Das Wunder der Geburt begleiten
Der Beruf der Hebamme ist keiner wie jeder andere. Auch die Ausbildung ist im Umbruch
Die Dankbarkeit der Frauen zu spüren. Zu erleben, wie glücklich die Eltern nach der Geburt sind. Das ist es, was Lúcia Conzane an ihrem Beruf so schätzt. Die 23-jährige Hebammenschülerin begleitet werdende Eltern am Vivantes-Klinikum in Berlin bei der Geburt. „Es ist ein Wunder, immer wieder“, sagt sie. Als ihr kleiner Bruder geboren wurde und sie ihre Mutter zur Hebamme begleitete, war ihr Interesse am Beruf geweckt. Conzane entschied sich für die Ausbildung an der Hebammenschule, obwohl Familie und Umfeld ein Studium nahelegten. „Ich liebe es, tätig zu sein und nicht nur Theorie zu lernen.“Die Ausbildung zur Hebamme dauert drei Jahre und kann an einer der mehr als 60 Fachschulen in Deutschland absolviert werden. Alternativ gibt es seit 2009 die Möglichkeit, an einer Hochschule einen Bachelor zu machen. Voraussetzung für die Aufnahme an einer Fachschule ist in der Regel ein mittlerer Bildungsabschluss. In der Praxis aber würden vor allem Bewerber mit Abitur genommen, sagt Bianca Schön, Leiterin der Hebammenschule am Vivantes-Klinikum. Wichtige Eigenschaften seien Geduld, Empathie und Flexibilität. „Eine gewisse emotionale und persönliche Reife – das ist das, was bei der Bewerbung den Ausschlag gibt.“Hebammen und Entbindungspfleger unterstützen in Ausnahmesituationen. „Man hat sehr intimen Kontakt zu Menschen und auch mit Körperausscheidungen und Schmerzen zu tun. Dazu muss man bereit sein“, sagt Schön. Trotz solcher Belastungen: Es sei etwas Besonderes, so viel positiven Ein- fluss ausüben zu können. „Es ist ein sehr erfüllender, aber auch ein sehr herausfordernder Beruf.“Hebammen und Entbindungspfleger arbeiten in Krankenhäusern, in Hebammenpraxen, in Geburtshäusern oder freiberuflich. Sie betreuen Frauen bei Entbindungen und assistieren Ärzten, beraten Schwangere, machen Vorsorgeuntersuchungen und geben Kurse zur Geburtsvorbereitung. Auch nach der Geburt sind sie für Eltern und Neugeborene da, beraten beim Stillen und bei der Säuglingspflege. Gerade in Kreißsälen werden dringend Hebammen gesucht, sagt Yvonne Bovermann, Präsidiumsmitglied des Deutschen Hebammenverbandes und Beirätin für den Bildungsbereich. Zwar steigen die Ausbildungszahlen, doch auch die Geburtenzahl nimmt zu. Noch immer wird der Beruf von Frauen dominiert. Es gebe jedoch überhaupt keinen Grund, warum nicht mehr Männer darin arbeiten sollten. „Hebammen brauchen Kompetenz und Empathie – und diese Fähigkeiten sind kein Privileg von Frauen.“Hinzu kommt: Die Schichtarbeit – im Krankenhaus wird in der Regel im Drei-Schicht-System gearbeitet – und das hohe Stresslevel schreckten vor allem Frauen ab, die selbst Kinder bekommen möchten. Während der Ausbildung wechseln sich Theorieblöcke mit praktischen Einsätzen ab – unter anderem im Kreißsaal, auf der Wochenstation, der Neugeborenenstation und der Kinderklinik. Außerdem schauen Azubis in Bereiche, die nicht direkt mit Geburtshilfe zu tun haben. Conzane hat in der Unfallchirurgie und der Kardiologie gearbeitet. In der Ausbildung verdienen angehende Hebammen laut Bundesagentur für Arbeit bei Einrichtungen des Öffentlichen Dienstes oder Trägern mit angelehnter Vergütung zwischen knapp 1100 Euro im ersten und 1250 Euro im dritten Jahr. Ausgelernte Hebammen im Krankenhaus werden nach Tarif bezahlt. Das Einstiegsgehalt beträgt nach Angaben des Deutschen Hebammenverbandes rund 2800 Euro brutto im Monat. Dazu kommen etwa Nachtzuschläge. Bei der Ausbildung stehen in den kommenden Jahren größere Veränderungen an. Eine EU-Richtlinie schreibt allen Mitgliedstaaten vor, dass die Hebammenausbildung bis Anfang 2020 an die Hochschulen verlagert wird. „Die Hebammenausbildung wird nach den EU-Vorgaben novelliert werden“, teilt das Bundesgesundheitsministerium auf Nachfrage mit. Trotz der anstehenden Umstellung rät Yvonne Bovermann weiterhin zur Ausbildung. Wer die absolviert habe, werde seine Berufsanerkennung in jedem Fall behalten, auch nach der Akademisierung. Gleichzeitig aber empfiehlt sie, einen ausbildungs- oder berufsbegleitenden Bachelorabschluss anzustreben.