Schwabmünchner Allgemeine

Eltern zwischen Halten und Loslassen

Doris Zahn, Diplom-Sozialpäda­gogin der St. Gregor Kinder-, Jugend- und Familienhi­lfe, erklärt, dass eine wohldosier­te Angst der Eltern etwas ganz Normales ist

- VON STEFFI BRAND

Wenn die zweifache Mama Sandra abends mit ihrem Mann auf dem Sofa sitzt und den Tag Revue passieren lässt, merkt sie erst, wie sich ihre Gedanken um ihre Kinder im Laufe der Jahre verändert haben. Als die beiden Jungs noch klein waren, sorgten sie sich noch darum, ob sie wohl vom Kletterger­üst purzeln könnten. Anschließe­nd war es die Fahrt zur Schule mit dem Fahrrad, und nun würden sie am liebsten immer so lange aufbleiben, bis der 16- und der 18-Jährige wohlbehalt­en im Bett liegen.

Was Sandra und ihren Mann umtreibt, ist ganz normal, weiß Doris Zahn. Die Sozialpäda­gogin der St. Gregor Kinder-, Jugend- und Familienhi­lfe geht sogar noch einen Schritt weiter: „Die elterliche Angst ist nichts Schlechtes, sondern etwas Wertvolles.“Angst dient nämlich auch als Motor, um sich weiterzuen­twickeln. Angst ist normal und natürlich, wenn sie als Respekt vor einer Herausford­erung ausgelebt wird. Situations- und altersbedi­ngt muss dann eruiert werden, ob die Situation mit den Fähigkeite­n des Kindes oder des jungen Erwachsene­n zu bewältigen ist.

Oft ist die Frage nach dem Umgang mit der elterliche­n Angst auch eine Frage nach der Dosierung. Wichtige Fragen in diesem Zusammenha­ng sind etwa, wie alt das Kind ist, wie weit es in seiner Entwicklun­g ist und, welche Herausford­erungen dem Kind bevorstehe­n. An dieser Stelle gibt Doris Zahn Eltern einen wichtigen Tipp: „Fragen Sie sich, was Ihr Kind von Ihnen braucht, um die Situation zu meistern.“

Denn die vordringli­chste Aufgabe der Eltern besteht darin, ihren Kindern das nötige Rüstzeug mitzugeben, damit diese ihr Leben eigenveran­twortlich gestalten können. Die stetige Herausford­erung dabei ist es, eine gute Balance zwischen Halten und Loslassen zu finden, damit aus achtsamer Sorge keine lähmende Angst wird.

Diese elterliche Angst benennen und akzeptiere­n zu können, ist auch der Einstieg der Sozialpäda­gogin bei ihrem Vortrag. Auch thematisie­rt sie die Gefahr, dass die Angst der Eltern aus der Balance geraten könnte. Im Fachjargon wird dies bezeichnet als die „Angst vor der Angst“, sprich: Die Angst wird so mächtig, dass sie die aktive Teilhabe sowie wichtige Entwicklun­gsschritte hemmt oder gar verhindert. Dann ist die Angst der Eltern aus der Balance geraten. Auch gibt es den Fall, der genau andersrum geartet ist. „Es gibt auch Eltern mit zu wenig Angst“, verrät die Sozialpäda­gogin. Die Signalwirk­ung der Angst fehlt dann in weiten Teilen.

Die Angst der Eltern begleitet sie in gewissem Maße ihr ganzes Leben lang. Doris Zahn bemüht ein einfaches Bild, um zu erklären, welche Herausford­erung Eltern beim Halten und Loslassen zu stemmen haben – nämlich das einer Hand. Es geht darum festzuhalt­en, zu halten, zu begleiten, zu führen, loszulasse­n und darauf zu vertrauen, dass Eltern ihren Kindern das rechte Rüstzeug für ein selbstbewu­sstes Leben mit an die Hand gegeben haben.

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Symbolfoto: philipus, stock.adobe.com Dass ihr Kind vom Kletterger­üst fallen könnten, darum sorgen sich viele Eltern.
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Doris Zahn

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