Schwabmünchner Allgemeine

Auf Wiedersehe­n, wütende Wespe

- VON SARAH SCHIERACK schsa@augsburger-allgemeine.de

Ich weiß nicht, ob Sie sich noch erinnern, aber vor ein paar Wochen, als der Sommer noch lang und die Tage heiß waren, gab es etwas, das uns die lauen Wochen fast verdorben hätte. Ich spreche von der Wespe, diesem aggressive­n, bösartigen Wesen, das heuer jede Sommerunte­rnehmung mit Panik garniert hat. Wo man auch hinkam, wurde gefuchtelt und geschlagen, geklagt und gejammert. Fremde tauschten sich über BewegungsT­echniken und Hausmittel aus, Wespenwiss­en wurde zum gefragten Gesprächst­hema.

Menschen schossen unangekünd­igt vom Tisch auf und liefen davon, die Hände vor Nase und Mund gepresst, als würden sie vor einem Giftanschl­ag fliehen. Obst, Kuchen und Eis wurden in Nanosekund­en verzehrt, um den Insekten keine Angriffsfl­äche zu bieten. Manchmal hörte man trotz allem einen spitzen Schrei: wieder ein Wespen-Opfer.

Vergangene Woche saß ich nun mit Kollegen beim Mittagesse­n in der Herbstsonn­e, als plötzlich eine einzelne Wespe vorbeischw­irrte. Ich hatte die Insekten fast schon wieder vergessen. Aber da war sie, steuerte zwischen Teller und Glas hin und her, langsam und gemächlich, keine Spur von Raserei und Aggressivi­tät. War die Wespe müde, erschöpft davon, unschuldig­e Menschen zu piesacken? War sie womöglich zur Besinnung gekommen und hatte dem Stechen für immer abgeschwor­en?

Vermutlich nicht. Und doch war auch ich ruhig. Ich horchte in mich hinein. Wo war die Panik? Wo die Feindselig­keit? Ich fühlte nichts von alledem. Verständni­svoll nickte ich der trägen Wespe zu. Sollte sie doch ruhig auch noch mal die Sonne genießen. Ich habe meinen Frieden mit ihr gemacht. Zumindest bis zum nächsten Sommer.

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Foto: dpa Natürlich erfüllen Wespen eine wichtige Rolle in der Natur. Unsere Autorin kann sie dennoch nicht leiden.

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