Schwabmünchner Allgemeine

Hat die Spiegelref­lex ausgeknips­t?

Im digitalen Zeitalter kommen die neuesten Kameras auch ohne Spiegel aus. Sie bieten gegenüber der altehrwürd­igen Technik sogar Vorteile. Worauf Fotografen achten sollten – und was der spiegellos­e Spaß kostet

- VON OLAF WINKLER

In der Welt der Fotografie gibt es die klassische­n „Knipser“. Sie greifen zu Smartphone oder Kompaktkam­era, nutzen Automatik-Funktionen – und sind im Regelfall glücklich damit. Denn ihre Fotos wandern in soziale Netzwerke oder in das eigene Fotoalbum.

Es gibt aber auch profession­elle Fotografen. Sie liefern das, was sich in Zeitungen, Zeitschrif­ten und Bildbänden findet. Und sie arbeiten seit Generation­en mit Spiegelref­lexkameras. Im digitalen Zeitalter macht das aber eigentlich oft keinen Sinn mehr, weshalb immer mehr Profis umsteigen. Und manch ambitionie­rter Hobby-Fotograf tut es ebenfalls.

Wozu verfügen Spiegelref­lexkameras über einen Spiegel? Sie zeigen über ihr Spiegelsys­tem durch den Kamerasuch­er genau jenen Bildaussch­nitt, der beim Wegklappen des Spiegels auf dem Film beziehungs­weise im Digitalzei­talter auf dem Chip landet. Diesen Bildaussch­nitt können digitale Kameras aber auch ohne die Spiegeltec­hnik zeigen. Das tun selbst die preiswerte­sten Modelle. Spiegelref­lexkameras haben so gesehen also keine besondere Existenzbe­rechtigung mehr.

Doch diese Erkenntnis setzt sich erstaunlic­h langsam bei den Fotografen durch. Schon 2010 gab es erste sogenannte Systemkame­ras ohne Spiegel – also Kameras, die sich durch einen Objektivwe­chsel an unterschie­dliche Aufnahmesi­tuationen anpassen lassen. Erst jetzt, kurz vor Beginn der Branchen-Leitmesse „Photokina“in Köln (26. bis 29. September), hat Canon angekündig­t, ebenfalls in diesen Markt einzusteig­en, und hat die „EOS R“als erste spiegellos­e Systemkame­ra angekündig­t. Deren aktuelle Hauptkonku­rrenten sind die „Z7“von Nikon sowie die „Alpha 7R III“von Sony. Allen drei Modellen gemeinsam ist ein recht hoher Preis von deutlich über 2000 Euro. Doch das ist im Vergleich mit ähnlich leistungss­tarken Spiegelref­lexkameras immer noch günstig.

Wichtig ist ein Vollformat Chip

Neben der Preisklass­e haben die drei Kameras auch einen Vollformat-Chip als Gemeinsamk­eit. Die Chip-Größe ist für die Bildqualit­ät entscheide­nd. Je größer der Chip, desto mehr Bildpunkte und Licht kann er aufnehmen. Als „Vollformat“gilt dabei ein Chip mit Abmessunge­n von 36 mal 24 Millimeter­n. Das entspricht genau der Größe eines Negativs im Zeitalter der analogen Fotografie. Preiswerte Kompaktode­r auch Spiegelref­lexkameras arbeiten mit deutlich kleineren Chips.

Auswechsel­bare Objektive, ein Vollformat-Chip und der Verzicht auf einen Spiegel – das ist eine Kombinatio­n, die immer mehr Fotogra- begeistert. Denn eine solche Kamera liefert profession­ell verwertbar­es Bildmateri­al, sofern der Fotograf denn sein Handwerk versteht und die Technik richtig einsetzt. Gleichzeit­ig ist eine spiegellos­e Systemkame­ra deutlich kompakter und vor allem leichter als eine Spiegelref­lexkamera.

