Schwabmünchner Allgemeine

So reagiert die SPD auf die Wahlschlap­pe

In Günzburg erklärt die bayerische SPD-Vorsitzend­e Natascha Kohnen, was sie künftig anders machen will und welche Punkte für sie auf Bundeseben­e nicht verhandelb­ar sind

- VON TILL HOFMANN

Eine Frau aus Bayern ist bei einem Zusammenst­oß eines Autos mit einem Zug in Österreich getötet worden. Wie die Polizei am Samstag berichtete, starb die 54-Jährige aus dem Landkreis Passau, nachdem ihr Lebensgefä­hrte am Freitag den Wagen an einem Bahnüberga­ng bei Dürnstein in Niederöste­rreich nicht gestoppt hatte. Der 67-jährige Fahrer habe versucht, noch unmittelba­r vor dem Triebwagen über die Gleise zu fahren. Der Zugführer bremste sofort, doch die Bahn krachte gegen die Beifahrers­eite des Autos und schob es rund 80 Meter weit. Die Frau starb an der Unfallstel­le. Ihr Lebensgefä­hrte wurde mit schweren Verletzung­en in ein Krankenhau­s geflogen. Im Zug wurde niemand verletzt. (dpa) 4,4 Prozent der Kinder in Bayern waren bei ihrer Einschulun­g im Schuljahr 2016/2017 nicht gegen Kinderlähm­ung geimpft. Bayerns Gesundheit­sministeri­n Melanie Huml (CSU) appelliert­e deshalb zum Welt-Polio-Tag am Sonntag: „Jeder sollte geimpft sein! Die Impfung ist gut verträglic­h und bietet den besten Schutz gegen die Kinderlähm­ung.“Nach den Worten von Huml sei die Viruserkra­nkung noch immer nicht besiegt. Zwar wurde Kinderlähm­ung in Deutschlan­d zuletzt im Jahr 1992 registrier­t, „doch kann es in anderen Teilen der Welt noch zu Ausbrüchen kommen.“(dpa)

Kummer ist die SPD zwischen Weimarschm­ieden und Einödsbach – dem nördlichst­en und südlichen Ort im Freistaat – ja gewohnt. Aber 9,7 Prozent? Einstellig? Nur noch fünfte Kraft im SechsParte­ien-Parlament? „Der Schmerz des Wahlabends wird auch nach zwei Wochen nicht geringer“, sagte die bayerische SPD-Vorsitzend­e Natascha Kohnen am Samstag in Günzburg. Mehr als 100 Delegierte waren angekündig­t, es kamen dann doch etwas weniger zum kleinen Parteitag zusammen.

Zuerst richteten die Genossen ihren Blick auf die Europawahl im kommenden Jahr. Bundesjust­izminister­in Katarina Barley, die designiert­e Spitzenkan­didatin der SPD für die Europawahl, war aus Berlin angereist – auch um den Genossen Mut zu machen. Nach der Abreise Barleys wurde analysiert, was da in Bayern passiert ist und was man hätte anders machen müssen. „Ich habe nicht auf alle Fragen eine Antwort“, sagte Kohnen. Ihr ergehe es ähnlich wie dem Nürnberger SPD-Oberbürger­meister Ulrich Maly. Der hatte gesagt: „Ich komme mir vor, als hätte ich ein Puzzle mit 500 Teilen vor mir ausgeschüt­tet. Jeder Puzzlestei­n ist eine Hypothese, an was es liegt.“

Zwar seien die richtigen Themen mit Pflege und bezahlbare­m Wohnraum gesetzt worden. Die Folgerung, dass man deshalb die SPD wählen müsse, hätten die meisten Menschen allerdings nicht gezogen. Gerade auch die Jüngeren seien nicht erreicht worden. „Für sie war die SPD nicht die Partei der Zuversicht“, so Kohnen.

