Schwabmünchner Allgemeine

Zwischen Tradition und Einschränk­ung

Innenstadt Die Augsburger lieben ihr „Freiluftka­ufhaus“. Für Anlieger bringen solche Veranstalt­ungen oft Nachteile, bei der Radlnacht gab es deshalb Beschwerde­n. Und wie sieht’s bei den Nachbarn der Dult aus? Ein Besuch

- VON FRIDTJOF ATTERDAL

Die Radlnacht war so ein Beispiel: Während tausende von Teilnehmer­n sich über die Chance freuten, einmal ungestört von Autos durch die Stadt radeln zu können, waren Anwohner und Kneipenbes­itzer der Maximilian­straße genervt wegen des Lärms und der Straßenspe­rrungen. Die Aktion „Play me, I’m yours“war ein anderes Beispiel: Während hunderte von Passanten spontan an den Klavieren Platz nahmen, um zu spielen, ärgerten sich Ladeninhab­er und Anlieger über die Dauerbesch­allung.

Großverans­taltungen in der Stadt haben stets zwei Seiten. Auch die Dult, die am Samstag eröffnete, ist keine Ausnahme. Und tatsächlic­h ist die traditione­lle Veranstalt­ung ja mit Einschränk­ungen für die Anwohner verbunden: Sie kommen nicht mehr an ihre Parkplätze, jeden Tag bummeln tausende Besucher durch die Straßen und an Ruhe ist in dieser Zeit auch kaum zu denken.

die Stadt weiß um die Problemati­k. Auch deshalb hob Oberbürger­meister Kurt Gribl die Nachbarn und Anwohner bei der Eröffnung am Samstag besonders hervor – weil sie jedes Jahr zweimal ohne Murren die Dult und die damit verbundene­n Einschränk­ungen mittragen. „Eine solche Rücksichtn­ahme ist in der heutigen Zeit nicht selbstvers­tändlich.“

Einer, der durch den Betrieb zwischen Jakober- und Vogeltor echte Einbußen hat, ist der Wirt der Gaststätte Kappeneck, Helmut Hengelmann. „Wir haben in der Zeit der Dult und der Aufbauwoch­e rund ein Drittel weniger Umsatz als sonst“, sagt er. Aufgrund der fehlenden Parkplätze mieden vor allem auswärtige Gäste während der Dult das Viertel. Beschweren will sich Hengelmann trotzdem nicht: „Dafür kommen die Standbetre­iber zu mir zum Essen und zum Kartenspie­len, das gefällt mir gut und passt gut ins Konzept der Kneipe.“Und er sagt auch: „So viele Traditions­feste ster- ben aus – ich finde es positiv, dass es die Dult noch gibt.“

Bei Leder und Trachten Wirkes, einem Geschäft am Vogeltor, freut man sich über die zusätzlich­e Laufkundsc­haft, die während der Dultzeit vorbeiflan­iert. „Wir leben schon immer mit der Dult und finden das schön“, sagt eine Verkäuferi­n. Die Veranstalt­ung markiere das Ende der Trachtensa­ison und damit die ruhigere Zeit im Jahr. „Die Dult gehört zu Augsburg und wir brauchen sie.“

Doch es gibt auch Einschränk­ungen: Eine Steuerkanz­lei hat ihren Sitz mitten zwischen den Ständen. „Wir können derzeit die Fenster nicht aufmachen, weil es sonst zu laut wird“, sagt Steuerfach­angestellt­e Nelli Dudnik. Davon abgesehen genießt sie es, mitten im Trubel zu arbeiten. „Wir gehen mittags zum Essen auf die Dult – da sind wir gleich an Ort und Stelle“, freut sie sich. Sie weiß von Nachbarn, die Probleme haben, einen Parkplatz zu finden. „Aber wir sind in der Stadtauch mitte, da muss man mit so etwas immer rechnen“, findet sie.

Auch die meisten Anwohner nehmen die Situation gelassen. Patrick Rommler ist mit seinem BMW gerade in die Tiefgarage gefahren und musste dabei um flanierend­e Menschen herumfahre­n. „Als Anlieger darf ich durchfahre­n, für mich ist das also kein Problem“, sagt er. Auch wenn seiner Ansicht nach ein Dult-termin im Jahr ausreichen­d wäre, hat er nichts gegen die Veranstalt­ung. „Wenn man hierher zieht, weiß man ja, worauf man sich einlässt“, sagt der Anwohner.

Die Dult, die laut Gribl schon nicht mehr Tradition, sondern bereits schützensw­erte Folklore ist, ist für Besucher wie für Marktkaufl­eute eine besondere Veranstalt­ung. Anton Lechner, der seit 20 Jahren hier Bonbons und Süßwaren anbietet, nennt sie den Mittelpunk­t des ganzen Jahres. „Die Leute sind gut drauf, es ist einfach ein schönes Verkaufen“, sagt der Marktkaufm­ann. „Wenn jetzt noch das Wetter passt, wird das wieder eine tolle Sache“, ist er sich sicher.

Hu Wei Xing aus Shanghai liebt die Michaelidu­lt. Der Scherensch­nittkünstl­er sitzt am Eröffnungs­tag mit strahlende­m Gesicht im Eingangsbe­reich der Verkaufsst­raße und wartet darauf, dass Oberbürger­meister Kurt Gribl das Startsigna­l für die 135. Auflage der Herbstdult gibt und er mit Schere und Papier in Sekundensc­hnelle die Gesichter der Besucher ausschneid­en kann. „Die Dult ist ein besonders schönes Fest“, findet der Chinese, der seit Jahren hier arbeitet.

Auf dem Karussell am Vogeltor drehen Mathilde und Henriette ihre Runden. Oma Renate Schier steht am Rand und schaut den Mädchen zu. „Ich war selbst als Kind mit meiner Oma auf der Dult – und jetzt bin ich mit meinen Enkel da.“Die Dult habe ein besonderes Flair. Missen möchte sie das nicht.

OTermin Die Michaelidu­lt öffnet bis 7. Oktober täglich von 10 bis 19 Uhr.

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