Der Spagat der Volkshochschulen
Freizeit Der Wandel in der Gesellschaft macht vor den Bildungseinrichtungen nicht Halt. Die Teilnehmer wollen mehr Flexibilität und sich oft nicht mehr so lange binden. Das führt zu neuen Angeboten und zu manchem Problem
Region Manche Dinge ändern sich auch bei der Volkshochschule (VHS) nie. Ein Fremdsprachenkurs, wie Englisch, Italienisch oder Spanisch, wird immer gefragt sein. Das war vor 20 Jahren so, das ist es auch heute noch. Dennoch machen Veränderungen auch vor der Bildungseinrichtung nicht Halt.
Manches verändert sich schleichend, wie der Augsburger VHSDirektor Stefan Glocker festgestellt hat. Damit meint er den Wandel in der Gesellschaft. „Die Menschen verändern sich. Der Grad der Verbindlichkeit sinkt“, sagt er. Das stellt der Direktor nicht nur bei den Teilnehmern, sondern auch bei den Dozenten fest. Würden ältere Kursleiter teils schon seit Jahrzehnten an der VHS unterrichten, wollen sich die jüngeren Dozenten nicht so lange an die Bildungseinrichtung binden. „Sie sind oftmals zwei, drei Semester hier, erwerben sich so eine Zusatzkompetenz und ziehen dann wieder weiter“, berichtet Stefan Glocker. Für die Volkshochschulen bedeutet das, dass sie sich ständig nach neuen Kursleitern umsehen müssen. Und auch nach neuen Formaten. „Denn ein Kurs mit 16 Abenden ist auch nicht mehr bei jedem gefragt. Viele wollen oder müssen flexibel bleiben“, so Glocker.
Dafür gibt es inzwischen Alternativen. Die VHS Augsburg, die durchschnittlich 45 000 Teilnahmen pro Jahr verzeichnet, stellt sich auf ihre Teilnehmer ein. So bietet sie vermehrt Intensivkurse an, also beispielsweise einen Sprachkurs, der anstatt an 16 Abendterminen an vier Freitagen und Samstagen absolviert werden kann. Wer bei einem Kurs, der sich über das gesamte Semester erstreckt, an zwei, drei Abenden nicht erscheinen kann, hat in einigen Kursen die Möglichkeit, den Abend digital zu verfolgen. Glocker: „Wir sind an die bundesweite VHS.Cloud angeschlossen. Dort können Dozenten ihre Arbeitsblätter und andere digitale Dokumente hinterlegen. Außerdem speichern dort einige ihre Whiteboard-Aufzeichnungen ab. So können Teilnehmer den Kursverlauf verfolgen.“
Wenn es nach Glocker geht, dann könnte der VHS-Bildungsbetrieb künftig deutlich digitaler werden. Er denkt beispielsweise an eine Möglichkeit, einen Kurs gleich online wahrzunehmen. „Natürlich wird es unseren Präsenzunterricht immer geben. Bei Sprachunterricht würde es anders auch gar nicht funktionieren. Bei anderen Kursen macht es aber Sinn.“Glocker nennt auch ein Beispiel: das Erlernen des Word-Serienbriefs etwa. Kursteilnehmer eigneten sich nicht mehr auf „Vorrat“Wissen an, sondern dann, wenn sie es bräuchten. Ein OnlineFormat, das einem die Erstellung eines solchen Serienbriefs erklärt, wäre in seinen Augen ein gutes Angebot. Eines, das einmal erstellt, auch von den rund 1000 Volkshochschulen deutschlandweit genutzt werden könnte. Das wäre eine erweiterte Lernwelt.
Die Lernwelten haben sich auch im Landkreis Augsburg verändert. „Wir haben 34 Standorte im Landkreis“, sagt Christa Steinhart, die die Volkshochschule AugsburgLand leitet. Die enge Bindung, die einmal zwischen den Bürgern und ihrer kleinen Volkshochschule vor Ort gegeben habe, besteht heute nicht mehr. „Heute ist das Angebot wichtig – und dass der Kurs auch in den jeweiligen Terminkalender passt“, sagt sie. Wenn also jemand am Dienstagabend einen PilatesKurs belegen will, dann fährt er auch ein oder zwei Orte weiter, wenn es an diesem Abend in der eigenen Volkshochschule nicht möglich ist. „Im ländlichen Bereich sind die Menschen gewohnt, mit dem Auto zu fahren. Und wenn ihr Wunschkurs in Augsburg stattfindet, dann fahren sich auch dorthin“, sagt sie. Zwischen den Volkshochschulen gebe es auch einen Austausch der Teilnehmer – Augsburger, die Kurse in Augsburg-Land besuchen und umgekehrt. „Das ist keine Einbahnstraße.“
Sie habe festgestellt, dass mit den Jahren das Interesse im kreativen Bereich nachgelassen habe. Während ein eintägiger Kurs noch gefragt ist, werden Seminare, die an fünf Terminen über fünf Wochen hinweg angeboten werden, schon weit weniger gebucht. Handarbeiten seien ebenfalls Trends unterlegen. „Mal ist Stricken in Mode, dann Nähen oder Basteln.“Was sich zum Dauerbrenner entwickelt hat, sind dagegen alle Kurse, Workshops oder Vorträge rund um das Thema Gesundheit.
Das Angebot wird immer mehr den Bedürfnissen und auch den Gepflogenheiten der Kursteilnehmer angepasst. Während Christa Steines hart in der Volkshochschule Augsburg-Land Intensivsprachkurse genau vor der Urlaubszeit anbietet, dann, wenn sich viele noch Sprachkenntnisse aneignen wollen, hat Stefan Glocker Kurse für Senioren inzwischen erst ab Mitte Oktober im Programm. „Vorher sind viele noch verreist. Die älteren Menschen sind viel mobiler als früher und nutzen meist noch die Nachsaison-Angebote“, erklärt er.
Glocker berichtet, wie künftig deutschlandweit Vorträge gestreamt werden und somit auch allen anderen Volkshochschulen zugänglich gemacht werden könnten. Für Christa Steinhart ist klar: „Wir müssen das eine tun, das andere aber nicht lassen. Einen Präsenzunterricht wird es immer geben.“