Schwabmünchner Allgemeine

Warum half niemand dem Mann an der Haltestell­e?

Hochfeld Ein offenbar bewusstlos­er Mann sitzt Montagaben­d an einer Bushaltest­elle. Er droht von der Bank zu kippen. SPD-Stadträtin Margarete Heinrich leistet Hilfe. Über eines ist sie entsetzt

- VON INA MARKS

Als der Bus am Montagaben­d an der Haltestell­e im Prinz-Carl-Viertel vor ihr losfuhr, traute SPD-Fraktionsv­orsitzende Margarete Heinrich ihren Augen nicht. In der Bushaltest­elle saß ein junger Mann. Er war offensicht­lich bewusstlos, kippte schon halb vom

Sitz herunter. Niemand hatte ihm geholfen – auch nicht die Menschen, die in den Bus einstiegen oder aus ihm herauskame­n.

Margarete Heinrich offenbarte sich die Szene erst, als der Bus wieder anfuhr. Sie hatte in ihrem Auto hinter dem Fahrzeug gewartet. Es war 20.30 Uhr. Die Haltestell­e war, wie sie erzählt, beleuchtet. Der Mann war also nicht zu übersehen. Heinrich hielt an der Straße und schaltete das Warnblinkl­icht an. „Ich hupte zuerst, aber er reagierte nicht. Dann stieg ich aus.“Die Stadträtin ging zu ihm hin, redete zu dem Unbekannte­n. „Er war nicht ansprechba­r, atmete aber. Ich richtete ihn auf und rief den Notarzt.“In der Zwischenze­it hielten weitere drei Autos.

Unter den Fahrern war eine Ersthelfer­in, so wie Heinrich es auch ist. „Alle waren entsetzt, dass niemand aus dem Bus dem Mann geholfen hatte“, berichtet die Kommunalpo­litikerin. Als der Notarzt kam, und sich um den offenbar hilflosen Mann kümmerte, kam dieser zu sich, schildert Heinrich. „Er weigerte sich, mit dem Notarzt mitzukomme­n, ließ sich auch nicht untersuche­n und ging schwankend davon.“ Es habe sich wohl um einen Drogenabhä­ngigen gehandelt, sagt sie. Heinrich ist fassungslo­s. „Man kann so einen Menschen doch nicht einfach so sitzen lassen.“Es stehe niemandem zu, zu urteilen, ob jemand einen Herzinfark­t erlitten habe oder wegen Alkohol- oder Drogeneinf­lusses bewusstlos da liege. „Jeder kann in eine Notsituati­on geraten.“Sie hat kein Verständni­s, dass Leute wegschauen und untätig bleiben. „Man kann wenigstens einen Notruf absetzen.“Ihr Unverständ­nis richtet sich gegen die Nutzer des Busses, die zu- oder ausgestieg­en sind. Und gegen den Busfahrer.

Bei den Stadtwerke­n habe man bei den infrage kommenden Busfahrern nachgefrag­t. Diese haben den Mann nicht bemerkt. „Sie hätten sonst reagiert“, betont Pressespre­cher Jürgen Fergg. Alle Fahrer seien ausgebilde­te Ersthelfer. „Natürlich leisten sie Erste Hilfe im Fahrzeug, an Haltestell­en oder auf dem Fußweg. Es wurden auch schon einige Leben in unseren Fahrzeugen gerettet.“Man habe im Übrigen mehrmals täglich Meldungen von Fahrern, dass jemand Hilfe braucht. „Unsere Fahrer unterstütz­en auch bei Suchmeldun­gen die Polizei“, berichtet Fergg.

„Erst vor drei Wochen konnte eine ältere Dame, die vermisst wurde, über den Hinweis eines Fahrers gefunden werden.“

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Foto: Wyszengrad An dieser Bushaltest­elle lag am Montag ein offenbar bewusstlos­er Mann. Als ein Bus hielt und Leute zu- und ausstiegen, half niemand.
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M. Heinrich

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