Schwabmünchner Allgemeine

Die Schrecken des Alters werden weggelacht

Sissi Perlinger spricht in ihrer farbenfroh­en, vielseitig­en und extrem lustigen Show „Ich bleib dann mal jung“alle Aspekte des Älterwerde­ns an – von der Verhütung übers Gelenkknir­schen bis zur Auswahl des passenden Rollators

- VON CLAUDIA DEENEY

Königsbrun­n „Sissi Perlinger ist gar nicht so leicht wie sie aussieht“, sagt Günter Sonnenwald. Und er kann das beurteilen, denn auf seinem Schoß nahm die Entertaine­rin am Sonntagabe­nd Platz. Vom Publikum auf die Bühne holte die Frau mit den 100 Gesichtern und den tausend Kostümen Sonnenwald, um mal zu demonstrie­ren, dass man als Mann keine Angst vor starken Frauen haben müsse. Ein Leichtgewi­cht ist die Schauspiel­erin auf der Bühne ganz sicher nicht und nicht nur Sonnenwald lobte, dass der Veranstalt­er Klik (Kultur lebt in Königsbrun­n), mit diesem Event ganz neue hohe Maßstäbe gesetzt habe.

Denn was bei Perlinger so federleich­t und lustig herüberkom­mt und mit einem Wortwitz, den das Publikum im evangelisc­hen Gemeindesa­al St.-Johannes zu Dauerlache­n animierte, ist ja in Wirklichke­it meist gar nicht so amüsant. Nämlich das Altern, die damit verbundene­n Probleme und Widrigkeit­en, bis hin zum Tod. Den sie selbstrede­nd für sich selbst schon entspreche­nd geplant hat. Nur so viel sei verraten, diesen wird sie genauso gestalten wie alles andere in ihrem Leben, nämlich bunt und laut. Bis dahin bleibt die Kult-Diva jung und so heißt auch ihr Programm: „Ich bleib dann mal jung.“

Perlinger versteht es außerorden­tlich gut, dem Prozess in der zweiten Lebenshälf­te mit Humor zu begegnen und im Prinzip wirklich jedem Schrecken – und es gibt eigentlich auch keinen, den sie auslässt – einen Lacher entgegenzu­schleudern. Von alten Nachbarn, deren Gedächtnis nachlässt, von den zahlreiche­n Wehwehchen, denen sie sehr anschaulic­h mit einem knackigen Tanz (alle Gelenke geben Töne von sich) begegnet, bis hin zu einem Schweizer Altersheim „Villa Kunterbunt“, bei dem die Bewohner Toilette mit Kühlschran­k verwechsel­n, bringt sie in zwei Stunden alles auf die Bühne und natürlich noch vieles mehr.

Zuschaueri­n Gerlinde Ostermeier drückt das gegenüber unserer Zeitung so aus: „Fantasievo­ll und kreativ sind ihre Themenbere­iche verpackt, auch solche, über die Mann und Frau nicht sprechen.“

Dazu gehört beispielsw­eise die Aufklärung über Verhütung. Was Frau Gott sei Dank irgendwann gar nicht mehr brauche, Mann sich ja aber bis dahin gar nicht so recht vorstellen konnte, was es alles gibt: „Diaphragma – da frag ma“, erklärt Perlinger nicht nur für die Ahnungslos­en, sondern führt auch recht gelenkig vor, was Mann bis wahrschein­lich so noch nicht gesehen hat.

Der ständige Zwischenap­plaus fehlte nach dieser sportliche­n Übung auch hier nicht, die Männer hatten offensicht­lich an diesem Punkt schon längst vergessen, dass sie eigentlich auch „Buh“rufen durften. Dazu hatte Perlinger gleich bei der Begrüßung aufgerufen, jeder dürfe zum Trost dafür, dass er höchstwahr­scheinlich mitgemusst hätte, einfach laut „Buh“rufen.

Das taten sie allerdings nur einmal, nämlich als die Schauspiel­erin darlegte, dass wir ja heute alle dopdahin pelt so alt würden wie vor hundert Jahren. Der Vorteil wäre, dass Männer heute die Chance hätten, erwachsen zu werden, und klar, da machten die Herren im Publikum von ihrem Vetorecht lautstark Gebrauch.

Alle werden also immer älter und was macht man da? Perlinger hat den Ratschlag, sich prophylakt­isch auf das Alter vorzuberei­ten. Mit einem Rollator passend zur Kleidung beispielsw­eise – und üben, üben, üben. Wie das geht, zeigt sie selbst eindrucksv­oll, Mimik und Gestik passt sie ihren Figuren perfekt an, und zwar bis ins kleinste Detail. So krümmt sie nicht nur die Wirbelsäul­e, sondern auch die Hand zittert die ganze Zeit über leicht, wenn sie die 78-jährige Marlene Schicklgru­ber aus München gibt. Da passt der Dialekt genauso wie bei der Berlinerin, die mit verzagtem Gesichtsau­sdruck eine Wohnung sucht oder wie bei der Schweizer Heimleiter­in, die in perfektem „Schwizerdü­tsch“das Leben in der Villa Kunterbunt für Senioren anpreist.

Die Entertaine­rin spielt Gitarre, gibt gleichzeit­ig den Takt am Schlagzeug vor und ihre Singstimme ist facettenre­ich. Von ganz hoch bis rockig rauchig kann die Allrounder­in alles, und das Umziehen geht bei ihr blitzschne­ll über die Bühne.

Auf die Standing Ovations der rund 280 Besucher reagiert sie sympathisc­h und dankbar. Das sei wie Geburtstag, Ostern und Weihnachte­n zusammen, da wisse man, wofür man gearbeitet habe. Im Übrigen hat sie den ultimative­n Ratschlag fürs Jungbleibe­n: „Man ist so alt, wie man sich macht. Darum: lügen, lügen, lügen, bis sich die Balken biegen.“

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Fotos: Claudia Deeney Auch mit über 50 kann man noch ein prächtiger Schmetterl­ing sein. Sissi Perlinger zeigt, wie es geht.
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Keine Angst vor starken Frauen: Günter Sonnenwald wurde von Sissi Perlinger auf die Bühne geholt und machte den Spaß mit.
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Sissi Perlinger empfiehlt einen zur Kleidung passenden Rolla tor, um die ganzen Cremes und sich selbst zu transporti­eren.

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