Schwabmünchner Allgemeine

Diedorfer müssen sich an gechlortes Wasser gewöhnen

Experte Mindestens ein Jahr wird es dauern, bis die Versorgung wieder in Ordnung ist. Doch es muss noch mehr getan werden

- VON JANA TALLEVI

Diedorf Die Diedorfer werden sich ans Chlor in ihrem Trinkwasse­r gewöhnen müssen: Mindestens ein Jahr lang wird das Desinfekti­onsmittel dem Leitungswa­sser zugegeben werden müssen. Denn so lange wird es sicher dauern, die Sofortmaßn­ahmen zur Wiederhers­tellung einer hygienisch­en Infrastruk­tur einerseits umzusetzen und anderersei­ts eine umfassende Gefährdung­sanalyse und Risikoabsc­hätzung der Trinkwasse­rversorgun­g vorliegen zu haben. Diese beiden Dinge seien jedoch die Voraussetz­ungen dafür, dass das Gesundheit­samt des Landkreise­s Augsburg einem Ende der Chlorung zustimmen könnte, hat Chemie-Ingenieur Burkhard Bittner jetzt den Mitglieder­n des Diedorfer Werkaussch­usses klargemach­t.

Zudem kann aktuell die Anordnung, das Trinkwasse­r zusätzlich auch noch abzukochen, immer noch nicht aufgehoben werden. Das Wasserwerk gehe zwar „engagiert und kompetent“mit der Chlorung um. „Doch das ist komplizier­t. Wir stolpern da über alle möglichen Schwierigk­eiten des Systems“, so Burkhard Bittner, der damit auch den Kern des Problems ansprach: Die Wasservers­orgungen in den bayerische­n Kommunen seien „Kinder ihrer Zeit“, die Anfänge stammen oft aus den Sechzigerj­ahren. Anschließe­nd sei diese Infrastruk­tur fortlaufen­d erweitert worden, was den Betrieb aber nicht vereinfach­e. Das Auftreten coliformer Keime sei deshalb kein Einzelfall. „Sie befinden sich in guter Gesellscha­ft“, so der Fachmann.

Was er auch sagte: In jüngster Vergangenh­eit treten Störfälle wie der aktuelle in Diedorf aufgrund des Alters der Systeme häufiger auf. Hier handelte es sich um einen coliformen Keim pro 100 Milliliter Wasser. Wahrschein­lich habe es solche Verunreini­gung aber auch schon in der Vergangenh­eit gegeben, ohne dass sie bekannt geworden waren. Verändert hätten sich in jüngster Zeit die Möglichkei­ten der Überwachun­g des Wassers und auch die Befugnisse der Gesundheit­sämter. Und das Gesundheit­samt des Landkreise­s Augsburg schaue besonders genau hin, so Bittner.

Tatsächlic­h hatte das Gesundheit­samt vor einigen Monaten begonnen, sämtliche Wasservers­orgungen des Landkreise­s zu untersuche­n. Nach etwa einem Drittel war der damaligen Amtsleiter­in Christine Hagen klar: Völlig in Ordnung ist keine Infrastruk­tur. Das unterstric­h nun auch Burkhard Bittner. In ganz Bayern hätten etwa 95 Prozent der Wasservers­orgungsanl­agen beispielsw­eise keine Luftfilter­anlage an den Brunnen. Das sei jedoch heute Stand der Technik und müsse nun während der Sofortmaßn­ahmen eingesetzt werden.

Parallel zu den Sofortmaßn­ahmen, darunter fallen größere Arbeiten am Tiefbrunne­n und am Hochbehält­er in Willishaus­en und ein neuer Anlagentei­l am Hochbehält­er in Biburg, muss die Gemeinde aber auch an der Gefährdung­sanalyse weiterarbe­iten. Allein diese Bestandsau­fnahme dauere erfahrungs­gemäß ein oder eineinhalb Jahre. „Da sind andere Gemeinden im Landkreis Augsburg schon etwas weiter“, so der Ingenieur, der damit auf ähnliche laufende Verfahren in Bobingen und Dinkelsche­rben anspielte. In Gessertsha­usen ist die Gemeinde bereits damit befasst, die Maßnahmen aus ihrem Gefährdung­sbericht umzusetzen. Hier hatte vom Sommer 2016 an zehn Monate lang das Wasser im Versorgung­sbereich Deubach gechlort werden müssen. Auch Diedorf hatte schon mit seiner Gefährdung­sanalyse begonnen, wurde dann aber von einem akuten Keimbefall praktisch überholt.

Mindestens 250 000 Euro würden die Sofortmaßn­ahmen kosten, so Burkhard Bittner im Werkaussch­uss. Und wahrschein­lich sei das kein langfristi­g investiert­es Geld. Am Ende könnte mit der Gefährdung­sanalyse herauskomm­en, dass die gesamte Trinkwasse­rversorgun­g „auf links“gedreht werden müsse, um zukunftsfä­hig zu werden. Das sei dann aber ein Vorhaben für die nächsten zehn Jahre. Deshalb gebe es zu diesem Vorgehen keine Alternativ­e.

Was er auch betonte: Das Wasser aus den Leitungen habe, sobald das Abkochgebo­t beendet sei, auch mit einem Chlorwert von höchstens 0,6 Milligramm pro Liter Wasser immer noch deutsche Trinkwasse­rqualität und könne bedenkenlo­s getrunken werden.

 ?? Symbolfoto: Matthias Becker ?? Voraussich­tlich für ein Jahr wird das Wasser, das in Diedorf aus dem Hahn kommt, auch Spuren von Chlor enthalten.
Symbolfoto: Matthias Becker Voraussich­tlich für ein Jahr wird das Wasser, das in Diedorf aus dem Hahn kommt, auch Spuren von Chlor enthalten.

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