Pop und Rock statt Bach Choral
„Rock my Life“– unter diesem Motto feiert die evangelische Kirche Königsbrunn einen Gottesdienst der etwas anderen Art. Mit dabei: Tobias Bernhard. Der Diakon, der mit einer Predigt das Wacken-Festival 2018 eröffnete
Herr Bernhard, Sie sind Schlagzeuger, Motorradfahrer – und Diakon. Was halten Ihre Rocker-Kollegen davon?
Das muss alles kein Widerspruch sein. Aber ein paar kritische Nachfragen kamen dann doch in der Studienzeit. Freunde haben mich gefragt: Wie ist das als Diakon mit dem Feiern und dem Alkohol? Wie ist das mit dem Heiraten und der Familie?
Warum sind Sie Diakon geworden?
Bernhard: Als Konfirmand habe ich 1998 am allerersten Augsburger Konfi-Camp teilgenommen. Und die nächsten 18 Jahre war ich jeden Sommer mit dabei, bei der KonfiFahrt nach Italien. So kam ich überhaupt erst auf die Idee, mein liebstes Hobby aus der Schulzeit zum Beruf zu machen.
Wie unterscheidet sich eine klassische Predigt in der Kirche von einer Predigt in einem Rock-Pop-Gottesdienst?
Bernhard: Normalerweise ist eine Predigt exegetisch und befasst sich mit einer Bibelstelle. So ist es auch protestantisch gut gedacht. Aber diese besonderen Gottesdienste bieten etwas anderes: mehr Gefühl und Lebenswirklichkeit. Wir fragen uns: Warum sind die Menschen hierher gekommen? Was wollen sie? Die Stimmung ist deshalb oft persönlicher als beim Sonntagsgottesdienst zwischen den steinernen Mauern einer Kirche. Wir suchen die emotionale Bindung zu den Leuten.
Pop und Rock statt Bach-Choral – wie passt das zusammen?
Kirche darf jung, lebendig, bunt und laut sein. Das ist meine Vision. Wir können nicht davon ausgehen, dass die Menschen von allein in die Kirche kommen. Wir müssen rausgehen, uns auf den Weg machen. So wie bei den KonfiCamps. Und solche Rock-Pop-Gottesdienste sind auch ein Versuch, neugierig zu machen und als Kirche attraktiv zu bleiben.
Kann man denn junge Menschen nur noch mit lauten Tönen für den Glauben begeistern?
Nein, das glaube ich nicht. Stille spielt immer eine große Rolle.
brauchen Zeit und Raum, um sich auch in Ruhe mit ihrem Glauben auseinandersetzen zu können. In meiner Arbeit mit Jugendlichen ist daher beides wichtig, das Laute und die Stille.
Wie ist die Balance zwischen den lauten und den leisen Tönen in Ihrem eigenen Leben?
Ich bin schon gerne laut (lacht). Privat mag ich es aber, auch einmal leise zu sein. In Lindau genieße ich die Natur und das Dörfliche, den Blick auf den Bodensee.
Was erwartet die Gottesdienst-Besucher am Freitag in Königsbrunn?
Bernhard: Die Hürde haben wir hochgesteckt: Es soll ein GottesJugendliche
dienst zum Mitsingen, Mitfühlen und Mittanzen werden. Es ist klar, wohin der Weg führen soll, und das ist gar nicht so leicht. Uns erwartet aber auf jeden Fall super Musik und ein Gottesdienst, der interaktiv, laut und bunt wird. Wir wollen ein Erlebnis bieten, das hoffentlich nicht nur emotional bewegt, sondern auch körperlich. Wir wollen die Leute mit diesem Gottesdienst wirklich zum Tanzen bringen.
Was verbindet Sie mit Königsbrunn?
Ich bin dort aufgewachsen, von meinem fünften Lebensjahr bis zum Abitur. Bis 2015 war ich im Evangelischen Jugendwerk in Augsburg tätig. Auch wenn ich nicht mehr so oft in Königsbrunn bin, ist die Region immer noch ein Ankerpunkt für mich. Und inzwischen habe ich dort drei Hochzeiten von guten Freunden begleitet.
Wie war das, als sie das Rock-Festival in Wacken eröffnet haben?
Bernhard: Das war der Hammer (lacht). Das Festival beginnt jedes Jahr am Mittwochabend in der Dorfkirche von Wacken. Erst Gottesdienst, dann Rock. Der Headliner des Festivals war Doro Pesch, die Queen of Metal. Das war schon sensationell, wir haben einen unfassbar bewegenden Gottesdienst vor vollem Haus gefeiert. Wir haben bekannte Lieder gesungen, Kumbaya und Laudato si. Die Lautstärke, mit der die Rock-Fans gebetet und gesungen haben, hat mich verblüfft. Da merkt man, wie fromm die Szene sein kann. Pfadfinder, Lektoren und Mitglieder aus dem Kirchenvorstand waren mit dabei. Und es gibt sie auch, die Hardrocker, die abends vor dem Schlafengehen gemeinsam mit ihren Kindern beten.
Was war das Thema Ihrer Predigt in Wacken?
Es ging um das biblische Gleichnis vom verlorenen Sohn. Wir haben die Rolle des zweiten Sohns betrachtet, der nicht so sehr im Zentrum der Geschichte steht. Er ist nicht fortgegangen und hat immer seine Pflichten erfüllt. Es ging uns um die Frage: Wo stehst du und was macht das mit dir? Wenn der Vater seine Arme für die anderen öffnet, und du dich fragst, wo du selbst dabei bleibst. Bei solchen Gottesdiensten geht es nicht darum, sich anzubiedern, sondern ein Thema zu wählen, dass die Leute bewegt. Es geht um die Kernbotschaft der Bibel.