Besuch aus dem Allgäu unerwünscht
In Tirol werden Schmähschriften verteilt, die sich gegen Gäste aus Schwaben richten. Was dahintersteckt, ist unklar
Ein Ungeheuer wurde zwar noch nicht gesichtet am Lechausee bei Weißenbach in Tirol. Dennoch passiert rund um den idyllischen Baggersee seit Wochen Ungeheuerliches. Ein mysteriöser Unbekannter erschreckt seit Juni deutsche Ausflügler mit kruden Aktionen, um sie aus der Grenzregion zu vertreiben.
Das jedenfalls ist die drastische Botschaft eines Pamphlets, das immer wieder an Windschutzscheiben von Autos mit deutschem Kennzeichen geklemmt wurde. „Piefke bleib zuhause“, heißt es darin gehässig. Die Schmähschrift richtet sich – für viele überraschend – weniger an Urlauber aus dem hohen Norden, sondern an „Vor allem die Allgäuer und andere Grenzgänger“. Ihnen wird die Schuld an einem Tourismus gegeben, der dem Verfasser zufolge aus dem Ruder läuft. „Ihr verursacht bei uns im Land nur Lärm, Staus, Müll, Dreck, und schlechte Laune“, schreibt er und schließt: „Wir mögen euch wirklich nicht!“
Doch es blieb offenbar nicht nur beim „Piefke-Pamphlet“, das strafrechtlich nicht zu ahnden ist. Nach der Berichterstattung in der Allgäuer Zeitung und auf allgaeu.life meldeten sich Leser, die von abgelassenen Reifen, zerkratzten Türen und herausgerissenen Ventilen berichteten. Das Auto der Ostallgäuerin Pia Arzensek erwischte es demnach besonders heftig. Ein Gutachter bezifferte den Schaden auf 5000 Euro. „Ich bin fassungslos. Das geht zu weit“, ärgert sich die 33-Jährige. Obwohl die Polizei immer wieder mit Zivilstreifen den Parkplatz am See ansteuert, fehlt den österreichischen Beamten vom Täter bislang jede Spur. Oder handelt es sich am Ende gar um mehrere Touristen-Hasser? Diese Frage wird unter den 1250 Einwohnern in der Gemeinde Weißenbach eifrig diskutiert. Vereinzelt wird auf eine Gruppe junger Burschen getippt. Die Mehrheit jedoch ist sicher: „Das muss ein einzelner Querulant sein.“Wirt Franz Leiss, 54, bringt der Spuk auf die Palme: „Was soll dieser Mist? Das muss ein Gehirnamputierter sein. Wir leben hier vom Tourismus. Es gab mit Gästen und Ausflüglern nie ein Problem. Gerade die Allgäuer sind uns hochwillkommen“, sagt er.
Das gute Miteinander betont auch Ronald Petrini, Geschäftsführer des Tourismusverbandes Naturparkregion Reutte, zu dem Weißenbach gehört. Die Vorfälle würden dem Ruf der Region und den wirtschaftlichen Beziehungen schaden. „Das reibt uns auf“, ärgert er sich.
Ob der Verfasser des „PiefkePamphlets“sein Ziel erreicht, scheint indes fraglich. Fakt ist, dass der kleine Ort Weißenbach derzeit so viel Aufmerksamkeit erhält wie selten zuvor. Zahlreiche Medien berichten über das „Phantom“und den Baggersee, von dessen Existenz bislang selbst viele Allgäuer noch nichts wussten.