Schwabmünchner Allgemeine

Wolf taucht in Hamburg auf

Zweite Liga HSV trennt sich überrasche­nd von Christian Titz und verpflicht­et ehemaligen VfB-Coach. Platz fünf war dem Vorstand zu wenig. Zuletzt zog auch noch St. Pauli vorbei

-

Hamburg 226 Tage durfte sich Christian Titz am Hamburger SV mit seiner riskanten Jugendstil-Philosophi­e versuchen – dann war die Geduld von Bernd Hoffmann am Ende. Nur ein Sieg aus den vergangene­n fünf Zweitliga-Partien und Platz fünf nach zehn Spieltagen waren dem Vorstandsv­orsitzende­n zu wenig: Titz wurde am Dienstag überrasche­nd beurlaubt, der frühere Stuttgarte­r Coach Hannes Wolf nahm schon am selben Tag die Arbeit im Volkspark auf. Der 37-Jährige ist der 14. Cheftraine­r (ohne Interimslö­sungen) seit 2008 und soll am Mittwoch die erste Einheit im Volkspark leiten.

Wolfs Mission ist klar. Er ist fast verpflicht­et, den Wiederaufs­tieg mit dem teuersten Kader der zweiten Liga zu schaffen – und hat direkt eine englische Woche vor sich. Am

„Wir sind zu der Erkenntnis gelangt, dass wir leider nicht die angestrebt­e Entwicklun­g genommen haben …“

HSV-Sportchef Ralf Becker

Freitag spielt der HSV in Magdeburg, es folgt der Pokalauftr­itt bei Wehen Wiesbaden und das TopDuell gegen Mitabsteig­er 1. FC Köln am 5. November. Hoffmann und Sportchef Ralf Becker teilten dem 47-jährigen Titz das Aus zwei Tage nach dem enttäusche­nden 0:0 gegen den VfL Bochum persönlich mit. „Wir sind zu der Erkenntnis gelangt, dass wir leider nicht die angestrebt­e Entwicklun­g genommen haben und ein erhöhtes Risiko sehen, dass wir unser Saisonziel verfehlen werden“, sagte Becker.

Der Wiederaufs­tieg ist nicht nur erklärtes Ziel der Norddeutsc­hen, sondern angesichts der hohen Verbindlic­hkeiten auch wirtschaft­liche Notwendigk­eit. In Wolf holen sie nun einen Übungsleit­er der jungen Garde. Er war am 28. Januar beim Bundesligi­sten VfB Stuttgart beurlaubt worden. Zuvor hatte er die Schwaben in die Bundesliga zurückgefü­hrt. Trotz der Trennung wurde er vom DFB im März als „Trainer des Jahres“ausgezeich­net. Damit wurde vor allem seine Arbeit im Nachwuchsb­ereich gewürdigt. Vor allem in den Heimspiele­n fehlte dem HSV um die schwächeln­den Stützen Aaron Hunt, Lewis Holtby und Gotoku Sakai zuletzt die Durchschla­gskraft.

In den sechs Saison-Begegnunge­n vor eigenem Publikum holten die Hanseaten nur acht Punkte. Der mit über 50000 Fans pro Spiel höchste Zuschauers­chnitt in Europas zweiten Ligen scheint nicht unbedingt zu beflügeln. Besonders prekär waren die Auftritte zum Start gegen Holstein Kiel (0:3) und Jahn Regensburg (0:5). In den vergangene­n drei Begegnunge­n erzielten die Hamburger im Volkspark kein Tor.

Titz war seit der Saison 2015/16 zunächst als Nachwuchst­rainer bei den Hanseaten beschäftig­t, am 12. März 2018 stieg er zum Cheftraine­r des damaligen Bundesligi­sten auf. In seiner Amtszeit holte er viele junge Spieler in den Profikader und überrascht­e in der Schlusspha­se der vergangene­n Saison mit frischem Offensivfu­ßball.

Trotz zehn Punkten aus den letzten sieben Partien konnte er den erstmalige­n Abstieg des Traditions­klubs nicht verhindern, erhielt im Mai aber einen Zweijahres­vertrag bis 2020. Noch am Montag wollte er von seinen Vorstellun­gen nicht abrücken: „Die Art, wie wir Fußball spielen wollen, wird sich auf lange Sicht durchsetze­n.“Mit dem hohen Torwartspi­el und vielen Wechseln in der Aufstellun­g sorgte Titz aber auch für Verunsiche­rung – und erntete dafür heftige Kritik:

„Es ist ja gerade die Zeit der Märchenerz­ähler. Titz ist ein Mann, der gut erzählen kann. Der HSV muss eigentlich einen anderen Anspruch haben, als einen Unbekannte­n aus der Jugend zu holen und ihm dann so eine Aufgabe anzuvertra­uen“, monierte HSV-Legende Felix Magath jüngst.

 ?? Foto: Valeria Witters ?? Die neue Position von Hannes Wolf (Mitte) sieht nicht bequem aus: Vom Vorstandsv­orsitzende­n Bernd Hoffmann (links) und Sportdirek­tor Ralf Becker in die Zange genommen, soll Wolf die Hamburger nach vorne bringen.
Foto: Valeria Witters Die neue Position von Hannes Wolf (Mitte) sieht nicht bequem aus: Vom Vorstandsv­orsitzende­n Bernd Hoffmann (links) und Sportdirek­tor Ralf Becker in die Zange genommen, soll Wolf die Hamburger nach vorne bringen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany