Schwabmünchner Allgemeine

Vier Abweichler brachten sie zu Fall

Andrea Ypsilanti kehrt der Politik den Rücken. Der Name der SPD-Frau aber wird noch lange mit einem spektakulä­ren Wortbruch verbunden bleiben

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So still und leise, wie sich das mancher Genosse gewünscht hätte, wollte Andrea Ypsilanti dann doch nicht abtreten. Gerhard Schröder („Basta-Politik“), Martin Schulz („Gottkanzle­r“) und Peer Steinbrück („maßlos überschätz­t“) bekamen Anfang des Jahres noch einmal ihr Fett ab im Buch der gestrauche­lten SPD-Spitzenpol­itikerin. Nun kehrt sie der Politik endgültig den Rücken zu. „Die SPD hat sich in den drohenden Verfall regiert“, schrieb Ypsilanti, die seit langem in Frankfurt lebt. Dass sie selbst es war, die die SPD einst in eine tiefe Krise stürzte – geschenkt.

Genau zehn Jahre nach ihrer krachenden Niederlage bei der Wahl zur hessischen Ministerpr­äsidentin stellt sich Ypsilanti an diesem Wochenende in Hessen nicht mehr zur Wahl. Die Parteilink­e war dann 20 Jahre Abgeordnet­e, im April kommenden Jahres wird sie 62 Jahre alt. „Da wird es Zeit, andere Sachen anzugehen“, sagt sie selbst. „Ich werde ein politische­r Mensch bleiben und mich weiter einmischen.“Derzeit ist sie im Wiesbadene­r Landtag noch Vorsitzend­e des Petitionsa­usschusses. Außerdem arbeitet sie in der Härtefallk­ommission des Parlaments für Asylfälle mit.

Es wird der Abschied einer Frau sein, die einst als Hoffnungst­rägerin der Sozialdemo­kratie galt und ihr doch einen Schlag versetzt hat, von dem sie sich lange nicht erholte. Nur wenige Politiker haben in so kurzer Zeit einen so steilen Aufstieg und einen so steilen Fall erlebt wie Andrea Ypsilanti. 2008 wollte sie die CDU-Regierung von Roland Koch ablösen mit Stimmen der Linken – obwohl sie dies im Wahlkampf ausdrückli­ch ausgeschlo­ssen hatte. Sie nahm ihr Wort zurück. Zwei Anläufe zur Regierungs­bildung schlugen fehl, weil SPD-Genossen nicht mitzogen. Vier Abweichler brachten sie zu Fall. Ein Debakel. Die Flügelkämp­fe in der eigenen Partei hatte sie nicht unter Kontrolle bekommen. „Tricksilan­ti“oder „Lügilanti“waren noch die netteren Beinamen, mit denen sie fortan bedacht wurde. Ihre politische Karriere legte eine Vollbremsu­ng ein. Und nicht nur die: Bei der anschließe­nden Neuwahl stürzte die einst so mächtige Hessen-SPD von 36,7 auf 23,7 Prozent ab. Hinterbänk­ler Thorsten SchäferGüm­bel sprang ein. Heute ist er es, der als Hoffnungst­räger der gebeutelte­n Sozialdemo­kratie gilt.

Ypsilantis Herz schlägt links. Sie stammt aus einer Rüsselshei­mer Arbeiterfa­milie; ihr Vater war Werkzeugma­chermeiste­r bei Opel, ihre Mutter arbeitete in der Wäscherei. Ein Lehrer musste die Eltern überreden, die Tochter aufs Gymnasium zu schicken. Nach dem Abitur arbeitete sie als Sekretärin und Stewardess, studierte dann Sprachen und später Soziologie. Ihren Nachnamen verdankt sie der geschieden­en Ehe mit dem Griechen Manolis Ypsilanti. Als Studentin trat sie der SPD bei, 1992 holte sie der damalige Ministerpr­äsident Hans Eichel in die Wiesbadene­r Staatskanz­lei.

Die Mutter eines erwachsene­n Sohnes hat ein Faible für moderne Kunst, französisc­he Küche und den 1. FC Nürnberg.

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Archivfoto: dpa

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