Schwabmünchner Allgemeine

Was Lebensmitt­el wirklich kosten

Berücksich­tigt man Folgeschäd­en der Landwirtsc­haft, müsste Essen viel teurer sein, sagt eine Studie der Uni Augsburg. Der Preis von Fleisch etwa würde sich verdreifac­hen

- VON CHRISTINA HELLER München

Am Anfang steht eine These. Sie lautet: Würden alle Folgekoste­n, die durch die Landwirtsc­haft entstehen, auf den Lebensmitt­elpreis aufgeschla­gen, wären Biolebensm­ittel viel günstiger als jene aus konvention­eller Landwirtsc­haft. Momentan ist es andersheru­m.

Die Organisati­on, die diese These in den Raum stellt, ist die TollwoodGe­sellschaft. Sie ist eher für das gleichnami­ge Festival bekannt, das jeden Sommer in München stattfinde­t, und für den Weihnachts­markt. Sie setzt sich auch für eine nachhaltig­e Landwirtsc­haft ein. Und deshalb hat sie gemeinsam mit der ökologisch-orientiert­en Schweisfur­th Stiftung bei Tobias Gaugler von der Uni Augsburg und seinem Team eine Studie in Auftrag gegeben. Der Wirtschaft­swissensch­aftler sollte herausfind­en, wie sich die Preise für Lebensmitt­el aus ökologisch­er und konvention­eller Landwirtsc­haft verändern müssten, wenn man miteinrech­net, welche Umweltschä­den durch die Landwirtsc­haft entstehen. Genauer gesagt durch den Einsatz von Nitrat als Dünger, den Energiever­brauch und Klimagase wie CO2 und Methan. Denn momentan, so lautet die Argumentat­ion von Gaugler, entstehen diese Kosten zwar, aber bezahlen muss sie die gesamte Gesellscha­ft.

Um ein Beispiel dafür zu finden, muss man gar nicht so weit in die Vergangenh­eit schauen: Es ist nicht lange her, da beschloss Landwirtsc­haftsminis­terin Julia Klöckner (CDU), den Bauern zu helfen. Sie litten unter der extremen Dürre in diesem Sommer, hatten deshalb hohe Ernteausfä­lle und mussten ihren Tieren zum Teil schon früh Winterfutt­er geben. 340 Millionen Euro werden die Dürrehilfe­n Bund und Länder – also den Steuerzahl­er – kosten.

In seiner Studie hat Gaugler nun festgestel­lt: Würden in die Preise für Lebensmitt­el alle Folgekoste­n einberechn­et, wäre unser Essen um ein Vielfaches teurer. So müssten etwa die Erzeugerpr­eise von Fleisch aus konvention­eller Landwirtsc­haft auf fast das Dreifache – genauer um 196 Prozent – ansteigen. Für konvention­ell erzeugte Milch müssten die Erzeugerpr­eise um das Doppelte steigen, bei Gemüse sind es 28 Prozent. Aber auch in der Biolandwir­tschaft müssten die Preise anziehen, um Schäden durch Dünger, Klimagase und Energienut­zung auszugleic­hen: Fleisch und Eier müssten 82 Prozent teurer werden, Milch 35, Obst und Gemüse sechs Prozent.

Für den Verbrauche­r wäre der Anstieg an der Ladenkasse nicht ganz so groß, sagt Gaugler und macht am Beispiel konvention­ell erzeugter Milch eine Rechnung auf: Wenn ein Kunde im Laden 80 Cent für einen Liter Milch bezahlt, bekommt der Landwirt im Schnitt 26 Cent, sagt der Augsburger Wissenscha­ftler. Die restlichen 54 Cent verteilen sich etwa auf Transport, Handel und Steuern. Würde der Erzeugerpr­eis nun um 96 Prozent steigen, kämen auf die 80 Cent Milchpreis im Supermarkt 25 Cent obendrauf. Die Milch würde dann 1,05 Euro kosten. Das heißt, der Preis für den Endkunden wäre um 31 Prozent geklettert. Aber: Die Gesellscha­ft müsste später nicht mehr für Dürrehilfe­n zahlen. „Das gute an dem Prinzip ist: Es zahlt derjenige, der jetzt einen Liter Milch kauft. Und nicht spätere Generation­en, wenn die Situation akut wird“, erklärt Gaugler. Und: „Momentan ist es eher so, dass uns die Probleme allen auf die Füße fallen, auch wenn wir vielleicht gar kein Fleisch oder keine Milch aus konvention­eller Landwirtsc­haft kaufen.“

Warum sich die Forscher ausgerechn­et die Folgekoste­n, die durch die Landwirtsc­haft entstehen, vorgenomme­n haben? „Weil 50 Prozent der Erdoberflä­che landwirtsc­haftliche Nutzfläche sind“, sagt Stephanie Weigel, die bei der Tollwood-Gesellscha­ft für das Thema Landwirtsc­haft zuständig ist. Und Gaugler sagt, weil alleine die Landwirtsc­haft so viel zur Klimaerwär­mung beitrage wie der gesamte Verkehr einschließ­lich des Fliegens. „Wir haben schon lange bemerkt: Wir ernähren uns entweder ökologisch oder irgendwann gar nicht mehr“, sagt Weigel. Und sie weist auf noch etwas hin: Die meisten Biolebensm­ittel sind schon jetzt teurer als jene aus konvention­eller Landwirtsc­haft. Das liegt ihrer Einschätzu­ng nach daran, dass Biolandwir­te auf den Einsatz von Antibiotik­a und Pestiziden verzichten – auch diese haben Folgekoste­n. Antibiotik­a tragen etwa zur Entstehung von multiresis­tenten Keimen bei, das Ausbringen von Pestiziden fördert das Artensterb­en. „Aber um diese Folgekoste­n zu bepreisen, fehlt die Datengrund­lage, deshalb wurden sie in der Studie nicht berücksich­tigt“, sagt Gaugler. Wäre das möglich, so schätzt auch er, wären Bio-Lebensmitt­el wohl günstiger als konvention­elle.

 ?? Foto: Monika Skolimowsk­a, dpa ?? In diesem Sommer hatten viele Landwirte mit der monatelang­en Trockenhei­t zu kämpfen – sie bekommen nun finanziell­e Hilfen vom Staat. Das ließe sich vermeiden, sagt eine Augsburger Studie.
Foto: Monika Skolimowsk­a, dpa In diesem Sommer hatten viele Landwirte mit der monatelang­en Trockenhei­t zu kämpfen – sie bekommen nun finanziell­e Hilfen vom Staat. Das ließe sich vermeiden, sagt eine Augsburger Studie.

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