Im lichterloh brennenden Paradies
Warum die Verpflichtung der Akademie für Alte Musik Berlin ein Hauptgewinn ist
Dreifacher Aufbruch: Mit einem fulminanten Abend im Kleinen Goldenen Saal startete am Samstag nicht nur die Jubiläumssaison der Deutschen Mozart-Gesellschaft in Sachen 300. Geburtstag Leopold Mozarts, es startete auch ein Beethoven-Sinfonien-Zyklus der Akademie für Alte Musik Berlin (anlässlich seines 250. Geburtstages 2020), und es startete eine längerfristige Partnerschaft eben dieses SpezialEnsembles mit Augsburg.
Das ist gut, sehr gut, denn Konzerte auswärtiger Orchester, die fähig sind, interpretatorische Maßstäbe zu setzen, sind rar geworden am Lech. Es war einmal, dass hier regelmäßig große Orchester gastierten – und Vergleich, gegebenenfalls Vorbild boten ...
Nun aber die – historisch informierte – Akademie für Alte Musik, die das Konzept-Programm von Carl-Philipp-Emanuel-Bach-Sinfonien in Gegenüberstellung mit Beethoven-Sinfonien am Sonntag in München wiederholte und am Mittwoch in Berlin noch mal aufführt. Diese Gegenüberstellung hätte freilich nicht nur mit Beethoven funktioniert, sondern auch mit Haydn und Mozart – alle drei verehrten und lernten von CPE Bach.
Warum aber wurde der Abend im stilgerechten Kleinen Goldenen Saal eingangs als fulminant bezeichnet?
Bei der Akademie für Alte Musik Berlin herrscht eine Musizierhaltung, wie man sie so manchem saturiert wirkenden Großorchester wünschen darf und die diesem Spezial-Ensemble auch ein kenntnisreiches, spezielles Auditorium einbringt. Im Sommer waren alle Beethoven-Sinfonien mit dem MusicAeterna Orchester unter Teodor Currentzis in Salzburg zu hören, jetzt startet die Akademie für Alte Musik ihren Zyklus, und in beiden Fällen, jeweils übrigens im Stehen musiziert, klingt das Ergebnis wie die gehaltene Rede eines ungehaltenen Orchesters. Unbedingt, drängend, draufgängerisch, aufrührerisch, entflammt. Bei solcher BeethovenRezeption mit scharfen Akzenten, reibenden Synkopen, blitzschnellen Stimmgruppenwechseln, temperamentvollem Biss fällt dem Hörer wie Schuppen von den Ohren, welche ästhetische Sprengkraft Beethoven noch nach gut 200 Jahren besitzen kann. Das ist nicht alt, das ist frisch.
Beethoven selbst wusste, dass er ein Hitzkopf in mancherlei Beziehung war; bei der Akademie für Alte Musik spiegelt sich dies auch musikalisch. Zweimal an diesem Abend, an formal deckungsgleichen Abschnitten, hörte man sich im lichterloh brennenden musikalischen Paradies: jeweils im emphatischen Finale des ersten Satzes von erster und zweiter Sinfonie.
Beethovens Sturm war durch den Drang CPE Bachs vorbereitet worden. Gleichwohl tönt dessen Sinfonik eleganter, höfischer, artifizieller. Aber auch hier gilt: Die Akademie für Alte Musik ist Gewährsfrau und Gewährsmann dafür, dass Bachs F- und G-Dur-Sinfonie nicht mit Etikette, sondern überraschend vitalisiert die Hörerschaft erreicht. So herrschte auch dabei Aufruhr – wenn auch eine Spur gemäßigter, quasi unterschwellig.