Schwabmünchner Allgemeine

Süßer Zaubersaft ist der Lohn für harte Arbeit

Die Obsternte ist in diesem Jahr so gewaltig, dass sich bei Sammelakti­onen schon einmal Staus auf den Straßen bilden können. Doch was macht man mit Äpfel und Birnen?

- VON ELENA KEMPER

Über die vielen Äpfel an ihrem Apfelbaum waren Ingrid Kaufmann und ihr Sohn Elias Kaufmann sehr überrascht. Vier volle Kisten stellen Mutter und Sohn an diesem Morgen vor der Mosterei in Hochzoll ab. In den letzten 27 Jahren bescherte ihr Apfelbaum der Sorte „Freiherr von Berlepsch“nur eine kleine Ernte. Dieses Jahr scheint er es sich anders überlegt zuhaben. „Wir haben geschüttel­t wie Frau Holle. Das war eine Gaudi“, erzählt die 64-Jährige und lacht. Jetzt sind die Kaufmanns Nummer 49 im Terminplan von Irmgard Kurz. Sie ist Vorsitzend­e des Obst- und Gartenbauv­ereins Augsburg-Hochzoll. Etliche Obstliebha­ber seien sogar zwei bis drei Mal gekommen, berichtet die 63-Jährige. Seit Anfang August hat sie 89 Zentner Birnen-und Apfelsaft gepresst. Zum Vergleich: 2016 führte sie bis Ende Oktober 27 Pressungen durch, 2017 ging wegen der schlechten Obsternte die Presse gar nicht in Betrieb. Die Kaufmanns können sich freuen, einen Termin ergattert haben. Denn überall in der Region fragen sich Gartenbesi­tzer: Wohin mit den Äpfeln? In Thierhaupt­en zum Beispiel ist die Mosterei des Obst- und Gartenbauv­ereins für die nächsten vier Wochen ausgebucht. „Ich muss vielen sagen, es geht nicht mehr“, sagt Martina Forestieri. Und in Großaiting­en gibt Vorsitzend­e Renate Hutter vom Gartenbauv­erein unumwunden zu, dass es „recht stressig“gewesen sei. Andere Mostereien haben das Apfelpress­en schon eingestell­t. In Mering etwa geht es jetzt mit Quitten weiter. Ein Grund für die Rekordernt­e ist die magere Vorjahrese­rnte, erklärt Anton Klaus, der „Apfelpapst“aus Oberneufna­ch: Die Bäume waren erholt. Als dann der Frühling ohne Frost und mit wenig Regen verlief und rekordverd­ächtige Temperatur­en im Sommer herrschten, waren die Voraussetz­ungen für eine üppige Ernte perfekt. In Fischach kam es deswegen zu einem kleinen Verkehrsch­aos: Die Interessen­gemeinscha­ft Streuobstw­iese Stauden sam- melte Obst – und es kam so viel wie noch nie. 60 Tonnen Birnen und Äpfel kamen zusammen. In Fischach warteten so viele Fahrzeuge, schreibt die IG, dass Polizei und Feuerwehr regelnd eingreifen mussten ... Seitdem laufen die Mostereien in Stadt und Land auf Hochtouren: Aus dem Obst wird Saft. So wie bei Familie Kaufmann. Aber es ist immer noch genug da: Die übrigen Äpfel verarbeite­n sie zu Apfelkuche­n oder Apfelpfann­kuchen, den würden die Kinder „wie die Wilden essen“, sagt die Mutter. Das Obst frisch zu verarbeite­n empfiehlt auch Christine Schmidt. Die Lehrerin an der Fachakadem­ie für Ernährungs-und Versorgung­smanagemen­t in Augsburg zaubert mit Freude leckere Zwetschgen­knödel. „Die mag ich gerne!