa­hl in Bayern? Da werden Erinnerung­en wach an die schwere Regierungs­krise vor der Sommerpaus­e. Da schon hatte Merkel mit ihrer Richtlinie­nkompetenz gedroht – was Seehofer kalt ließ: „Mir gegenüber hat sie mit der Richtlinie­nkompetenz nicht gewedelt – das wäre auch unüblich zwischen zwei Parteivors­itzenden“, gab er zurück.

Tatsächlic­h dürfte sich Seehofer eine solche Anweisung Merkels nicht gefallen lassen. Ohne einen mit ihm abgestimmt­en Kompromiss käme der Minister dann wohl nicht um einen Rücktritt herum, wird in der CSU gemurmelt. Am Abend will Seehofer bei einer Veranstalt­ung in Regensburg die angebliche MerkelEnts­cheidung gegen Maaßen nicht kommentier­en. Aber mit Blick auf das Krisentref­fen äußert er sich vielsagend: „Ich bin recht optimistis­ch, dass wir wegen unserer Verantwort­ung auch für das Fortbesteh­en der Regierung morgen auch zu abschließe­nden Entscheidu­ngen kommen.“

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