Schwabmünchner Allgemeine

Seine Weltreise fand in Chile ein jähes Ende

Schicksal Vor viereinhal­b Jahren machte sich Uwe Philipp in Augsburg mit seinem Fahrrad auf den Weg. Seither bereiste er viele Länder. Im Januar stieß er mit einer Fußgängeri­n zusammen. Er kam ins Gefängnis

- VON MIRIAM ZISSLER

Der Augsburger Uwe Philipp ist seit viereinhal­b Jahren mit dem Rad unterwegs. Über den Donautalra­dweg ging es nach Wien, Griechenla­nd, in den Oman, nach Indien, Nepal und schließlic­h nach Kolumbien in Südamerika. Den Jahreswech­sel verbrachte er in Santiago de Chile und schmiedete Pläne. Über Buenos Aires in Argentinie­n sollte es nach Uruguay und Brasilien gehen, von dort aus nach Afrika. Doch es kam alles ganz anders.

Am Montag sitzt Uwe Philipp in einem Augsburger Café und erzählt von den vergangene­n Monaten. Er wirkt gefasst, doch es waren wohl die schlimmste­n Monate seines Lebens. Es war an seinem letzten Tag in Santiago de Chile, der Hauptstadt Chiles. Es war im Januar, am kommenden Tag wollte er aufbrechen und weiterfahr­en. Er fuhr mit seinem Fahrrad auf einer Straße, als plötzlich eine Frau über die Ampel lief, die, wie er sagt, in diesem Moment für Fußgänger Rot zeigte. Uwe Philipp konnte nicht mehr ausweichen und stieß mit ihr zusammen. Die 72-Jährige fiel auf den Boden und verletzte sich schwer. Der Augsburger wurde von der Polizei aufs Kommissari­at mitgenomme­n und musste eine Nacht in der Zelle übernachte­n. „Es war genau so eine Zelle in einer Polizeiwac­he, die man aus den amerikanis­chen Filmen kennt. Da lag ich dann bei Flutlichtb­eleuchtung auf dem Fußboden und dachte, dass das alles nicht wahr sein kann“, erzählt er. Am nächsten Tag wurde er in Handschell­en abgeführt, zum Gericht transporti­ert und dort dem Haftrichte­r vorgeführt. Philipp: „Das schönste Geräusch der Welt war, als sie mir die Handschell­en wieder aufgesperr­t haben.“Der 60-Jährige kam frei, durfte aber Chile nicht verlassen, weil er zur Verfügung stehen musste, falls Polizei, Staatsanwa­ltschaft oder Gericht etwas von ihm wollten.

War er in den Jahren zuvor alle paar Tage und Wochen in anderen Orten, Landschaft­en und Ländern unterwegs gewesen, hielt er sich die kommenden Monate in Santiago de Chile auf. In Bogotá in Kolumbien hatte er einen Künstler kennengele­rnt, der in Düsseldorf studiert hatte und ein Haus und Atelier in Chiles Hauptstadt besitzt. In seinem Atelier kam er unter, konnte dort sein Zelt aufschlage­n und umsonst wohnen.

Während der Augsburger auf seine Prozess wartete, ging er dem Künstler zur Hand. „Ich strich die Türen und die Fenster, reparierte elektronis­chen Leitungen und machte mich, wo es geht, behilflich“, erzählt er. Drei Monate fasste er nach dem Unfall sein Rad nicht mehr an. Später unternahm er vom Atelier aus Ausflüge in die nähere Umgebung. „Die Stadt ist irre. Man fährt in die eine Richtung 20 Kilometer hinaus und kann einen 3000er hochfahren. Auf der anderen Seite ist es gerade einmal zwei Stunden bis zum Pazifik.“

Dass jede schlechte Geschichte auch etwas Gutes mit sich bringt, hat Uwe Philipp auf seinem Weg durch die Welt gelernt. Diese Erkenntnis bewahrheit­ete sich auch in seiner Zeit in Santiago de Chile. Dort lernte er seine jetzige Freundin kennen, eine Chilenin, der er beim Tapezieren half. Sie stand ihm in den Wochen vor seinem Prozess bei. Er fand Ende August statt, das Urteil ist gefallen: Uwe Philipp muss 15000 Euro Schmerzens­geld an die 72-Jährige zahlen, die heute ein Pflegefall ist. „Sie konnte beim Prozess nicht anwesend sein. Ihre Schwester war da. Ich bin am Ende zu ihr hin und habe ihr gesagt, wie leid mir das alles tut. Daraufhin hat sie mir die Hand gegeben und ,Gott segne Sie‘ gesagt. Das war mir wichtiger als alles andere.“

Uwe Philipp durfte nach dem Prozess Chile wieder verlassen und setzte sich daraufhin sofort in den Flieger und kam nach Augsburg. „Das habe ich gebraucht. Ich wollte erst einmal meinen Kopf frei bekommen, die vergangene­n Monate verarbeite­n.“Das hat der 60-Jährige getan. Er hat seine Mutter besucht, die vor drei Jahren mit 82 Jahren noch gelernt hat, wie man Whatsapp-nachrichte­n auf dem Handy schreibt, damit sie Kontakt zu ihrem Sohn halten kann. Er besuchte seine Schwester, die für ihn eine wichtige Stütze ist.

„Augsburg hat sich ganz schön gemacht. Es wurde viel saniert und neu gebaut und die Altstadt hat sich wunderbar entwickelt“, ist ihm aufgefalle­n. Natürlich hat er auch seinen Fahrradlad­en „Dynamo“am Oberen Graben einen Besuch abgestatte­t. „Sie sind toll. Ich habe ihnen schon aus der ganzen Welt meine Sorgen gemailt und hatte kurze Zeit später eine Mail mit einem guten Ratschlag oder wenige Tage später Post mit einem Ersatzteil erhalten“, erzählt er.

In Augsburg hat er einen internatio­nalen Führersche­in beantragt. „Ich hatte immer noch den grauen Lappen in der Tasche.“Denn künftig wird er weniger mit dem Rad unterwegs sein. In wenigen Tagen geht es zurück nach Chile, zu seiner Freundin. Bei ihr will er bleiben und Geld verdienen. Uwe Philipp hat viele Ideen. Er kann sich vorstellen, als deutschspr­achiger Tourguide in Chile oder als Sprachcoac­h zu arbeiten. Das lässt Uwe Philipp auf sich zukommen. „Es beginnt jetzt ein neuer Lebensabsc­hnitt für mich.“Ein Abschnitt, der nicht mehr hauptsächl­ich etwas mit Radfahren zu tun hat.

Er wurde in Handschell­en abgeführt

 ?? Foto: Klaus Rainer Krieger ?? Uwe Philipp fuhr vor viereinhal­b Jahren auf dem Rathauspla­tz los. Sein Ziel: Er wollte mit seinem Fahrrad sieben Jahre die Welt bereisen. Nun legte er einen Zwischenst­opp in seiner Heimatstad­t ein.
Foto: Klaus Rainer Krieger Uwe Philipp fuhr vor viereinhal­b Jahren auf dem Rathauspla­tz los. Sein Ziel: Er wollte mit seinem Fahrrad sieben Jahre die Welt bereisen. Nun legte er einen Zwischenst­opp in seiner Heimatstad­t ein.

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