“Auch das gute alte Einwecken kommt wieder in Mode. Das Obst muss geschält und zerkleiner­t werden. Mit Gewürzen und Flüssigkei­t werden die Früchte in sterile Einmachglä­ser eingeschic­htet. Laut Christine Schmidt ist es wichtig, dass die Gläser nur bis drei Zentimeter unter dem Rand befüllt werden. Danach kocht man entweder im Backofen oder in einem Wecktopf ein. Dabei empfiehlt sie, den Ofen auf 200 Grad aufzuheize­n. Das Wasser im Wecktopf soll die Gläser zu drei Viertel bedecken und so lange kochen, bis es „sprudelt“. Auch durch Einfrieren oder Schockfros­ten könne man laut der Fachlehrer­in für Ernährung und Versorgung das Obst gut haltbar machen. Einmachglä­ser sind so beliebt, dasss dass sie in manchen Geschäften schon ausverkauf­t sind. Das Interesse der Kunden an Einmachglä­sern sei stark gestiegen, sagt Timon Rhotert vom Dehner Gartencent­er – er spricht von einem Plus von 50 Prozent gegenüber 2017. Zurück nach Hochzoll. „Du darfst dich jetzt Praktikant an der Obstpresse nennen“, sagt Irmgard Kurz lachend, als Elias Kaufmann die Äpfel häckseln soll. Anschließe­nd geben sie und der 29-Jährige die Apfelmasse auf die HydraulikP­ackpresse. Elias zieht an einer Leine und die Presse beginnt zu surren Der frische, süßlich duftende Saft strömt in die Eimer. Jetzt muss probiert werden! Elias gießt Apfelsaft in Gläser. „Zaubersaft“, findet die Mutter. Die rund 30 Liter müssen die Kaufmanns nun zu Hause auf 80 Grad erhitzen, mahnt Irmgard Kurz. Ansonsten sei der Saft nach ungefähr drei Tagen im Kühlschran­k ungenießba­r. Nach der Pressung bleibt eine trockene Apfelmasse, die Maische, zurück. Vor ein paar Wochen hat Kurz die Maische noch Jägern als Futter für ihr Wild bringen können. Doch die lehnen das Angebot jetzt ab: Sie haben schon genug auf Lager. In manchen Haushalten reichen die Vorräte schon bis weit in das nächste Jahr hinein. Deswegen müssen viele das Fallobst auf dem Kompost oder in der Biotonne entsorgen: „Uns kommt es mehr vor“, sagt Dieter Braun von der AVA Abfallverw­ertung in Augsburg-Lechhausen. Genaue Zahlen gebe es nicht. Zu spüren sei das aber beim Anstieg der Biogasprod­uktion. Denn Fallobst bildet laut Braun bei der Vergärung besonders viel Gas aus. Und wenn dann immer noch Obst da ist ... gibt es noch eine Lösung: Man kann das Obst in einem dunklen, 6 bis 8 Grad kalten und mit Styropor ausgekleid­eten Kellerscha­cht oder Raum lagern, empfiehlt Kurz. So lassen sich Äpfel – getrennt von anderem Obst oder Gemüse – über Monate aufbewahre­n. Beim Abschied in der Mosterei fiebert Ingrid Kaufmann schon dem nächsten Jahr entgegen: „Ich bin neugierig“, sagt sie lächelnd. Vielleicht überrascht sie ihr Apfelbaum ja auch 2019 wieder ...

 ?? Foto: Bernd Hohlen ?? Die Liebe zum Obst aus dem eigenen Garten erfordert überall in der Region in diesen Wochen harte Arbeit: Ernten, Saft pressen, Abkochen, Einmachen, Obstkuchen und Pfannkuche­n backen und den Rest im Keller einlagern.
Foto: Bernd Hohlen Die Liebe zum Obst aus dem eigenen Garten erfordert überall in der Region in diesen Wochen harte Arbeit: Ernten, Saft pressen, Abkochen, Einmachen, Obstkuchen und Pfannkuche­n backen und den Rest im Keller einlagern.

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