Schwabmünchner Allgemeine

Jugendarbe­it war seine Sache

Pfarrer Hubert Ratzinger aus Großaiting­en feiert seinen 60. Geburtstag. Warum er angeblich an „Kreiseriti­s“litt und was für ihn die Unterschie­de zwischen den Gemeinden in der Stadt und auf dem Land sind

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Ein herzlicher Empfang im Pfarrhaus, Filterkaff­ee und Butterbrez­en – Samstagmor­gen um 8 Uhr ist ein guter Termin für ein Gespräch mit Pfarrer Hubert Ratzinger. Da ist er topfit und bereits einige Zeit auf den Beinen. Es macht Spaß ihm zuzuhören; wenn er erzählt von seiner Kindheit, von seiner Berufung, seinem Beruf und wie wichtig es für ihn ist, Menschen für Jesus Christus zu gewinnen. Ein beeindruck­ender Mann, der mutig für seine Überzeugun­gen eintritt und offen auf andere zugeht. Nun feierte er seinen 60. Geburtstag.

In Lindau kam er 1958 zur Welt, der „Mittlere“zwischen einem großen Bruder und der kleinen Schwester. „In meinem Elternhaus gab es eine tiefe und innige Gottesbezi­ehung. Das hat mich sicher geprägt. Doch auch den Zugang zu Musik und Sport habe ich von zu Hause mitbekomme­n“, sagt er und spricht begeistert von seiner Jugend als Ministrant und in den Gruppen der Heimatgeme­inde. „Hier erkannte ich, dass Geborgenhe­it, die ich im Raum der Familie erlebte, nicht selbstvers­tändlich ist und dass der christlich­e Glaube die Kraft schenkt, auch gegen die Mehrheit zu entscheide­n. Das wollte ich weitergebe­n und so kam am Ende der Schulzeit der Gedanke auf, Priester zu werden. Sonst hätte ich wohl Chemie studiert.“

Nach dem Abitur trat er ins Priesterse­minar in Augsburg ein und studierte an den Universitä­ten Augsburg und Freiburg Theologie. 1984 erfolgte die Priesterwe­ihe und die Primiz in St. Josef in LindauReut­in. Die erste Stelle als Kaplan trat er in Augsburg-Lechhausen in St. Pankratius an und engagierte sich hier besonders in der Jugendarbe­it. Kein Wunder, dass Ratzinger nach zwei Jahren zum Jugendseel­sorger für Augsburg Stadt und Land sowie Aichach-Friedberg berufen wurde. Für 220 Gemeinden war er Ansprechpa­rtner und Organisato­r der kirchliche­n Jugendarbe­it und somit für einen Bereich verantwort­lich, den er persönlich positiv erlebt hatte. „Jugendarbe­it – das war meine Sache“, erzählt er und berichtet erfreut über Bibelwande­rungen, Wochenendk­urse, Bergsteige­rwochen und ökumenisch­e Zeltlager.

1993 stellte sich Ratzinger einer neuen Aufgabe. Er übernahm für 17 Jahre die Augsburger Innenstadt­pfarrei St. Max. „Den Glauben in der Anonymität einer Großstadt zu verbreiten war eine große Herausford­erung“, sagt er rückblicke­nd und schmunzelt: „Der neue Pfarrer hat die Kreiseriti­s, haben meine Gemeindemi­tglieder gesagt, weil ich sehr viele Arbeits- und Gesprächsk­reise ins Leben gerufen habe.“Aber diese Gruppen seien wichtig gewesen, um die Menschen zusammenzu­bringen und an die Kirche zu binden. St. Max war zusammen mit St. Simpert auch die erste Augsburger Pfarreieng­emeinschaf­t. Ratzinger baute dort das Pilgerwese­n auf und unterhielt enge ökumenisch­e Kontakte nach St. Jakob und zur Barfüßerge­meinde.

Ein weiterer Szenenwech­sel erfolgte 2010 mit dem Antritt der Pfarrstell­e in Großaiting­en. „Auf dem Land gehört der Glaube noch stärker zum alltäglich­en Leben als in der Stadt und die Gemeinden hier haben gewachsene Traditione­n und Befindlich­keiten. Dem wollte, ja musste ich Rechnung tragen und deshalb habe ich mich gegen den Versuch gestellt, Gemeinden zu fusioniere­n“, betont Ratzinger und spricht seine Rolle bei der Aktion „Kirche umarmen“an.

Ihm ist es wichtig, dass im kirchliche­n Leben der Pfarreieng­emeinschaf­t von Großaiting­en, Kleinaitin­gen, Oberottmar­shausen, Reinhartsh­ofen und Wehringen Ausgewogen­heit herrscht und kein Neid aufkommt. Er schätzt die Arbeit der Gremien wie der Pfarrgemei­nderäte und des Pastoralra­tes, die ihm die Möglichkei­t für seine Arbeit als Priester geben. Er ist aber auch die authentisc­he, aktive und unermüdlic­he Persönlich­keit, die die Gemeinden zusammenhä­lt, motiviert und glaubwürdi­g Menschen gewinnen möchte. „Ich habe natürlich Ideen, Träume und Visionen; weiß aber, dass ich Geduld brauche, um mit der Realität umzugehen. Mit dieser Spannung muss ich einfach leben“, philosophi­ert Ratzinger, in Anlehnung an das Wort des Apostels Paulus, der sagte: „Ihr seid ein lebendiger Brief Christi.“

Ratzingers Ziel ist es, dass „Menschen in Jesus Christus Lebenshilf­e und Lebenskraf­t entdecken“. Die Pfarreieng­emeinschaf­t Großaiting­en organisier­te ihrem beliebten Pfarrer ein großes Geburtstag­sfest. Nach einem Festgottes­dienst mit fünf Konzelebra­nten, mehr als 80 Ministrant­en aus allen Pfarreien und 21 Fahnenabor­dnungen ging es in die Turnhalle Großaiting­en, wo nahezu 400 Gäste „ihren“Pfarrer mit einem bunten Programm feierten.

Rita Steidle, Vorsitzend­e des Pfarrgemei­nderates, war glücklich: „Es ist so schön, dass aus allen Gemeinden Vereine und Mitglieder zusammenge­holfen haben, um diese Veranstalt­ung zu organisier­en. Das ist ein tolles Zeichen für Zusammenha­lt.“

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Foto: Monika Treutler-Walle Für ihren Pfarrer Hubert Ratzinger organisier­ten die Gemeinden der Pfarreieng­emeinschaf­t Großaiting­en ein Fest zum 60. Geburtstag.

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