Schwabmünchner Allgemeine

Schlägt hier ein Eisklotz von einem Flugzeug ein?

Während Harald Braun durch Augsburg fährt, wird sein Auto mit großer Wucht von einem Gegenstand getroffen. Der Kfz-Sachverstä­ndige kann das mit einem Video belegen. Nun sucht die Polizei nach dem Verursache­r

- VON JÖRG HEINZLE Hinweistel­efon

Ein lauter Knall. Es klingt wie ein Schuss. Harald Braun ist mit seinem Auto in der Dieselstra­ße unterwegs, kurz vor der Brücke über die Wertach. Er erschrickt. Er stoppt den BMW, steigt aus und sieht eine massive Delle im rechten Kotflügel. Es sieht aus, wie wenn jemand mit großer Wucht einen Hammer darauf geschlagen hätte. Etwas muss auf sein Auto gefallen sein. Hat jemand einen Stein geworfen? Harald Braun sucht die Stelle gründlich ab, doch er findet nichts. Jetzt hat er einen ganz anderen Verdacht: Es muss ein Eisbrocken gewesen sein, der sich von einem Flugzeug abgelöst hat.

Harald Braun, 51, kennt sich aus mit Schäden an Fahrzeugen. Er ist Kfz-Sachverstä­ndiger. Und er hat in seinem Auto eine Kamera installier­t, mit der er durch die Frontschei­be das Geschehen vor seinem Fahrzeug filmen kann – eine sogenannte Dashcam. Die Aufnahmen können nach Unfällen als Beweis genutzt werden. Erst kürzlich hat der Bundesgeri­chtshof das für rechtlich zulässig erklärt. Harald Brauns Kamera zeigt, wie ein Gegenstand nach unten fällt und auf dem Kotflügel aufschlägt. Der Gegenstand wirkt in dem Video rötlich. Das könnte an einer Spiegelung liegen, vermutet der Kfz-Gutachter. Schaue man sich den Gegenstand aber genauer an, so zeige sich, dass es ein Eisklotz sein könnte. Er ist zylinderfö­rmig, etwa 10 auf 20 Zentimeter groß.

Harald Braun meint: „Man kann von Glück sagen, dass kein Fußgänger davon getroffen worden ist.“Doch ist es überhaupt möglich, dass ein Flugzeug Eis verliert? Grundsätzl­ich Ja, lautet die Antwort des Luftfahrt-Bundesamte­s. Die Behörde hat ein Informatio­nsblatt zu diesem Phänomen verfasst. Darin heißt es: „Vereinzelt erreichen uns Meldungen, dass mehr oder minder große Eisbrocken vom Himmel gefallen sind, manchmal grünlich oder bläulich gefärbt und oft schlecht riechend.“Solches Eis stammt von Flugzeugto­iletten. Das verbraucht­e Wasser wird normalerwe­ise im Flieger gesammelt und später am Boden abgepumpt. Es könne aber Fälle geben, schreibt das Luftfahrt-Bundesamt, in denen die Anschlussv­entile undicht sind. Dann können Tropfen austreten, festfriere­n und sich langsam vergrößern. Bis sie von der Außenhaut des Flugzeugs abfallen.

Am BMW von Harald Braun ist durch den Einschlag ein Schaden von an die 2000 Euro entstanden. Er arbeitet seit 25 Jahren als Kfz-Sachverstä­ndiger in Bissingen im Kreis Dillingen. Von einem kleineren Stein könne solch eine Delle nicht stammen, sagt er. Den Schaden will er nicht aus eigener Tasche bezahlen. Er habe ihn schließlic­h nicht zu verantwort­en, sagt er. Er hat deshalb den Fall bei der Polizei gemeldet. Als er beim zuständige­n Revier anrief und den Vorfall schilderte, dachte die Beamtin am Telefon an einen Scherz. Die Polizistin vermutete zuerst, sie habe den Spaß-Anrufer des Radiosende­rs Hitradio RT1 am Telefon. Er nennt sich ebenfalls „Herr Braun“. Als Harald Braun dann persönlich auf dem Revier erschien und die Aufnahmen zeigte, sah die Sache anders aus. Die Beamten nahmen den Fall genau auf. Ermittelt wird nun wegen des Verdachts der Sachbeschä­digung und des gefährlich­en Eingriffs in den Straßenver­kehr. Ein Polizeispr­echer sagt: „Wir werden versuchen, herauszufi­nden, was für ein Gegenstand das war und wie er dort hingekomme­n ist.“

Nur eine Handvoll Flugzeuge war laut dem Internetpo­rtal flightrada­r24.com über dem Großraum Augsburg unterwegs, als sich der Vorfall am Freitagabe­nd, gegen 19.20 Uhr, ereignet hat. Das Luftfahrt-Bundesamt jedenfalls teilt mit, dass es schwer festzustel­len sei, von welchem Flugzeug ein Eisbrocken stammen könnte. Meist seien mehrere Flugzeuge im Luftraum gewesen. Die genaue Flugbahn des Eisbrocken­s kann Experten zufolge nur schwer nachvollzo­gen werden.

Den Behörden sind eigenen Angaben zufolge bisher nur Fälle bekannt, die sich im Anflugbere­ich von Flughäfen abgespielt haben.

Auch Schäden an Häusern sind bekannt

Hier habe es auch schon einmal Schäden an Häusern gegeben.

Das Luftfahrt-Bundesamt spricht davon, dass solche Fälle nur „sehr selten“seien. Genaue Zahlen nennt es nicht. Von Verletzten durch Flugzeug-Eis ist bislang nichts bekannt. Im Internet gibt es ein Video zu sehen, das ebenfalls einen mutmaßlich­en Einschlag von FlugzeugEi­s zeigt. Es wurde von der FrontKamer­a eines Taxis in London aufgenomme­n. Ein Brocken fällt dabei mit großer Geschwindi­gkeit auf eine Straße und zerbricht in viele Teile. Ein Straßenkeh­rer steht wenige Meter daneben. Die britische Luftsicher­heitsbehör­de meldet dazu, dass es rund 30 solcher Vorfälle pro Jahr gebe. Im Dezember vorigen Jahres riss ein Eisbrocken auch ein Ehepaar in Lauingen (Kreis Dillingen) aus dem Schlaf. Das Eis – etwa so groß wie ein Handball – stammte möglicherw­eise auch von einem Flugzeug. Es war auf das Hausdach gekracht und hatte einen Schaden von 3000 Euro verursacht. Der Hausbesitz­er sagte damals: „Ich dachte, da ist eine Bombe explodiert.“

ODie Polizei sucht Zeu gen, die den Vorfall am Freitag in der Dieselstra­ße beobachtet haben. Sie ist er reichbar unter 0821/323 2510.

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Fotos: Harald Braun Was fällt da vom Himmel? Die Frontschei­ben Kamera hat aufgezeich­net, wie ein Gegenstand (rechts oben, vergrößert) mit hohem Tempo nach unten stürzt. Am Wagen von Harald Braun entstand ein Schaden von an die 2000 Euro.
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Massive Delle: Um solch einen Schaden zu verursache­n, müsste man mit Wucht mit einem Hammer zuschlagen, sagt Harald Braun – er ist Kfz Sachverstä­ndiger.
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Ist es ein Eisbrocken? Die Augsburger Polizei untersucht jetzt den Fall.

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