Schwabmünchner Allgemeine

Die Hölle auf der Ferieninse­l

Das Flüchtling­slager Moria auf Lesbos ist äußerst umstritten. Bewohner berichten von Folter und IS-Kämpfern

- VON STEFANIE SCHOENE Augsburg

Das Flüchtling­slager Moria auf Lesbos ist die Hölle, sagt Simon Jakob. Der Augsburger bereist als Friedensak­tivist und Vorsitzend­er des Zentralrat­s Orientalis­cher Christen (ZOC) seit 2015 den Nahen Osten. Für eigene Recherchen, aber auch für Fernsehtea­ms von und Journalist­en und Sicherheit­sberater nutzen seine Kontakte zu kurdischen, jesidische­n und syrischen Kämpfern der Freien Syrischen Armee sowie zu im Irak stationier­ten Bundeswehr­vertretern.

Für das Projekt „Peacemaker“des ZOC war er im August auf dem Balkan und in Griechenla­nd. Das Lager Moria auf der Ferieninse­l Lesbos ist eines der umstritten­sten griechisch­en Camps. Nur 35 Kilometer vor der türkischen Küste gelegen, ist die Insel seit Jahren einer der Hotspots für Flüchtling­e, die in

ZDF. ARD

Schlauchbo­oten hier anlanden. Christiana Kalogirou, Gouverneur­in der Nordägäisc­hen Region, setzte dem griechisch­en Ministeriu­m für Migrations­politik jetzt ein Ultimatum: Wenn die katastroph­alen Missstände im heillos überfüllte­n Militärcam­p Moria nicht bis Mitte Oktober beseitigt würden, werde sie das Lager auflösen lassen. Wie ihr Inspektore­n der kommunalen Gesundheit­sbehörden auf Lesbos berichtet hatten, seien die Zustände für Mensch und Natur unhaltbar.

Simon Jakobs Aufnahmen bestätigen das. „Es gibt ein paar Container für 2000 Menschen. Der Rest haust in Zelten oder unter zusammenge­knoteten Plastikpla­nen innerhalb und außerhalb des Lagers. Ich kenne Lager in Syrien und Irak. Aber so eine Kloake habe ich noch nie gesehen“, erklärt er nach seiner Rückkehr in Augsburg.

Bei seinen Recherchen und Gesprächen mit Moria-Bewohnern machte er jedoch noch andere Beobachtun­gen. In von ihm aufgezeich­neten Interviews, die der Redaktion vorliegen, berichten ihm Kurden, Syrer und Jesiden, das Lager werde von kriminelle­n Flüchtling­en kontrollie­rt, die im IS-Duktus gezielt kurdische und jesidische Flüchtling­e terrorisie­ren, kidnappen und foltern. Ein 19-jähriger Jeside erzählt unter Tränen, dass er von den Kriminelle­n in den Sanitäranl­agen gefoltert worden und ein Kopfgeld auf ihn ausgesetzt sei. Selbst ernannte Emire (Befehlshab­er) setzten eigenmächt­ig Scharia-Gerichte ein, verhängten Körperstra­fen und skandierte­n dazu „allahu akbar“. Die aufgesprüh­ten Code-Namen wie „Abu Aziz“auf Hauswänden oder „Abu ´Ud Ibn al-Furat“(Vater von ´Ud, Sohn des Euphrat) auf der kleinen Militärkir­che dienen der internen Identifika­tion und Einschücht­erung der Minderheit­en unter den 8000 Lagerbewoh­nern.

Der Syrer Rafat engagiert sich seit zwei Jahren für die Flüchtling­e in Moria. Er selbst floh schon 2013 aus Syrien. Im „House for Humanity“sorgten er und weitere Ehrenamtli­che für Kleidung, Essen und Beschäftig­ung. Der Zufluchtso­rt ist inzwischen geschlosse­n. Für Jakob übersetzte al-Hamoud die Folterbesc­hreibungen und Vorwürfe der jungen Jesiden und Kurden ins Englische. Doch auch er selbst wurde bereits – wie er auf Anfrage bestätigt – von Männern, die er als IS-Kämpfer bezeichnet, mit Messern angegriffe­n. „Ich muss sehr aufpassen, wen ich hier unterstütz­e“, erklärt der 22-Jährige.

Vergangene Woche begann die Polizei, etwa 400 Moria-Flüchtling­e nach Skaramagas bei Athen zu transporti­eren. Das Lager ist Griechenla­nds größtes Camp und wurde 2016 für 3000 Flüchtling­e errichtet. Simon Jakob, der in Augsburg aufwuchs, jedoch in einem christlich­en Dorf nahe der syrisch-türkischen Grenze geboren wurde, warnt davor, Griechenla­nd mit den Flüchtling­en alleinezul­assen: „Diese Lager sind Brutstätte­n. Hochgefähr­lich. Ohne exakte Recherchen, Registrier­ung und Kontrollen werden sich die Emire, Kriminelle­n und Terroriste­n aus Moria nach Athen und nach Deutschlan­d absetzen.“

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Foto: Simon Jakob Container, Zelte, Plastikpla­nen: So schaut es in dem umstritten­en Camp auf der grie chischen Ferieninse­l Lesbos aus.
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