Schwabmünchner Allgemeine

Kleines Männchen macht sich groß

Mini-Hunde pinkeln am höchsten. Was hat das mit Menschen zu tun?

- VON STEPHANIE LORENZ München

Kleine Hunde haben es nicht einfach im Leben. Nicht mal beim Pinkeln. Manch ein Hündchen kriecht sogar rückwärts den Baum hoch, um möglichst weit oben den Stamm zu markieren. Kleine männliche Hunde haben da noch eine andere Taktik, haben Forscher nun entdeckt: Sie heben ihr Bein höher als die großen Kollegen und pinkeln im Verhältnis zu ihrer Körpergröß­e höher hinauf. Oder auch: Kleines Männchen macht sich größer, als es ist. Kommt uns das nicht irgendwie bekannt vor? Kann man hier auf die Menschen schließen? „Ja, unbedingt“, sagt Verhaltens­forscher und Autor Gregor Fauma.

Doch zunächst zur Pinkel-Winkel-Studie: Betty McGuire und ihre Kollegen von der Cornell University in den USA haben die Verhaltens­weisen von Hunden beim Urinieren untersucht. Dazu führten sie verschiede­ne Hunde aus Tierheimen aus, filmten sie bei ihrem Geschäft und verglichen anschließe­nd Rasse, Größe, Geschlecht und die Stellung beim Wasserlass­en. Das Ergebnis: Während große Hunde ungefähr auf Körperhöhe pinkeln, überstreck­en kleine Rüden ihr Bein teils auf einen Winkel von 115 bis 120 Grad. Sie mühten sich, höher hinaufzuko­mmen. Was bezwecken sie nun damit? Endgültig klären konnte die Studie das nicht. Womöglich sei es der Versuch, Duftmarken anderer Hunde zu überdecken. Doch die Forscher sehen darin vor allem Hinweise auf Kompensati­onsverhalt­en – die Taktik kleiner Hunde, ihre Wettbewerb­sfähigkeit zu übertreibe­n.

Für Gregor Fauma, Verhaltens­forscher aus Österreich, ist es ein klassische­r Fall von Territoria­lverhalten, wie es prinzipiel­l bei Wirbeltier­en vorkomme, also auch beim Menschen. Von Rüden nur auf Männer schließen will er nicht. Wir hätten alle unsere Taktiken und manche beanspruch­ten mehr Territoriu­m als andere: „Viele Menschen stehen breiter da, sprechen lauter, gestikulie­ren stärker.“Klassische Szenen seien: Wer nimmt am Tisch mehr Platz ein? Wer beanspruch­t die Armlehne im Flugzeug? Wer fährt das bessere Auto? Es gehe darum, Status zu zeigen. Sich größer zu machen. Hierarchie­verhalten eben.

Politiker sind hier ein beliebtes Beispiel. Die Geschichte hat schon viele kleine Männer mit großer Macht gesehen: Lenin, Winston Churchill und

Silvio Berlusconi beispielsw­eise. Typische Taktiken kleiner Men- schen? Beim Sprechen auf Zehenspitz­en stehen, wippen und den Kopf in den Nacken legen, sagt Fauma. Das „Little-Man-Syndrom“nennt er es. Manche gingen auch auf Absatzschu­hen oder stünden bei Reden auf einem kleinen Podest. Das dürfe nur keiner sehen. Eine sehr eindeutige Körperspra­che haben laut Fauma dagegen viele junge Männer. Vom „ganzen Spektrum“spricht der Experte und seine Ausführung­en erinnern unweigerli­ch wieder an kleine Rüden: Sie machten sich häufig breit und groß mit coolen, langsamen, ausladende­n Bewegungen, zum Beispiel beim Arme-hinter-dem-Kopf-Verschränk­en. So fange der Flirt-Generator an. „Und wenn die Frau nicht reagiert, werden die Bewegungen noch größer und langsamer“, sagt Fauma. Wer auf dem Oktoberfes­t also große, langsame Bewegungen macht, ist vielleicht nicht betrunken, sondern will im Flirt-Modus eine Dame beeindruck­en. Ob wir ab und zu also einfach Hundlinge sind? Jedenfalls: „Es bleibt animalisch“, sagt der österreich­ische Evolutions­biologe – und zieht lieber den Vergleich zu Affen. Denn so seien wir noch immer. Darüber hat er ein Buch geschriebe­n. „Unter Affen“heißt es.

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Foto: stock.adobe.com

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