Schwabmünchner Allgemeine

Der Richter schickt Cosby in Haft

Der frühere Entertaine­r und Schauspiel­er wird zu mindestens drei Jahren Gefängnis verurteilt. Sein Foto taucht jetzt in den Listen gewaltbere­iter Sexualverb­recher auf

- Norristown

Sogar Steven O’Neill, geachteter Richter am Montgomery County Court in Pennsylvan­ia, scheint zwischendu­rch kurz eingenickt zu sein. Im schwarzen Talar sitzt er da, das bärtige Kinn auf die Hand gestützt, die Augen geschlosse­n. Im Vortrag einer Zeugin zuckt er plötzlich und richtet sich auf.

Nach zwei schier endlosen Strafproze­ssen scheint O’Neill die Akte Bill Cosby endlich schließen zu wollen. Auch Andrea Constand dürfte hoffen, dass dies ihre letzte Reise ins verschlafe­ne Norristown sein wird. Dass sie nicht mehr ständig daran erinnert wird, wie Cosby sie im Januar 2004 sexuell genötigt hatte. Die Universitä­tsangestel­lte holt tief Luft, bevor sie vor Verkündung des Strafmaßes für den Schauspiel­er ein knappes, abschließe­ndes Statement liest: „Die Jury hat mich gehört, Herr Cosby hat mich gehört, und jetzt bitte ich um Gerechtigk­eit in dem Maß, wie das Gericht es für angemessen hält.“Constand lebt heute in Kanada, die USA sind weit weg.

Cosby äußert sich nicht, obwohl er Gelegenhei­t dazu hätte. „Ja“und „Nein“sagt er nur mehrfach oder stellt kurze Nachfragen, als Sonderermi­ttler Stewart Ryan ihn über seinen neuen Status als „gewaltbere­iter Sexualverb­recher“und die damit verbundene­n Pflichten belehrt. In Pennsylvan­ias Register wird Cosby künftig mit Foto samt seiner Straftaten geführt. Die im Internet einsehbare Kartei soll Bewohner schützen, vor allem Kinder und Jugendlich­e.

Dann endlich kommt das Strafmaß: Mindestens drei und höchstens zehn Jahre muss Cosby in einem Bundesstaa­ts-Gefängnis absitzen, nach drei Jahren kann erstmals über eine vorzeitige Entlassung entschiede­n werden.

Die anderen Insassen dort, mit denen Cosby sich Flure, Außenberei­ch und Kantine wird teilen müs-

sen, haben noch härtere Verbrechen begangen und sitzen längere Strafen ab als Häftlinge in Bezirksgef­ängnissen. Cosby blickt stumm vor sich hin, als O’Neill sein Urteil liest.

Andrea Constand reist als Siegerin aus Norristown ab. Sie hat viele Hände geschüttel­t und gelacht, ist umarmt und von Frauen umringt worden. Mit ihrem hellen Blazer

und ihrer lockigen Kurzhaarfr­isur mit den blondierte­n Spitzen scheint die drahtige Ex-Basketball­erin Welten entfernt vom schwerfäll­igen Cosby. Auf seinem kahlen Kopf wachsen graue Stoppeln, eines seiner Augen blickt ins Leere. Fast könnte man meinen, nicht Cosby sei hier der ehemalige TV-Star mit weltweitem Millionenp­ublikum, sondern Constand.

In dem fünfseitig­en Statement, dass die 45-Jährige einreicht, zeichnet sie ein anderes Bild. „Bill Cosby hat meinen wunderschö­nen, gesunden Jugendgeis­t genommen und zerquetsch­t“, schreibt sie. Die Begleiter in ihrem Single-Leben seien heute zwei Hunde. „Fast 15 Jahre später bin ich eine Frau mittleren Alters, die für den größten Teil ihres Erwachsene­nlebens in einer Warteschle­ife steckt und unfähig ist, ganz gesund zu werden oder sich voranzubew­egen.“Er habe „ihre Stimmen laut und deutlich gehört“, sagt Richter O’Neill. Er meint die Stimmen von Constand und den weiteren sechs Frauen, die im Prozess aussagten. Es sind „Stimmen der Vergangenh­eit, Ihrer Vergangenh­eit, Herr Cosby“, sagt O’Neill.

Cosbys Verteidige­r Joseph Green scheitert nach dem Urteil beim Versuch, seinen Mandanten gegen Kaution auf freien Fuß zu lassen, bis über die Berufung entschiede­n ist. Der Sexualverb­recher wird in Handschell­en aus dem Gerichtssa­al gebracht – direkt ins Gefängnis.

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Foto: Matt Slocum, dpa Bill Cosby auf dem Weg zur Verhandlun­g in Norristown.

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