Weshalb der Fall Stadler so schwierig ist
Mit Spannung ist am Freitag eine Entscheidung zur Zukunft des beurlaubten Audi-Chefs erwartet worden. Doch gegen eine Vertragsaufhebung gab es Widerstand
Am Freitag ist der Aufsichtsrat des Volkswagen-Konzerns zusammengekommen. Die Tagesordnung an dem Tag war lang. VW und Microsoft gaben eine spektakuläre Kooperation bekannt, auch die Diesel-Krise soll auf der Tagesordnung gestanden haben. Vor allem ein Punkt aber hatte Berichterstatter seit Tagen beschäftigt: Ob das Gremium den Vertrag mit dem beurlaubten Audi-Chef Rupert Stadler auflösen wird. Stadler sitzt im Zuge der Diesel-Affäre in Gablingen nahe Augsburg in Untersuchungshaft. Im VW-Aufsichtsrat sitzen bekannte Personen wie der niedersächsische SPD-Ministerpräsident Stephan Weil oder VW-Betriebsratschef Bernd Osterloh. Am Nachmittag war klar, dass die Entscheidung über die Zukunft Stadlers abermals verschoben wird. Die beiden Vertreter des Landes Niedersachsen, Regierungschef Weil und sein CDU-Wirtschaftsminister Bernd Althusmann, sollen mit einer Vertragsaufhebung samt Abfindung für Stadler nicht einverstanden gewesen sein. Warum aber ist eine Entscheidung zur Zukunft Rupert Stadlers so schwierig? Wer eine Antwort auf Frage bekommen will, muss viele Hintergrundgespräche im Umfeld des Unternehmens führen. Rupert Stadler sitzt seit rund drei Monaten in U-Haft – wegen Verdunkelungsgefahr und möglicher Einflussnahme. Er hat abermals einen Antrag auf Haftprüfung gestellt. Angenommen, er käme frei, könnte er am nächsten Tag seine Arbeit bei Audi wieder aufnehmen, während die Ermittlungen wohl fortlaufen würden. Dies ist für viele Beobachter sicher schwer vorstellbar, zumal der Autobauer mit Bram Schot einen neuen, kommissarischen Audi-Chef eingesetzt hat. Eine Lösung für den Konzern wäre es daher, den Vertrag mit Rupert Stadler aufzuheben. Rupert Stadler hat zwar eine Bestellung als Audi-Chef bis zum Jahr 2022. Sein Arbeitsvertrag aber ist mit dem VW-Konzern geschlossen. Und dieser läuft nur bis 2019. Zwar wollte das Unternehmen dies stets synchronisieren, doch die Ereignisse sind inzwischen über dieses Vorhaben hinweggerauscht. Üblich, sagen Fachleute, ist es bei einer Vertragsaufhebung, das restliche Gehalt bis zum Vertragsende auszuzahlen. Hinzu könnten Zuschläge kommen, da sich der betroffene Manager schwertun dürfte, nach einem Skandal eine neue Anstellung zu finden. Dem ebenfalls über die Diesel-Affäre gestolperten früheren Porsche-Manager Wolfgang Hatz zum Beispiel billigte man zuerst eine Millionen-Abfindung zu. Überlegungen könnte man auch anstellen, ob eine Abfindung für Stadler nicht höher ausfallen müsste, sollte er später freigesprochen werden. Solche Klauseln auszuarbeiten, ist eine Arbeit für Juristen – im Anschluss müsste der Aufsichtsrat dem Aufhebungsvertrag zustimmen. Dies ist am Freitag nicht geschehen. Billig ist eine Vertragsaufhebung jedenfalls sicher nicht. Auch wenn der Fall Stadler seit Wochen im Raum schwebt, will man sich damit die Zeit nehmen, das komplexe Prodie blem zu lösen. Die Gespräche könnten am Dienstag fortgesetzt werden. Ganz eilig hat man es anscheinend nicht: Mit Bram Schot hat Audi einen kommissarischen Vorstandschef gefunden. Und im Aktienrecht gebe es keine Klausel, die die Zeit eines kommissarischen Vorstandschefs begrenzen würde, heißt es aus Firmenkreisen. Zwar wird der frühere BMWEinkaufschef Markus Duesmann als möglicher neuer Audi-Chef gehandelt. Die Übergangszeit wäre aber lang. BMW und VW hatten im Juli erklärt, dass Duesmann zum VWKonzern geht. Dessen Vertrag mit BMW aber läuft noch bis Ende September 2019. Danach greift eine Warteklausel, wonach er nach einem Jahr eine neue Stelle antreten darf. Duesmann könnte also frühestens am 1. Oktober 2020 im VWReich anfangen. Es sei denn, BMW lässt ihn vorzeitig ziehen. Eine personelle Entscheidung fiel am Freitag aber doch: Audi-Technikchef Peter Mertens trat aus gesundheitlichen Gründen zurück. An seiner Stelle berief der Audi-Aufsichtsrat Hans-Joachim Rothenpieler zum 1. November zum Nachfolger. Er ist seit 1986 im VW-Konzern tätig und leitet seit 2016 das Qualitätsmanagement.