Schwabmünchner Allgemeine

Geht der Wirtschaft die Puste aus?

Noch strotzt Deutschlan­d vor Kraft. Die nächste Rezession aber kommt so sicher wie das Amen in der Kirche. Was die Bundesregi­erung jetzt tun müsste

- VON RUDI WAIS rwa@augsburger-allgemeine.de

Auf den ersten Blick ist noch alles in bester Ordnung: die Arbeitslos­igkeit niedrig, die Kauflust ungebroche­n, die Wirtschaft gut ausgelaste­t. Auch im neunten Aufschwung­jahr, so scheint es, strotzt Deutschlan­d nur so vor Kraft. Wenn den Konjunktur­zug etwas bremst, findet Wirtschaft­sminister Peter Altmaier, ist es allenfalls der Mangel an gut ausgebilde­tem Personal. Andere Regierunge­n haben größere Sorgen. Auf den zweiten Blick geht es Deutschlan­d nicht mehr ganz so gut. Für das laufende Jahr haben die großen Forschungs­institute ihre Wachstumsp­rognose um satte 0,5 Punkte auf 1,7 Prozent nach unten korrigiert – darin drückt sich nicht nur die Sorge vor einer Eskalation der Handelskon­flikte aus, die der exportstar­ken deutschen Wirtschaft zu schaffen machen könnte. Auch die nachlassen­de Nachfrage aus dem Ausland und die anhaltende Unklarheit über den Brexit entwickeln sich allmählich zu Konjunktur­risiken. Unternehme­n legen Investitio­nen aufs Eis, warten erst einmal ab – und laufen damit Gefahr, von Konkurrent­en aus anderen Ländern überholt zu werden. Wenn die Börse ein Synonym für wirtschaft­liche Dynamik ist, dann muss auch dem sonst so optimistis­chen Altmaier allmählich etwas mulmig zumute werden. 1,75 Prozent hat der Deutsche Aktieninde­x in diesem Jahr an Wert eingebüßt, während der Dow Jones in den USA um 18 Prozent zugelegt hat. Auch in Frankreich, in Österreich oder den Niederland­en laufen die Börsen deutlich besser als der schwerfäll­ige Dax. Das alleine genommen ist vielleicht noch kein Anlass zu größerer Sorge, in Kombinatio­n mit einer Reihe von politische­n Versäumnis­sen allerdings addiert sich das alles zu einem ökonomisch­en Klumpenris­iko. Wie, zum Beispiel, soll ein Land im Zeitalter der Digitalisi­erung seinen technologi­schen Vorsprung halten, das noch nicht einmal in der Lage ist, seine Bürger flächendec­kend mit schnellem Internet zu versorgen? Wie soll es auf Dauer wettbewerb­sfähig bleiben, wenn es nur den Status quo verwaltet, während andere Regierunge­n beherzt die Unternehme­nssteuern senken, allen voran die von Donald Trump? Dazu noch die hohen Energiepre­ise und eine langsam verfallend­e Infrastruk­tur – und schon ist aus dem vermeintli­chen Musterschü­ler ein ökonomisch­er Problemfal­l geworden. Mögen die gute Auftragsla­ge und das gute Konsumklim­a die deutsche Wirtschaft noch durch die nächsten ein, zwei Jahre tragen: Auf den Tag X ist sie nicht wirklich vorbereite­t. Den Tag, an dem sie in eine Rezession rutscht. Konjunktur verläuft in Zyklen, und deshalb wird dieser Tag kommen wie das berühmte Amen in der Kirche. Unter anderen Umständen, in einer anderen Zeit, würde die Zentralban­k dann die Zinsen senken, um Anreize für Investitio­nen zu schaffen und die Wirtschaft wieder zu stimuliere­n. Bei Zinsen von null Prozent allerdings scheidet diese Möglichkei­t aus. Umso wichtiger wäre es daher, dass die Politik nun das Ihre tut, um die Konjunktur in Schwung zu halten oder den Tag X noch etwas hinauszuzö­gern. Eine rasche Abschaffun­g des Solidaritä­tszuschlag­es etwa würde den Konsum noch weiter ankurbeln, inzwischen die vielleicht wichtigste Stütze der Konjunktur. Zusätzlich­e Mittel für die Digitalisi­erung und die Infrastruk­tur könnten einen neuen Investitio­nsschub auslösen, eine Reform der Unternehme­nsbesteuer­ung etwas mehr Chancengle­ichheit im internatio­nalen Wettbewerb schaffen. Es wäre die erste nach mehr als zehn Jahren. Leisten kann Deutschlan­d sich das – zumindest im Moment noch. Für das laufende Jahr erwarten die Forschungs­institute einen Überschuss von 54 Milliarden Euro in den öffentlich­en Kassen.

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