Er hofft auf eine politische Revolution
Kerem Billor will für Die Linke in den Landtag einziehen. Seine Chancen schätzt er ganz realistisch ein
Werden Politiker nach ihren Vorbildern gefragt, lauten in der Regel die Antworten Konrad Adenauer, Willy Brandt, Helmut Schmidt, Walter Scheel oder auch Helmut Kohl. Nicht so bei Kerem Billor. Das Vorbild des 26-jährigen Studenten, der für Die Linke kandidiert, heißt Clara Zetkin. Eine deutsche Politikerin, Jahrgang 1857, die erst nach der Wende auch im Westen stärker Erwähnung fand. Doch große Teile der politischen Forderungen einer Clara Zetkin, wie eine gleiche Bezahlung für Männer und Frauen, hat sich auch Kerem Billor auf die Fahne geschrieben. „Es besteht heute immer noch eine große Diskrepanz zwischen Frau und Mann im Arbeitsleben“, sagt Billor und zählt weitere Missstände der Sozialpolitik auf. „Viele Renten in Deutschland sind einfach zu niedrig, es fehlen zahlreiche Kita-Plätze, und die Pflegesituation ist katastrophal“, kritisiert er. Vor allem soziale Themen sind für den 26-Jährigen ein wichtiger Motor seiner politischen Arbeit. So gründete er beispielsweise das „Bündnis Augsburgerinnen und Augsburger für mehr Krankenhauspersonal“. Eine der gelungenen Aktionen der Initiative sei der Warnstreik im vergangenen Jahr zusammen mit der Gewerkschaft Verdi am Klinikum Augsburg gewesen. Ziel war es, auf die massiven personellen Engpässe des ZK hinzuweisen und zu verbessern. Mittlerweile hat Billor seine Aktivitäten bei dem Bündnis zwar aus zeitlichen Gründen ein wenig zurückfahren müssen, gewerkschaftlich aktiv ist er aber dennoch weiterhin. Eine der zentralen Anliegen in seinem persönlichen Wahlkampf, der ihn auch immer wieder von Haustür zu Haustür führt, ist die Frage: Wo drückt der Schuh? Und die einzelnen Schicksale, die er dabei zu hören bekommt, würden ihn in seiner Forderung nach mehr sozialer Gerechtigkeit weiter bestärken. „So habe ich einmal mit einem Mann gesprochen, der im Rollstuhl sitzt und dessen Hartz-IV-Leistungen gekürzt wurden“, erinnert er sich. Grund für die Sanktionen sei ein nicht wahrgenommenes Job-Interview gewesen. „Und zwar für eine Stelle, bei der er auf Leitern hätte klettern müssen.“Dies habe der Mann zwar zuvor telefonisch mit der Firma geklärt, die Agentur für Arbeit aber hätte dies nicht akzeptiert. Die Chancen, seine Forderungen nach mehr sozialer Gerechtigkeit nach dem 14. Oktober auch persönlich im Landtag durchzusetzen, sieht Billor jedoch schwindend gering. „Bei allem Optimismus – ich glaube nicht, dass ich es mit meinem Listenplatz schaffe“, sagt er. Absolut zufrieden mit dem Wahlergebnis sei er aber bereits, wenn seine Partei nur einen einzigen Platz im Landtag erkämpfe. „Das muss man sich mal vorstellen“, sagt er. „Die Linken im Bayerischen Landtag – das wäre bereits eine kleine politische Revolution.“Um diese Revolution zu realisieren, wird Billor auch in den nächsten Tagen wieder von Tür zu Tür gehen oder an Infoständen stehen. Finanziert wird sein Wahlkampf übrigens aus der Parteikasse und mit sehr viel persönlichem Einsatz. „Alle Plakataktionen machen wir selber in Eigenregie“, sagt der 26-Jährige. Dafür würde Die Linke aber beispielsweise auf Spenden von Unternehmen verzichten. Worauf Billor aber im Wahlkampf auf keinen Fall verzichten will, das ist seine Lieblingsspeise: „Spaghetti aglio e olio“. Damit allerdings dürfte er sich auf jeden Fall kulinarisch von Clara Zetkin unterscheiden – seinem großen politischen Vorbild.