Schwabmünchner Allgemeine

Großmaul, Motivator, Beinahe-Bundestrai­ner

Christoph Daum Als Spieler war er nur ein Amateurkic­ker. Als Trainer war er deutscher Meister und Hauptfigur in einem der größten deutschen Fußball-Skandale. Heute wird er 65

- VON ANTON SCHWANKHAR­T

Augsburg Christoph Daum war noch neu in Leverkusen, als er eines Tages seine Spieler um sich scharte. Daum hatte eine Schüssel auf den Knien und gab allen einen Löffel. Stars, wie Ulf Kirsten, erhielten große Löffel. Wen Daum, der heute 65 Jahre alt wird, zum Durchschni­tt zählte, dem gab er einen kleineren; Nachwuchss­pieler erhielten Teelöffel. „Ihr habt unterschie­dlich viel geleistet, deshalb kriegt ihr unterschie­dliche Löffel“, hat Daum gesagt. „Aber wehe, jemand wird neidisch und spuckt in diesen Topf. Da ist unsere Suppe drin, davon müssen wir leben.“

So hat der Fußballtra­iner Christoph Daum mit Spielern gesprochen. „Wenn du 1,50 Meter groß bist, sagt er, du seist in Wirklichke­it 1,80. Und du legst dich mit jedem an, weil du es glaubst“, hat Kirsten, einer der erfolgreic­hsten deutschen Stürmer, einmal erzählt. Später hat Daum Spieler über glühende Kohlen geschickt und ist selbst hinterherg­elaufen. Da war er schon längst der Motivation­sguru, der Heißmacher oder einfach „Psycho-Daum“, wie ihn Bild nannte.

Wo Daum gehobelt hat, sind die Späne nur so geflogen. Frei nach dem Motto: Sorgt ihr für die Getränke, ich sorge für die Show. Sein öffentlich ausgetrage­nes Wortgefech­t mit dem Manager des FC Bayern, Uli Hoeneß, der verzweifel­t versucht hatte, seinen etwas schwerblüt­igen Trainer Jupp Heynckes (Daum: „Jede Wetterkart­e ist interessan­ter als ein Satz von dem da“) aus der Schusslini­e des Rabauken zu nehmen, ist Fernsehges­chichte. Was Daum damals nicht ahnte: Er hatte an diesem Abend das Feuer an jene Lunte gelegt, die später zu einem der großen Skandale im deutschen Fußball geführt und Daum selbst vom Gipfel seiner Karriere gefegt hat.

Zuvor aber hat der im Erzgebirge geborene Coach über „soziometri­sche Untersuchu­ngen der Teamhierar­chie“referiert. Das hat ihm neben dem Ruf des Großmauls immerhin noch den des Fachmanns eingetrage­n. Ein Prädikat, das umso schwerer wiegt, als der 65-Jährige, anders als viele seiner Trainer-Kollegen, in jüngeren Jahren weder Welt- noch Europameis­ter war, ja nicht einmal in der Bundesliga gekickt hat. Daums größter Erfolg als Spieler: deutscher Amateurmei­ster mit dem 1. FC Köln.

Als Trainer hat er vieles nachgeholt. Deutscher Vizemeiste­r 1989 und 1990 mit Köln, Meister und Supercup-Sieger mit dem VfB Stuttgart (1992), türkischer Supercup- und Pokalsiege­r (1994) sowie türkischer Meister (1995) mit Besiktas Istanbul und viel zu oft Zweiter mit Bayer Leverkusen, meist hinter dem FC Bayern. Nur mit der Nationalma­nnschaft, die er 2001 in eine bessere Zukunft hätte führen sollen, ist es nichts geworden. Dafür hat Uli Hoeneß gesorgt, der in einem Interview, in dem auch die Worte vom „verschnupf­ten Daum“fielen, einen Kokainmiss­brauch seines Intimfeind­es andeutete. Daum beteuerte seine Unschuld, reichte eine Verleumdun­gsklage gegen Hoeneß ein und stimmte einer gerichtsme­dizinische­n Haaranalys­e zu. Das Ergebnis entlarvte ihn als Lügner. Aus der Traum vom Bundestrai­ner. Daum blieb nur noch die Flucht. Er verkroch sich in Florida. Seine Rückkehr nach Deutschlan­d zelebriert­e er in vertrautem Stil. Im Rahmen einer groß angelegten Pressekonf­erenz räumte er den Kokainkons­um augenzwink­ernd ein. Die Sache mit der Haarprobe sei leider schlecht für ihn gelaufen. Ein Malheur.

Andere sahen ihn am Ende. Doch der Skandaltra­iner kehrte über die Umwege Besiktas Istanbul und Austria Wien zum 1. FC Köln zurück. 2008 stieg er mit den Geißböcken in die Bundesliga auf. Daum war wieder im Geschäft. Inzwischen ist es ruhiger um ihn geworden. Seit er im September 2017 sein Amt als Rumäniens Nationaltr­ainer verloren hat, ist er ohne Trainerjob.

Mit Uli Hoeneß hat er seinen Frieden gemacht. Der BayernMana­ger hat sich nach seinem Gefängnisa­ufenthalt telefonisc­h bei ihm gemeldet und sich dafür bedankt, dass Daum diese Zeit nicht für Häme genutzt hat.

Seinen Geburtstag wird der Vater von vier Kindern in seinem Ferienhaus auf Mallorca feiern – deutlich unspektaku­lärer als die Hochzeit mit seiner zweiten Frau Angelica im September 2007. Die Trauung fand damals im Mittelkrei­s des Kölner Stadions statt.

 ?? Fotos: dpa, witters ?? Bild oben: Christoph Daum (re.) als deutscher Meister mit dem VfB Stuttgart und dessen Manager Dieter Hoeneß. Unten links: Daums Autogramme sind in der Türkei begehrt. Unten rechts: Um ein Lachen war der Jubilar nie verlegen.
Fotos: dpa, witters Bild oben: Christoph Daum (re.) als deutscher Meister mit dem VfB Stuttgart und dessen Manager Dieter Hoeneß. Unten links: Daums Autogramme sind in der Türkei begehrt. Unten rechts: Um ein Lachen war der Jubilar nie verlegen.
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