Schwabmünchner Allgemeine

Soll man lachen, soll man weinen?

Erneut ist in Spanien eine wertvolle Sakralskul­ptur laienhaft „verschöner­t“worden. Und wieder hagelt es Hohn und Spott. Angefangen hat das alles mit dem „Affen-Jesus von Borja“

- Alexander Pitz, kna

Madrid Spaniens jahrhunder­tealte Kunstschät­ze sind in Gefahr. Nein, es ist nicht der viel zitierte Zahn der Zeit, der die Zeugnisse vergangene­r Epochen bedroht. Weitaus verheerend­er ist das wohlmeinen­de Wirken dilettanti­scher Hobby-Restaurato­ren. Der neueste Fall ereignete sich im asturische­n Dörflein Ranadoiro und sorgt derzeit über die Landesgren­zen hinaus für allerhand Spott und Entsetzen. Die Inhaberin des örtlichen Tabakladen­s nahm sich vor, das wohl bedeutends­te Stück Sakralkuns­t der Region auf eigene Faust mit frischen Farben „zu verschöner­n“: eine Holzfigure­ngruppe aus dem 15. Jahrhunder­t, eine sogenannte Anna selbdritt, die neben der heiligen Anna ihre Tochter Maria und das Jesuskind zeigt.

Die ursprüngli­ch unbemalte Skulptur steht in einer Kapelle und diente Besuchern als Andachtsbi­ld. Ob sie diesen Zweck künftig noch erfüllen kann, ist fraglich. Denn was Maria Luisa Menendez mit der Erlaubnis des Dorfpfarre­rs und einigen Eimern Decklack anrichtete, bezeichnen Experten als „Desaster“. Tatsächlic­h ist der neue Look der Figurengru­ppe verstörend. Die heilige Anna trägt ein knallpinke­s Gewand, ihre Lippen leuchten wie ein rosaroter Kussmund. Obendrein wurde sie mit schwarzem Eyeliner traktiert. Maria und Jesus haben eine ähnliche Behandlung hinter sich.

„Ich weiß nicht, ob ich lachen oder weinen soll“, sagte Luis Suarez Saro, Kunstdozen­t und profession­eller Restaurato­r aus Asturien. Er hatte die wertvolle Figurengru­ppe aus Nussholz vor 15 Jahren behutsam und nach eingehende­r Untersuchu­ng restaurier­t. Nun ist er fassungslo­s. Maria Luisa Menendez kann die Aufregung um ihre Arbeit nicht verstehen. „Ich bin keine profession­elle Malerin, aber ich habe das immer gerne gemacht“, gab sie nach vollendete­r Tat zu Protokoll. Auch die Nachbarn seien mit dem Ergebnis zufrieden gewesen. Schließlic­h habe die Skulptur vorher „grauenvoll“ausgesehen. Die lokalen Behörden indes sind anderer Auffassung. Sie halten den Vorfall für „eine Schande“und prüfen rechtliche Schritte. In den sozialen Netzwerken ergießt sich derweil ein Schwall von Häme. Nutzer aus aller Welt machen sich über Ranadoiro lustig.

Dem Spanischen Restaurato­renverband ACRE ist nicht zum Lachen zumute. Er kritisiert bereits seit langem einen „desaströse­n“ zu laienhafte­n Restaurier­ungen selbst bei wertvollst­en Kunstschät­zen. Derlei Eingriffe von „unfähigem“Personal seien ein „Anschlag auf das kulturelle Erbe“des Landes, so die Experten. Zuletzt hatten sie eine ganze Reihe entspreche­nder Fälle zu beklagen. Meist ist Kirchenkun­st betroffen.

Im Juni sorgte etwa die eigenwilli­ge Restaurier­ung einer Figur des heiligen Georg in der Provinz Navarra für Empörung. Das in einer Kirche der Gemeinde Estella aufbewahrt­e Werk aus dem 16. Jahrhunder­t wurde in Farbe geradezu ertränkt und sah nach der Prozedur aus, als sei es einem Comic-Heft entsprunge­n. Kritiker sprachen von einer „Hommage an Tim und Struppi“, der Bürgermeis­ter tobte. Verantwort­lich war ebenfalls der Ortspfarre­r, der – ohne Rücksprach­e mit den zuständige­n Kulturbehö­rden – eine befreundet­e Handarbeit­slehrerin mit dem Projekt be- hatte. Die Tageszeitu­ng

ABC titelte damals: „Der Heilige Georg – zur Strecke gebracht vom Drachen der Ignoranz“.

Immer wenn es in Spanien derartige Schlagzeil­en gibt, ist schnell von einem weiteren Fall die Rede. Das legendäre Scheitern der über 80 Jahre alten Hobby-Malerin Cecilia GiTrend menez in Borja gilt als die Mutter aller missglückt­en Restaurier­ungen. Als sie im Jahr 2012 mit der Auffrischu­ng des Jesus-Freskos „Ecce Homo“in der Kirche Santuario de Misericord­ia fertig war, glich Jesus eher einem Äffchen als dem Sohn Gottes. Ein Lokalrepor­ter, der zunächst von Vandalismu­s ausging, foauftragt tografiert­e den entstellte­n Heiland und untertitel­te das Bild mit den Worten: „Das verzeiht nicht einmal Jesus“. In der Folge wurden Zeitungen und Fernsehsen­der weltweit auf die Geschichte aufmerksam.

Zwar mögen Experten mit Schrecken an die Kunstkatas­trophe von Borja zurückdenk­en, doch solche Ereignisse haben in gewisser Weise auch ihr Gutes. So löst die Angelegenh­eit noch heute internatio­nale Erheiterun­g aus. „Das bringt mich immer wieder zum Lachen“, schrieb jüngst eine junge Britin auf Twitter über die schräge Umgestaltu­ng des Freskos. Sie bringt die Meinung vieler Trash-Fans auf den Punkt: „Es sieht so beschissen aus, dass es schon fast wieder gut ist.“Auch für „Restaurato­rin“Cecilia Gimenez nahm die Sache ein positives Ende. Sie bekam eine eigene Ausstellun­g. Und der „Affen-Jesus von Borja“ist inzwischen ein Touristenm­agnet.

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Fotos: afp Die Figurengru­ppe der Anna selbdritt vor und nach der Farbbehand­lung.
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Fotos: dpa Das Ecce homo Fresko von Borja war zweifelsoh­ne restaurier­ungsbedürf­tig (Mitte); nur hätte das nicht von Laienhand geschehen sollen (rechts).

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