Vier Engel für Untermeitingen
„Zweimal Himmel und zurück“– so heißt das neue Stück des Theatervereins Laetitia 1908. In der Komödie spielen die drei jüngsten und der erfahrenste Schauspieler mit. Bald werden ihnen Flügel wachsen
Farbtöpfe und Leitern stehen auf und hinter der Bühne, Stoffbahnen hängen von der Decke und die Darsteller schielen noch ab und an in das Textbuch, wenn sie ihre Szenen proben. Vor rund einem Monat haben die Bühnenproben in der Imhofhalle begonnen, Ende November wird sich der Vorhang für das Publikum lüften: Dann präsentiert der Theaterverein Laetitia 1908 die Komödie „Zweimal Himmel und zurück“von Regina Harländer. Die Schauspieler proben drei- bis viermal pro Woche. „Aber das Wichtigste ist, dass man dabei Freude hat und sich Mühe gibt“, sagt Hanna Widmann. Die Elfjährige stand schon in zwei, drei Stücken auf der Bühne – und diesmal werden ihr Flügel wachsen. Sie wird einen von drei kleinen Engel spielen.
Die meisten Kinder wagen im Jugendtheater des Vereins ihre ersten Schritte auf der Bühne. Aber Julian – Hannas kleiner Bruder und Engel Nummer zwei – steigt mit seinem ersten Stück gleich ins große Volkstheater ein. „Das war heute unsere erste Probe mit den Erwachsenen. Am Anfang waren wir noch ein bisschen schüchtern“, sagt der Siebenjährige. Er freut sich auf sein Kostüm, die Flügel und das weiße Gewand. Doch das alles ist nur Schein: Er spielt einen Engel von der frechen Sorte. „Wir dürfen die ganze Zeit kichern“, sagt Julian.
Auf diese Frechheiten freut sich auch die Jüngste im Engelstrio. Lotta Mücke ist zum ersten Mal dabei und erzählt von ihrer Lieblingsszene: „Wir zupfen den Räuber Schorsch am Hemd, um ihn ein bisschen zu ärgern.“Nur wenige Sätze wird Lotta sprechen und dennoch spielt sie eine tragende Rolle: Sie bringt mit ihren Engelsgeschwistern das goldene Buch auf die Bühne und überreicht es dem Erzengel Uriel, der die Pforte zum Himmel hütet. Für ihren Auftritt müssen die Kinder erst einige Minuten hinter den Kulissen warten. „Wir müssen Geduld haben und dann muss alles funktionieren“, sagt Lotta. Aber Angst vor dem Rampenlicht hat sie nicht. Für die Sechsjährige steht fest: „Ich bin eine Bühnenratte.“
Als Engel Uriel nimmt Michael Klingshirn das Trio unter seine Fittiche. Er ist der dienstälteste Darsteller der Truppe, der seit den 1980er-Jahren im Theater mitwirkt. Die Komödie ist ein Stück nach Klingshirns Geschmack: ein Spiel zwischen Ernst und Spaß, frech und zweideutig. „Schon in der Schule habe ich gespielt. Vor allem Volkstümliches, aber immer etwas Lustiges“, sagt er. Maßgeblich sei für ihn dabei der Dialekt. „Wenn i red wie dahoam, des kommt bei den Leuten gut an“, sagt der gebürtige Oberbayer. Deshalb sei er von seiner Rolle als Uriel zunächst ein wenig enttäuscht gewesen: „Hochdeutsch spricht er, dazu noch sehr geschwollen.“
Seine Figur sei ein strenger Engel, der nur die eigene Meinung gelten lässt. „Dazu passt das Kostüm nach alter Ritterart, mit Flügeln, Helm und Feuerschwert.“Sich in solche Rollen hineinzufühlen, bereitet Klingshirn den größten Spaß. „Ich leb’s halt“, sagt der 78-Jährige. Die harte Arbeit liegt für ihn dagegen im Text und im Zusammenspiel – schließlich sei man darauf angewiesen, dass der Partner das richtige Stichwort liefert und sich nicht in der Handlung verirrt. In all den Jah- ren ist selten etwas passiert: „Lampenfieber kenn ich nicht. Das hat mir nie etwas gemacht.“Nur einmal erlebte Klingshirn eine technische Panne: Da öffnete er schwungvoll die Bühnentür – und plötzlich fiel ihm die Decke der Kulisse auf den Kopf. „Das Publikum war am Zweifeln: Hat das zum Stück gehört oder nicht?“, erinnert er sich und lacht.
Lustige Momente machen für ihn den Reiz des Theaters aus. Komödien, die das Publikum aus dem Alltag entführen und Sorgen vergessen lassen. Und dieses Gefühl will der 78-Jährige auch an die nächste Generation vermitteln: „Zur Aufführung kommen meine Kinder und Kindeskinder.“Und was möchte Klingshirn den drei kleinen Engeln mit auf den Weg geben? „Die Begeisterung für die Bühne – aber die haben sie ja offensichtlich schon“, sagt er. „Außerdem ist es eine wertvolle Erfahrung, nicht nur an sich selbst zu denken, sondern an das Miteinander.“
Seine Bühnenkollegen bezeichnen Klingshirn, mit Augenzwinkern, als einen typischen Beamten. Schließlich hat er jahrelang für den Zoll gearbeitet. „Er ist sehr korrekt und der Erste, der seinen Text kann“, sagt Sabine Fendt. Sie beneidet ihn um seine Souveränität. „Er wirkt, wenn er auf die Bühne kommt. Und ich glaube, der strenge Engel wird eine Paraderolle für ihn.“Das volkstümliche Stück erzählt die Geschichte eines Ganoven, genannt „Rennbahn-Schorsch“, der sich auf der Flucht vor der Polizei in die Tiefe stürzt. Danach schwebt seine Seele zwischen der Erde und dem Himmel, den Uriel bewacht.
Für die drei jungen Engel folgt auf dieses Engagement schon das nächste. Im Kindertheater werden sie erneut auf der Bühne stehen, im Märchen vom Rumpelstilzchen. Doch vor dem Märchen steht die Himmelskomödie auf dem Programm. Julians Schwester Hanna weiß: „Das Stück ist lustig – und das wollen ja die Zuschauer.“Die Jungdarsteller sind sich einig, wann Theater am schönsten ist: „Wenn ganz viele Leute kommen.“