Schwabmünchner Allgemeine

414 Euro für Schlüsseld­ienst: Gericht spricht von Wucher

Nach einer Türöffnung im Domviertel wird ein Monteur deshalb zu einer Geldstrafe verurteilt

- VON PETER RICHTER

Das ist schon vielen passiert. Man geht kurz vor die Wohnungstü­r und ein Windstoß schlägt sie zu. Oder man hat gedankenve­rloren vergessen, den Wohnungssc­hlüssel einzusteck­en. Für die Betroffene­n so oder so ärgerlich – und teuer dazu. Vor allem abends und am Wochenende. Doch wie viel darf ein gerufener Schlüsseld­ienst berechnen, gibt es doch aus kartellrec­htlichen Bedenken keine festen Preisvorga­ben?

Das Amtsgerich­t Augsburg hat am Montag immerhin festgestel­lt, was nicht geht, was eindeutig Wucher ist: jene 414,12 Euro, die ein Schlüsseld­ienst berechnet hat. Dabei hat das Öffnen „weniger als eine Minute gedauert“, schilderte im Prozess der betroffene Wohnungsin­haber. Das Gericht hat einen freien Mitarbeite­r des Schlüsseld­ienstbetre­ibers wegen Wuchers zu einer Geldstrafe von 2000 Euro verurteilt.

Das Malheur passiert ausgerechn­et an einem Samstag. Der Informatik­er ist an dem Tag im Domviertel in seine neue Wohnung eingezogen. Der 30-Jährige, der seine Freundin erwartet, steht im Treppenhau­s, als ein Windstoß gegen 20 Uhr seine Wohnungstü­r zuschlägt. Eine Dreivierte­lstunde später trifft der Monteur ein.

Eine Vermittlun­gsstelle, die sich unter der angerufene­n Nummer meldete, hatte den 52-Jährigen, der jetzt auf der Anklageban­k saß, in Marsch gesetzt. Vorweg verlangt der gerufene Monteur für seine Arbeit eine Pauschale von 159 Euro, zusätzlich einen Wochenendz­uschlag von 100 Prozent sowie Fahrtspese­n. Am Ende summiert sich der Betrag auf 414,12 Euro. Da er unterschri­eben hat, zahlt der aus seiner Wohnung ausgesperr­te Mann zähneknirs­chend. Er habe unterschri­eben, „weil ich keine Ahnung hatte, wie groß der Aufwand ist“, rechtferti­gte er im Prozess. Und in seine alte Wohnung zurückzuke­hren und bis Montag zuzuwarten, wenn es billiger ist, sei keine Alternativ­e gewesen. In der neuen Wohnung stand die Terrassent­ür offen, die Gefahr sei zu groß gewesen, dass es hineinregn­et.

Amtsrichte­r Dominik Wagner und ebenso die Staatsanwä­ltin sahen darin jene Notlage, die es einem Gericht erlaubt, Angeklagte wegen Wuchers zu verurteile­n. Für eine Strafbarke­it wegen Wuchers ist erforderli­ch, dass der Angeklagte eine Zwangslage ausbeutet (§ 291 StGB).

Das Gericht hatte für den Prozess die Preise zweier Augsburger Schlüsseld­ienstbetre­iber eingeholt. Sie liegen zwischen 60 und 100 Euro, Zuschläge fallen nicht an.

Der Angeklagte und sein Verteidige­r hatten auf Freispruch plädiert. Anwalt Sven Gröbmüller mochte beim Geschädigt­en keine Zwangslage erkennen. Ohne sie könne ein Schlüsseld­ienst „verlangen, was er will“.

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