Ein Sperrgebiet wird zum öffentlichen Ort
Gaswerk Seit Freitag ist die ehemalige Industriebrache neuer Standort fürs Theater. Viele Gäste kamen mit großer Neugier nach Oberhausen. Wie ihnen das Gelände gefällt und was in den nächsten Monaten dort geschieht
Die meisten Besucher dürften lange nicht hier gewesen sein: Das einstige Gaswerk in Oberhausen war über Jahre hinweg Sperrgebiet, geöffnet nur für besondere Ereignisse wie das Grenzenlos- oder das Brechtfestival. Doch das wird nun anders: Seit Freitag ist die Industriebrache ein öffentlicher Ort – zunächst vor allem für Theatergänger, bald für alle interessierten Augsburger.
Mit der Premiere des Schauspiels „Gas“hat das Staatstheater Augsburg seine neue Spielstätte in Betrieb genommen. Wobei auch dieser Ort nichts Endgültiges ist: Das Kühlerhaus, das am Freitag Schauplatz für die Inszenierung war, ist selbst nur Provisorium, bis der eigentliche Theaterbau nebenan, das Ofenhaus, fertig ist. Am 12. Januar soll dort die erste Premiere sein. Bis 2023 wird in dieser Spielstätte dann vor allem das Schauspiel beheimatet sein, auch die Theater-Werkstätten ziehen während der Sanierung des Großen Hauses nach Oberhausen um – in einen Neubau.
Noch ist vieles an diesem Standort nicht perfekt: Die Besucher laufen über teils unbefestigten Untergrund, weil es im Kühlerhaus keine sanitären Anlagen gibt, sind vor dem Haus Toilettenwagen aufgebaut. Das Parkhaus, das auch Theaterbesuchern zur Verfügung stehen soll, ist noch geschlossen; Eröffnung soll Anfang Dezember sein. Wer mit dem Wagen zum Theater fährt, muss also noch in der Umgebung nach Parkplätzen suchen.
Dennoch waren die Besucher am Freitag größtenteils angetan von der Atmosphäre des Areals. Studentin Alina Schubert zum Beispiel, die aus der Nähe von München stammt und mit einer Freundin zur Premiere gekommen ist, ist begeistert: „Ich halte das für einen ziemlich coolen Ort. So hätte ich das nicht erwartet“, sagt sie. Überhaupt habe Augsburg einige gute Locations zu bieten. „Auch das Kesselhaus ist toll.“
Helga und Karl-Heinz Schneider kommen aus Friedberg-Rinnenthal. Sie sind mit dem Auto und öffentlichen Verkehrsmitteln ans Gaswerk gekommen. „Wir mussten zweimal umsteigen und haben dann am Oberhauser Bahnhof den ShuttleBus der Stadtwerke genommen“, sagt Helga Schneider. Das habe alles gut funktioniert. Und auch wenn die Anreise nicht so einfach war wie zum Großen Haus in der Innenstadt: „Wir lassen uns dadurch nicht von den Theaterbesuchen abhalten“, sagt Karl-Heinz Schneider.
Einige Gäste hatten vergangenes Jahr schon einmal eine Theaterinszenierung am Gaskessel gesehen: Während des Brechtfestivals im März wurde dort Brechts „Die Maßnahme“aufgeführt. Das Erlebnis war damals allerdings getrübt: Es war so kalt, dass sich die Besucher wie für einen Stadionbesuch anziehen mussten. Dieses Problem gab’s am Freitag nicht. Das Heizungsproblem haben die Stadtwerke, denen das Gaswerk-Areal gehört, offenbar gut in den Griff bekommen.
Gespielt wird im Kühlerhaus, die Pause können die Gäste im benachbarten Apparatehaus verbringen; beide Gebäude sind durch einen überdachten Verbindungsgang angeschlossen. Als das Gaswerk noch in Betrieb war, wurde das Gas in diesen Bauten gekühlt und weiterverarbeitet. Im Apparatehaus sind noch alle Geräte zu sehen, die dafür benötigt wurden. Wer hier sein Pausengetränk nimmt, steht inmitten historischer Industriekultur und hat beinahe das Gefühl, hier würde noch immer gearbeitet. Das Theater hat beide Gebäude nur leicht verändert: Im Apparatehaus wurde eine Bar eingebaut, die wie ein Überbleibsel aus alten Zeiten wirkt. Überall wird Bezug genommen auf das, was das Gelände einst war. Die Stadtwerke investieren knapp 20 Millionen in den Umbau des alten Gaswerks zum neuen Kulturstandort.
Neben dem Theater werden hier bald auch Künstler und Musiker ihre Ateliers und Probenräume beziehen. Gastronomie und Grünflächen sind ebenfalls geplant. Das acht Hektar große Gelände, das bislang durch Mauern und Zäune abgesperrt war, soll die Attraktivität des Stadtteils steigern.
»Feuilleton
Eine Besprechung des Stücks „Gas“lesen Sie im Feuilleton » auf Seite 15. Online stellen wir Ihnen das Gelände in Bildern vor, unter augsburger-allgemeine.de/augsburg