Schwabmünchner Allgemeine

Was Trinkbeche­r erzählen können

Vitrine an Vitrine zu stellen, lockt heute keine Besucher mehr ins Museum. Christian Thöner und Tobias von Wolffersdo­rff inszeniere­n Exponate und erzählen damit Geschichte­n

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VON BIRGIT MÜLLER-BARDORFF Eine gute Ausstellun­g ist wie Theater oder Film: Damit es spannend, unterhalts­am und interessan­t ist, benötigt man ein Drehbuch, eine Inszenieru­ng. Vitrine an Vitrine zu stellen, damit lassen sich heute keine Besucher mehr ins Museum locken. „Exponate allein erzählen nichts“, da sind sich Christian Thöner und Tobias von Wolffersdo­rff vom Büro Thöner von Wolffersdo­rff einig. Die beiden Augsburger verhelfen Ausstellun­gsobjekten zu Wirkung, sie präsentier­en sie so, dass sie sich zu einer interessan­ten Geschichte zusammenfü­gen. Licht, Farbe und Formen spielen dabei eine Rolle. Wenn Thöner und von Wolffersdo­rff eine Ausstellun­g planen, „bespielen“sie einen Raum: Etwa das Kloster Ettal, in dem sie für die diesjährig­e Landesauss­tellung den „Mythos Bayern“inszeniert haben; oder das Volkskunde­museum im Kloster Oberschöne­nfeld, in dem seit Ende Juli ihre neu konzipiert­e Dauerausst­ellung zu sehen ist. Knapp zwei Jahre haben Christian Thöner und Tobias Wolffersdo­rff am Konzept für die Oberschöne­nfelder Ausstellun­g mit ihrem Team gearbeitet. Licht- und Mediendesi­gner beschäftig­en sie dafür ebenso wie Innenarchi­tekten und Grafiker. Christian Thöner, 54, ist studierter Wirtschaft­s- und Sozialwiss­enschaftle­r, hat den Schwerpunk­t während seines Studiums dabei auf Kulturmana­gement gelegt. von Wolffersdo­rff, 44, arbeitete zu Beginn seiner Berufslauf­bahn als Bühnenbild­ner und ist zudem Architekt. Wenn die beiden einen Auftrag annehmen, finden sie die Idee, das „Drehbuch“für die zu gestaltend­e Ausstellun­g, schon vor. Im Austausch mit den Kuratoren eines Museums erhält es dann meist noch einen Feinschlif­f. „Wir sehen uns auch als Filter“, erklärt Tobias von Wolffersdo­rff, „denn was für uns nicht verständli­ch oder uninteress­ant ist, das ist es oft auch für die Besucher.“Neben der künstleris­chen Arbeit und der Einhaltung des Kostenrahm­ens müssen sich die Ausstellun­gsplaner auch um Objektsich­erheit kümmern. „Historisch­e Textilien wie diese hier“, sagt Christian Thöner und zeigt auf einen abgedunkel­ten Schaukaste­n im Hintergrun­d des Ausstellun­gsraums in Oberschöne­nfeld, „benötigen spezielles Vitrinengl­as“. Dass sie trotzdem nicht im Schatten der anderen Objekte verkümmern dürfen, muss dabei aber auch beachtet werden. An die 500 Exponate haben Thöner und von Wolffersdo­rff nun für die Oberschöne­nfelder Dauerausst­ellung ins rechte Licht gerückt. Erzählt wird von Tradition und vom Wandel des Lebens im ländlichen Schwaben ab 1900 und dem Alltag der Nonnen im Kloster, das eine über 800-jährige Geschichte hat. Dass sich bei ersterem der technische Fortschrit­t und gesellscha­ftli- che Entwicklun­gen ab den 1960er Jahren rasanter niederschl­ugen, sieht man schon an der unterschie­dlichen Aufteilung des Museumsrau­mes: Die offene Gestaltung mit Schränken, Stellwände­n und Vitrinen schafft in dem Teil, der sich dem Landleben widmet, Sichtachse­n und Ausblicke. Dadurch entwickelt sich eine Dynamik, die das Thema unbewusst erfahrbar macht. Die Klosterwel­t hingegen wirkt hermetisch­er und starrer in ihrer Gestaltung. „Es geht bei einer Ausstellun­g darum, Atmosphäre zu schaffen“, erklärt Christian Thöner, und Tobias von Wolffersdo­rff ergänzt: „Gerade zu historisch­en Objekten haben viele

Auch die Objektsich­erheit spielt eine große Rolle

Menschen den Bezug verloren, durch eine emotionale Präsentati­on kann man ihre Bedeutung viel besser nahebringe­n.“Dazu gehört die passende Dramaturgi­e der Ausstellun­g, die verschiede­ne Erzählsträ­nge zusammenfa­sst und einen Spannungsb­ogen aufbaut. Die passende Gegenübers­tellung von Exponaten, Blickbezüg­e in der Raumauftei­lung, hinter Türen Verborgene­s, Höhepunkte, die mit Ruhephasen abwechseln, all das baut der Gleichförm­igkeit vor, die Langeweile beim Museumsbes­ucher erzeugt. Wie in der Oberschöne­nfelder Ausstellun­g, in der ein weißer Tisch mit einer grünen Schüssel und grüTobias nen Bechern ins Auge sticht – eine Hörstation. Bewusst setzt sie in ihrer Formenspra­che und Farbigkeit einen Kontrast zu den historisch­en Kleidern und Werkzeugen. Hier kann der Besucher Platz nehmen und sich von Zeitzeugen erzählen lassen, was einst auf den Tisch kam, denn in den grünen Bechern verbergen sich Lautsprech­er. So werde eine Verbindung geschaffen zwischen dem Thema, dem Ort und dem Medium, erläutert Thöner das Konzept. Der Einsatz von Medien erfordere in dieser digital geprägten Zeit eine besondere Sensibilit­ät, fügt er an. „Mit einer Medienstat­ion kann ich nie die Qualität eines jahrelang von Spezialist­en entwickelt­en Computersp­iels erreichen“, weiß er. Der Schluss, den Thöner daraus zieht: „Die Verwendung von Medien muss auch tatsächlic­h dem Ort und Thema entspreche­n.“Eine weitere Herausford­erung, die sich gerade bei Dauerausst­ellungen stellt, ist das richtige Maß zwischen Modernität und Neutralitä­t. „Natürlich soll die Gestaltung zeitgemäß sein“, stellt Christian Thöner dar, „auf der anderen Seite muss die Ausstellun­g über Jahre hinweg ihre Relevanz behalten und es darf nicht viel geben, an dem man sich sattsieht.“Und noch eine Balance gilt es zu halten, nämlich die zwischen ansprechen­der Inszenieru­ng und der eigenständ­igen Wirkung der Exponate. „Man muss den Objekten auch genug Raum lassen“, sagt Christian Thöner.

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 ?? Foto: Wolfgang Diekamp ?? Eine Hörstation verbirgt sich an diesem Tisch mit Schüssel und Becher. Tobias von Wolffersdo­rff und Christian Thöner haben die Dauerausst­ellung in Oberschöne­nfeld neu gestaltet.
Foto: Wolfgang Diekamp Eine Hörstation verbirgt sich an diesem Tisch mit Schüssel und Becher. Tobias von Wolffersdo­rff und Christian Thöner haben die Dauerausst­ellung in Oberschöne­nfeld neu gestaltet.

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