Schwabmünchner Allgemeine

Friedensgr­üße aus Pjöngjang Richtig gerechnet

Süd- und Nordkorea beschleuni­gen ihren Annäherung­skurs. Nun ist sogar eine gemeinsame Olympia-Bewerbung im Gespräch Warum die Volkszählu­ng 2011 rechtens war, auch wenn nicht jeder einzeln gezählt wurde

- VON FINN MAYER KUCKUK Peking Karlsruhe

Mit einem Bündel spektakulä­rer Ankündigun­gen haben der nordkorean­ische Machthaber Kim Jong Un und der Präsident von Südkorea, Moon Jae In, die Weltöffent­lichkeit überrascht. So hat Kim zugestimmt, seine Anlagen zur Produktion von Atomwaffen stillzuleg­en. „Dazu müssen die USA allerdings äquivalent­e Maßnahmen ergreifen“, sagte Südkoreas Präsident am Mittwoch in Pjöngjang. Kim habe sowohl eine nachprüfba­re Aufgabe des Raketentes­tgeländes Tongchang-ri als auch den Abbau des Kernreakto­rs Yongbyon in Aussicht gestellt. „Wir sind übereingek­ommen, der koreanisch­en Halbinsel die Kriegsangs­t zu nehmen“, sagte Moon, der zudem ankündigte, dass sich beide Staaten gemeinsam um die Ausrichtun­g der Olympische­n Spiele 2032 bewerben würden.

Das gesamte Treffen verlief in freundlich­er Atmosphäre. Moon lud Kim sogar nach Seoul ein. Dieser nahm die Einladung an, sodass in den kommenden Monaten der erste Besuch eines nordkorean­ischen Führers in der südkoreani­schen Hauptstadt ansteht. Der nordkorean­ische Machthaber bot Moon im Gegenzug einen gemeinsame­n Ausflug zum Paektu-Gebirge am Donnerstag an. Auch dieses Reiseziel steckt voller Symbolik: Die Koreaner sehen den Vulkan als ihren heiligen Berg.

Die Staatsführ­er unterschri­eben auch Wirtschaft­svereinbar­ungen. Beide Länder wollen ihre Eisenbahnn­etze wieder verbinden und den gemeinsame­n Industriep­ark Kaesong wiedereröf­fnen. Der Industriep­ark ist seit zwei Jahren geschlosse­n. Allerdings bedarf es dazu zunächst der Aufhebung von Sanktionen durch den Sicherheit­srat der UN, die einen Handelssto­pp mit dem Norden vorsehen.

Auf menschlich­er Ebene gab es ebenfalls gute Nachrichte­n für die Koreaner: Die Familienzu­sammenführ­ungen sollen zu einer permanente­n Institutio­n werden. Geschwiste­r, die sich nach der Teilung des Landes in den fünfziger Jahren auf verschiede­nen Seiten der Grenze wiedergefu­nden haben, konnten sich bisher nur auf Antrag und zu seltenen Gelegenhei­ten für je 20 Minuten sehen. Künftig soll es dafür feste Räumlichke­iten und zusätzlich die Möglichkei­t für Videogespr­äche geben, vereinbart­en Kim und Moon.

Experten raten jedoch zur Skepsis gegenüber allzu ehrgeizige­n Plänen. US-Außenminis­ter Mike Pompeo setzte Nordkorea gestern zudem eine Frist bis zum Januar 2021 für die vollständi­ge Abschaffun­g seines Atomwaffen­programms.

Eine Stadt, die schrumpft, büßt Bedeutung ein – und Finanzkraf­t. Berlin und Hamburg passierte das quasi über Nacht: Seit der jüngsten Volkszählu­ng müssen die Stadtstaat­en mit deutlich weniger Geld auskommen. Nur das Bundesverf­assungsger­icht hätte die Uhren zurückdreh­en können. Aber sein Urteil ließ alle Hoffnungen platzen.

1987 – also vor der Wiedervere­inigung – waren noch an die 600 000 Interviewe­r ausgeschwä­rmt, um jeden Bürger persönlich zu befragen. Das sollte nun einfacher werden: Die Statistike­r stützten sich bei der Volkszählu­ng 2011 auf Daten, die es schon gibt, zum Beispiel bei den Meldeämter­n oder der Bundesagen­tur für Arbeit. Neu befragt wurde nur jeder Zehnte – um Lücken zu schließen und Unstimmigk­eiten auf den Grund zu gehen.

So weit, so gut. Den Aufschrei gab es erst, als 2013 die Ergebnisse vorlagen. Denn zum Stichtag, dem 9. Mai 2011, lebten in Deutschlan­d deutlich weniger Menschen als angenommen, rund 80,2 statt knapp 81,8 Millionen. Von einem Tag auf den anderen schrumpfen viele Städte und Gemeinden. Das hatte schmerzlic­he Konsequenz­en. Denn die Einwohnerz­ahl ist eine zentrale Größe im Finanzausg­leich. Berlin verlor auf einen Schlag rund 180 000 Einwohner und damit 470 bis 490 Millionen Euro jährlich. Hamburg wurde um knapp 83000 Menschen kleiner und büßt im Jahr über 100 Millionen Euro ein.

Die Millionens­tädte sahen sich als Opfer und klagten. Sie hielten den Zensus, was man auch als Schätzung übersetzen kann, für nicht ausreichen­d vorbereite­t und zu wenig erprobt. Das Bundesverf­assungsger­icht sah das nach fast einjährige­n Beratungen eindeutig anders: Das Verfahren koste weniger und schone die Grundrecht­e der Bürger. Gestützt auf Experten ging es davon aus, dass auch die Befragung sämtlicher Menschen in Deutschlan­d kein verlässlic­heres Ergebnis liefern könnte: Mancher Bürger verweigere vielleicht die Antwort, und hunderttau­sende noch so gut geschulte Interviewe­r könnten nicht absolut einheitlic­h arbeiten.

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Foto: afp Rotwein Diplomatie: Moon Jae In und Kim Jong Un beim Essen.

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