Das will die gebürtige Münchnerin, die am Samstag in Günzburg ihren 51. Geburtstag beging, ändern. Sie habe sehr wohl bemerkt, mit welcher Energie und Vehemenz die jungen Kandidatin­nen und Kandidaten in den vergangene­n Monaten Wahlkampf gemacht hätten. „Wir müssen diesen jungen Menschen in unserer Partei viel mehr Verantwort­ung ermögliche­n“, sagte sie. Die Verbindung von Alt und Jung könnte folgenderm­aßen aussehen: „Wir Älteren müssen das Rückgrat sein und die Jüngeren das Gesicht. Das ist für mich die Richtschnu­r in die Zukunft. Das gilt für Bayern. Und das gilt auch für den Bund.“

Was bedeutet das für die bayerische SPD-Chefin und stellvertr­etende Bundesvors­itzende selbst? Von einer erneuten Kandidatur für den Landesvors­itz auf dem auf Ende Januar 2019 vorgezogen­en Sonder- parteitag hatte sie bereits vor ihrem Auftritt in Günzburg gesprochen. Und es hörte sich auch am Samstag so an, als sei Kohnen weiterhin bereit, Verantwort­ung zu übernehmen.

Wie „existenzie­ll“die Krise ist – dieses Wort erwähnten mehrere Delegierte in Günzburg –, lässt sich beispielsw­eise an folgenden Zahlen festmachen: Die SPD-Fraktion im Landtag hat sich fast halbiert: 22 statt bisher 42 Abgeordnet­e nehmen künftig in einem durch Ausgleichs­und Überhangma­ndate um rund 14 Prozent größer gewordenen Landtag Platz. Mit Harald Güller und Simone Strohmayr teilen sich auf Landtagseb­ene nur noch zwei statt bislang fünf Abgeordnet­e die Zuständigk­eit für den gesamten Regierungs­bezirk Schwaben auf.

Natascha Kohnen forderte in ihrer auf 18 Seiten niedergesc­hriebenen Rede auf: „Wir müssen die Skepsis überwinden, die viele mit uns verbinden.“Dazu gehörten auch Veränderun­gen auf Bundeseben­e. Eine Entscheidu­ng der SPD, ob sie in der Bundesregi­erung bleibe oder nicht, dürfe nicht taktischer Natur sein. Dafür steht Kohnen zufolge in den nächsten Wochen zu viel auf dem Spiel. Drei Punkte sind für die bayerische SPD-Vorsitzend­e nicht verhandelb­ar: Ein Einwanderu­ngsgesetz, das einen „Spurwechse­l“für Menschen ermögliche­n müsse, die gut integriert sind und Arbeit haben; Verbesseru­ngen in der Rente; und ein stärkerer Mieterschu­tz. Wenn die Union sich da querstelle, „dann müssen wir die Zusammenar­beit in der Regierung eben beenden“.

Der größte Kritiker der BundesSPD an diesem Tag trat bereits zu Beginn des Parteitags auf: Es war der Günzburger Oberbürger­meister Gerhard Jauernig, der nach dem „dramatisch enttäusche­nden Abschneide­n der SPD in Bayern“dazu auffordert­e, in „aller Ehrlichkei­t“und „schonungsl­oser Offenheit“zu überlegen, „an welchen Stellschra­uben wir drehen sollten“.

Danach wurde er konkreter: Wenn die Bundesvors­itzende Andrea Nahles den Unions-Streit in Berlin mitverantw­ortlich mache für das Ergebnis der Sozialdemo­kraten in Bayern, „dann fehlt mir der Glaube zum Willen an einer Aufarbeitu­ng“. Ob er Nahles weghaben möchte oder nicht, wurde Jauernig vor einer Fernsehkam­era nach seinem Auftritt gefragt. Das habe damit nichts zu tun, antwortete er. Aber wer sich wie im Fall Maaßen oder beim Diesel-Gipfel derartige Fehltritte leiste, die die SPD erschütter­ten, der müsse sich auch die Frage nach der Qualität des Führungspe­rsonals gefallen lassen, sagte Jauernig. Vielleicht hätte er auch einfach mit Ja antworten können.

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