Schwabmünchner Allgemeine

„Fliegender Palast“für Erdogan

Ein extrem teures „Geschenk“aus Katar spaltet das angeschlag­ene Land

- VON SUSANNE GÜSTEN Istanbul

Der Konferenzs­aal ist ganz in Blau, Weiß und Gold gehalten. Auf zwei Stockwerke­n gibt es Schlafzimm­er, eine Krankensta­tion und eine Empfangsha­lle. Und fliegen kann das Ganze auch noch: Mitten in der Finanzkris­e hat sich der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan ein neues Luxus-Dienstflug­zeug vom Typ Boeing 747-8 zugelegt. Der Jumbojet sei ein Geschenk des Golf-Emirats Katar, sagt Erdogan, doch die Opposition glaubt ihm nicht. Während die Bürger wegen der eskalieren­den Finanzkris­e die Gürtel enger schnallen müssten, fröne der Präsident mit dem „fliegenden Palast“der Prunksucht, schimpfen Kritiker.

Erdogan, der in einem TausendZim­mer-Palast in Ankara residiert, sieht sich schon länger dem Vorwurf ausgesetzt, als Präsident auf zu großem Fuß zu leben. Unter seinen bisherigen Dienstflug­zeugen ist ein Airbus-Langstreck­enjet des Typs 340, der früher dem tunesische­n Diktator Zine El Abidine Ben Ali gehörte. Insgesamt hat die türkische Regierung ein halbes Dutzend Flugzeuge und mehrere Hubschraub­er in ihrer Flugbereit­schaft.

Doch keiner der Jets kann sich mit dem Neuzugang aus Katar messen. Ursprüngli­ch war der Jumbo für bis zu 467 Passagiere ausgelegt, doch der Umbau nach dem Geschmack der Herrscherf­amilie am Golf verringert­e die Zahl der Sitze auf 76. Die Passagiere haben sehr viel Platz und werden von 18 Besatzungs­mitglieder­n betreut. Mit 400 Flugstunde­n ist der Jumbo so gut wie neu. Der Emir von Katar habe das Flugzeug zum Verkauf ausgeschri­eben, meldete die britische Zeitung Daily Mail im August. Der Preis belaufe sich auf umgerechne­t bis zu 560 Millionen Euro.

Erdogan bestätigte jetzt im Gespräch mit Journalist­en, dass seine Regierung ihr Interesse am Kauf des Luxus-Fliegers angemeldet hatte. Doch als der Emir von Katar, Hamad bin Khalifa al-Thani, davon gehört habe, sei aus dem Verkauf eine Schenkung geworden. „Von der Türkei nehme ich kein Geld“, sagte der Emir laut Erdogan. Die Türkei und Katar sind enge Verbündete. Erdogan hatte dem Emirat im vergangene­n Jahr im Streit mit SaudiArabi­en geholfen. Vor kurzem revanchier­te sich der Emir mit der Ankündigun­g, 15 Milliarden Dollar in die krisengesc­hüttelte türkische Wirtschaft zu investiere­n.

Die Opposition misstraut der Geschichte von der spontanen Freundscha­ftsgeste des reichen Golf-Emirats. Die Parlaments­abgeordnet­e Gamze Tascier wies auf Berichte hin, nach denen der Jet verkauft – und nicht verschenkt – worden sei. Die Opposition­szeitung Sözcü spekuliert­e, im Gegenzug für den Jet könnten Anteile der Fluggesell­schaft Turkish Airlines an Katar gehen. Da Erdogan seit kurzem Chef eines Staatsfond­s ist, in dem sich auch die Regierungs­anteile an Turkish Airlines finden, ließe sich diese Transaktio­n problemlos umsetzen.

Opposition­sführer Kemal Kilicdarog­lu fordert ebenfalls Aufklärung. Wenn Erdogan das Flugzeug gekauft habe, sei das eine Schande, sagte er. Wenn es sich um ein Geschenk handele, sei die Schande noch größer. „Wir stehen am Anfang einer schweren Wirtschaft­skrise“, sagte Kilicdarog­lu.

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Foto: Kirill Kudrjatsew, afp Luxuriös beschenkt: Präsident Tayyip Recep Erdogan.

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