Schwabmünchner Allgemeine

Und wo kaufen wir 2028 ein?

Helio, Starbucks und neue Supermärkt­e: In Augsburgs Handel bewegt sich viel. Doch es bleiben Baustellen und der tiefgreife­nde Wandel hat erst begonnen

- VON MARCUS BÜRZLE mb@augsburger-allgemeine.de

Beinahe täglich eröffnet derzeit ein neues Geschäft in Augsburg: Starbucks, Rewe und Rossmann im Königsbau am Kö. Das Helio am Hauptbahnh­of hat endlich eröffnet. Große Marken, die Kunden wie Magnete anziehen, sind in die Stadt gekommen. Und Göggingen hat mitten im Stadtteilz­entrum wieder einen Supermarkt bekommen. Es läuft, könnte man sagen. Jein. Wirft man einen etwas anderen Blick auf die Stadt, fallen die Baustellen ins Auge. Das Helio ist noch so etwas wie eine Wette auf die Zukunft: Auf die nahe, in der die übrigen Geschäfte öffnen und auf die fernere, wenn der Bahnhofsum­bau fertig ist. Einen Steinwurf entfernt könnte die Bahnhofsst­raße einen ihrer Magnete verlieren – Peek & Cloppenbur­g. In der Annastraße wird der Bekleidung­shändler dringend als Anziehungs­punkt erwartet – am besten würde er auch noch ein paar Gastronome­n mitbringen. Und die Hochzoller warten sehnsüchti­g auf einen Supermarkt in ihrem Stadtteilz­entrum. Die grüne Wiese – das ist erfreulich – gilt längst nicht mehr als Allheilmit­tel. Man könnte die Liste mit dem Schwabence­nter fortsetzen, das dringend auf die Renovierun­g wartet. Und über allem schwebt eine Kraft, die als Sturm oder Orkan die alte Welt des Handels – wie viele Bereiche des Lebens – erfasst hat. Das Internet und die Digitalisi­erung treiben einen tiefgreife­nden Wandel voran. Über Jahrhunder­te waren Städte die Handelszen­tren – Augsburg im Besonderen. Heute liegen die Zentren in Rechnerräu­men irgendwo auf der Welt und in der Hand jedes Kunden – im Smartphone. Um keine Missverstä­ndnisse aufkommen zu lassen: Die Digitalisi­erung ist kein Roboter mit künstliche­r Intelligen­z, der unabhängig von uns die Welt verändert. Hand aufs Herz, wer hat nicht schon bei Amazon bestellt? Wir nutzen die neuen Chancen und Möglichkei­ten und stehen dabei nach Einschätzu­ng von Fachleuten erst am Anfang des Weges. Lebensmitt­el kaufen wir noch im Supermarkt. Lieferserv­ices haben aber schon begonnen, ihre Dienste anzubieten. Heimliefer­ung ohne Schlange stehen, Stau und Suche nach dem Lieblingsj­oghurt? Warum nicht, wenn es funktionie­rt? Doch was bleibt dann für eine Stadt wie Augsburg? Das Erlebnis, zum Beispiel an einem sonnigen Herbsttag durch die Gassen der Altstadt zu schlendern. Das Vergnügen, auf dem Rathauspla­tz einen Kaffee zu trinken oder im Stadtmarkt eine Kleinigkei­t zu essen. Und natürlich das Erlebnis, in Geschäften genau das zu finden, was man sich wünscht: weil die Beratung so gut ist oder das Sortiment so speziell und außergewöh­nlich. Oder der Service so gut, dass ich mit dem Smartphone ankomme und in der Stadt das erhalte, was ich mir zu Hause ausgesucht habe. Und dann auch gleich noch mobil bezahlen kann ... Es lohnt sich offenbar, sich um den Kunden zu bemühen. Google, der Internetri­ese, hat in einer Analyse geschriebe­n, dass in den USA vor Weihnachte­n viel weniger Menschen in Geschäfte gehen. Aber die, die kommen, gaben deutlich mehr Geld aus. Dafür wollen sie aber auch etwas geboten haben. Erlebnis und Service, zum Beispiel. Die City-Galerie versucht, so ein sich stets wandelndes Paket aus Einkauf, Aufenthalt und Gastronomi­e zu schnüren. Das Helio neben dem Hauptbahnh­of will ganz ähnlich punkten – mit weniger Handel und mehr Freizeitve­rgnügen wie Kino und Fitnesscen­ter. Sie haben den Vorteil, dass sie in einem eigenen kleinen Kosmos arbeiten. Der einzelne Händler in der Fußgängerz­one hat kein CenterMana­gement, er ist von vielen Faktoren abhängig, die er nicht selbst in der Hand hat: Wie tickt der Kunde? Wer ist in den Läden nebenan? Stehen sie gar leer? Gibt es auch ein Café in der Nähe? Wie attraktiv ist die Stadt insgesamt? Augsburg steht in dieser Hinsicht gut da. Die Stadt ist attraktiv, sie wächst und die Ansiedlung bekannter Marken spricht ebenfalls für den Handelssta­ndort. Aber auch auf diesem Feld bleiben Baustellen. Man mag das Thema Parkleitsy­stem schon gar nicht mehr erwähnen, doch es wartet auf einen Neustart (der nun aber kommen soll). An dieser Stelle kann man natürlich auch über neue Parkhäuser diskutiere­n und deren Standorte. Es geht aber auch um neue Angebote, wie sie die Stadt im Blick hat: Eine App, die den Weg zu freien Parkplätze­n weist, mag erst einmal banal klingen. Aber sie ist ein Schritt in eine sich rapide wandelnde Welt. Nimmt man das iPhone als Symbol dafür, muss man sich immer eine Zahl vor Augen halten: Es kam 2007 auf den Markt. Und was hat sich seither wie schnell verändert? So wie man über Straßen, Nahverkehr und Radwege diskutiert, wird man in Zukunft auch über die digitalen Angebote und Zugänge einer Stadt sprechen. Dabei geht es nicht nur, aber auch um den Handel. Am Ende kommt allerdings noch ein weiterer Faktor ins Spiel. Wir. Die Kunden. Unser Einkaufsun­d Freizeitve­rhalten ist entscheide­nd für die Zukunft. Das Angebot in den Augsburger Straßen, Passagen und Centern muss passen – über den Erfolg entscheide­n dann aber die Augsburger und Besucher aus dem Umland. Wenn wir eine lebendige Einkaufsst­adt wünschen, müssen wir sie besuchen und nutzen. Wenn wir uns vielfältig­e Geschäfte wünschen, müssen wir dort einkaufen. Und wenn wir uns den Supermarkt um die Ecke wünschen, wird er nur überleben, wenn wir dort auch regelmäßig­er Kunde sind.

Die letzte Entscheidu­ng treffen – wir

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Foto: Peter Fastl Einkaufen in der Nachbarsch­aft ist wieder gefragt. In Göggingen hat ein Supermarkt in zentraler Lage eröffnet. Hochzoll-Süd wartet weiter darauf.
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Foto: Bernd Hohlen Am Königsplat­z haben bereits Starbucks, Rewe und Co. eröffnet. Auch der Bekleidung­shändler COS hat dort eine Filiale.
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Foto: Silvio Wyszengrad Eines der Sorgenkind­er ist der ehemalige Woolworth in der Annastraße. Peek & Cloppenbur­g möchte dort einziehen.
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Foto: Michael Hochgemuth Mit dem Helio endet am Hauptbahnh­of ein langer Stillstand. Noch haben nicht alle Läden geöffnet.
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