Wer wusste von den Friedhofs-mauscheleien?
Affäre Städtische Arbeiter haben auf dem Nordfriedhof in die eigene Tasche gewirtschaftet. Nun geht es vor Gericht um die Frage, ob ihr Chef darin verwickelt war. Das beschäftigt auch die CSU – und einen prominenten Augsburger
Der Fall ist ihm ein echtes Anliegen. Rolf von Hohenhau, Präsident der Bundes der Steuerzahler in Bayern, sitzt deswegen stundenlang im Gerichtssaal. Er verfolgt als Zuschauer, wie die Augsburger Friedhofsaffäre vor Gericht aufgearbeitet wird. Der Steuerzahler-chef macht keinen Hehl daraus, dass er von den Strafverfahren gegen mehrere Mitarbeiter des Nordfriedhofs nicht viel hält. Drei Friedhofsarbeiter sind bereits im Juni in erster Instanz zu Geldund Bewährungsstrafen verurteilt worden. Sie waren laut dem Urteil in Schwarzgeschäfte auf dem Friedhof verwickelt. Nun soll ein Prozess klären, ob auch ihr Chef, Friedhofsverwalter Gerd Koller, in die Straftaten verwickelt war.
Gerd Koller, 65, hat die Vorwürfe bisher bestritten. Im Prozess macht er nun von einem Recht Gebrauch, das jedem Angeklagten zusteht: Er sagt nichts. In der Anklageschrift wird ihm vorgeworfen, er habe sich an Schwarzgeschäften seiner Mitarbeiter teilweise beteiligt und sie in anderen Fällen gedeckt. Die drei Friedhofsarbeiter, die vom Amtsgericht bereits verurteilt worden sind, haben zugegeben, dass sie sich auf dem Friedhof nebenbei etwas dazuverdient haben. Es ging darum, alte Gräber, die aufgegeben werden, abzuräumen. Das dürfen die Friedhofsarbeiter nur dann selbst machen, wenn sich kein Angehöriger mehr findet, der für das Grab zuständig ist. Ansonsten sollen Steinmetze diese Arbeit übernehmen. Die Friedhofsarbeiter boten Grabbesitzern aber an, das auch „hobbymäßig“zu erledigen. Und sie strichen dafür ein ordentliches Trinkgeld ein, in vielen Fällen laut den Ermittlungen rund 150 Euro.
Die drei Arbeiter sagen aber alle, Gerd Koller habe nichts von den dubiosen Geschäften gewusst. Deswegen wird es im Prozess darauf ankommen, welche Indizien und Beweise es gibt, dass der Verwalter des Nordfriedhofs involviert war. Fest steht: Gerd Koller und die drei verurteilten Arbeiter haben ein enges, freundschaftliches Verhältnis.
Bekam der Chef wirklich nichts mit von dem, was in seinem Umfeld gelaufen ist? Es gibt Fotos, die den Verwalter mit den Arbeitern bei einem fröhlichen Betriebsausflug in den Dolomiten zeigen. Der Friedhofs-chef und die beschuldigten Arbeiter sind auch in der CSU aktiv. Sie sollen bei Wahlen fleißig Plakate aufgehängt haben und waren Delegierte bei regionalen Parteitagen. Gerd Koller wurde voriges Jahr zum Vorsitzenden des mitgliederstarken Innenstadt-ortsverbands gewählt, er lässt sein Amt aber wegen des Verfahrens ruhen. Die Arbeiter sitzen ebenfalls im Vorstand des Csuortsverbands – und lassen die Ämter ebenfalls ruhen. Koller und seine Arbeiter wurden parteiintern dem Lager um den Csu-stadtrat und ehemaligen Kreisvorsitzenden Rolf von Hohenhau zugeordnet. Nach diversen internen Machtkämpfen in der CSU gilt dieses Lager inzwischen aber als stark geschwächt.
Ein Arbeiter, der nicht zum engeren Kreis um den Friedhofsverwalter gehörte, sagt, er sei überzeugt, dass Gerd Koller von der „Vetterleswirtschaft“gewusst haben muss. Er habe Koller beispielsweise mal darauf angesprochen, dass es Unregelmäßigkeiten auf dem Friedhof gebe. Doch der Chef sei darauf gar nicht weiter eingegangen und habe auch nicht nachgefragt, was er damit meine. Stattdessen habe ihm Koller in Gesprächen immer wieder gesagt, dass er sehr gute Kontakte zu einflussreichen Personen habe. Der Friedhofsverwalter habe gesagt, er kenne „hohe Leute“und er sei auch als ehrenamtlicher Schöffe beim Amtsgericht tätig. Einmal, so berichtet es der Arbeiter, habe Koller ihm diesen Satz gesagt: „Ich bin der weltbeste Schachspieler und ihr seid meine Schachfiguren.“Der Friedhofsarbeiter sagt, es habe immer wieder Anhaltspunkte dafür gegeben, dass krumme Geschäfte betrieben werden.
Im Mai 2015 sei es ihm endgültig zu viel geworden. Er habe zwei Kollegen gesehen, wie sie freudig in einen Briefkuvert geschaut hätten. Es sei offensichtlich gewesen, dass sie Geld bekommen hätten. Er sei in Gerd Kollers Büro gegangen und habe davon erzählt. Der Verwalter habe sich die Vorwürfe angehört und betont, er solle es sich gründlich überlegen, ob er solche Anschuldigungen vorbringen will. Koller habe auch gesagt, dass solch eine Anschuldigung irgendwann auf einen zurückfallen könne. Der Arbeiter sagt, er habe das als subtile Drohung empfunden. Er kam danach nicht mehr zur Arbeit. Er sei krankgeschrieben worden, weil er mit dem Druck und dem Mobbing, dem er durch die Kollegen ausgesetzt gewesen sei, nicht klargekommen sei. Jetzt arbeitet er nicht mehr auf einem Friedhof, sondern in einem anderen Bereich des Grünamtes.
Konkrete Beweise für eine Mittäterschaft von Gerd Koller finden sich am ersten Prozesstag allerdings nicht. Bei einem zweiten Vorwurf der Anklage sieht es etwas anders
Das Gericht muss klären, welche Indizien es gibt
aus: Gerd Koller soll zusammen mit dem Vorarbeiter alte Grabsteine weiterverkauft haben – auf eigene Rechnung. Die Anklage listet Fälle auf, in denen Koller die Grabsteininteressenten an seinen Vorarbeiter weitervermittelte. Der gibt zu, das Geld aus dem Verkauf eingestrichen und nicht offiziell abgerechnet zu haben. Aber auch hier bleibt die Frage, über die am Ende die Richter entscheiden müssen: Hat Gerd Koller – inzwischen ist er im Ruhestand – gewusst, dass sein Vorarbeiter keine Abrechnungen erstellt?
Ein ehemaliger Verwalter eines anderen städtischen Friedhofs sagt als Zeuge aus, dass es üblich und zulässig gewesen sei, Grabsteine wiederzuverkaufen – vor allem an sozial Schwache. Bei ihm sei das aber alles ordentlich abgerechnet worden. Ob er es bemerkt hätte, wenn hinter seinem Rücken illegale Grabstein-geschäfte abgewickelt worden wären, will Richterin Ulrike Ebel-scheufele von ihm wissen. Mit hundertprozentiger Sicherheit könne er das nicht ausschließen, sagt der Zeuge. Zu 90 Prozent aber schon.
Der Prozess gegen den Verwalter wird nächsten Montag fortgesetzt. Nach derzeitigem Stand könnte er dann auch bereits zu Ende gehen.