Deren Flexibilit­ät geht in keiner Weise verloren. Zwar benötigen die Kamera-Modelle von Sony, Nikon und Canon spezielle Objektive. Wer jedoch neu in die Systemwelt einsteigt, müsste ohnehin in Objektive investiere­n. Und wer von einer Spiegelref­lexkamera zu einem spiegellos­en Modell wechselt, kann seine Objektive weiter verwenden. Möglich machen das Adapter, die mit Preisen von bis zu 300 Euro jedoch nicht ganz preiswert sind.

Einen Nachteil haben die spiegellos­en Systemkame­ras jedoch. Da sie grundsätzl­ich auf Elektronik und einen Bildschirm oder digitalen Sucher angewiesen sind, um den Bildaussch­nitt zu zeigen, benötigen sie mehr Energie als Spiegelref­lexkameras, die das Bild analog und damit stromspare­nd in den Sucher spiegeln. Unter dem erhöhten Energieauf­wand leidet die Zahl der maximalen Aufnahmen. Doch dieses Manko lässt sich mit einem Ersatzakku leicht beheben.

Technische Daten und Preise der einzelnen Modelle

Die Alpha 7 III von Sony kam im Frühjahr auf den Markt. Die Produktbez­eichnung verrät es: Hier gab es in der Vergangenh­eit bereits einige Modelle, die zu teilweise sehr günstigen Preisen auch heute noch im Handel auftauchen. Das aktuelle Modell kostet inklusive Standardfe­n Objektiv knapp 2500 Euro. Sie misst rund 127 mal 96 mal 63 Millimeter und wiegt 657 Gramm. Die Alpha 7 III arbeitet mit 24 Millionen Bildpunkte­n und einer Serienbild­funktion von bis zu zehn Bildern pro Sekunde.

Die Z7 von Nikon ist seit August erhältlich. Auch hier ist das Vorgängerm­odell noch im Handel präsent. Mit 134 mal 101 mal 68 Millimeter­n ist das Nikon-Modell geringfügi­g größer als die Sony-Kamera. Dafür bietet sie aber auch eine wesentlich höhere Bildauflös­ung mit über 46 Millionen Bildpunkte­n. Im Gewicht macht sich das nicht bemerkbar: Die Z7 wiegt 675 Gramm. Mit rund 4000 Euro ist die Nikon deutlich teurer.

Mit der EOS R von Canon will der Hersteller den Markt der spiegellos­en Systemkame­ras aufmischen. Dafür hat Canon einen neuen Bajonett-Typ (so nennt man das Anschlusse­lement für die Wechselobj­ektive) entwickelt, der über seinen zwölfpolig­en Anschluss einen schnellen Austausch zwischen Objektiv und Kamera ermöglicht. Gleichzeit­ig mit der Kamera bringt Canon im Oktober auch vier Objektive auf den Markt, die die Brennweite­n für die gängigen Einsatzgeb­iete abdecken. Zusätzlich lassen sich auch hier vorhandene Objektive mittels Adapter nutzen.

Zusammen mit einem Zoom-Objektiv mit Brennweite­n zwischen 24 und 105 Millimeter­n kostet die EOS R knapp 3500 Euro. Das Kameragehä­use ist mit 136 mal 98 mal 84 Millimeter­n vor allem etwas dicker als jene der Konkurrenz. Dafür bringt die Kamera nur 580 Gramm auf die Waage. Die Auflösung liegt bei maximal 30,3 Millionen Bildpunkte­n.

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Foto: Andrea Warnecke, dpa (Symbolbild) Neue Fotowelt: Aus technische­r Sicht ist heute kein Spiegel mehr nötig, um den exakten Ausschnitt eines Bildes zu sehen. Trotzdem setzt sich die neue Technologi­e eher lang sam durch. Branchenri­ese Canon will den Markt nun mit seiner ersten spiegellos­en Systemkame­ra aufmischen.
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Canon EOS R, Nikon Z7 und Sony Alpha 7 III (von links).
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Fotos: Hersteller
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