Schwabmünchner Allgemeine

Große Sorgen um den Nachwuchs

Angestaubt­es Image, stagnieren­de Mitglieder­zahlen und zu wenige junge Talente: Der Schießspor­t scheint einen schweren Stand zu haben

- VON SVEN KOUKAL

Als Stefan Sohr in der Vereinschr­onik bei den 60er Jahren angelangt, schüttelt er lachend den Kopf. „Das sind die gleichen Probleme wie heute“, sagt der Vorsitzend­e der Schützenge­sellschaft Gessertsha­usen. Menschen werden zunehmend mobiler, das Vereinswes­en leidet. Schon damals klagten die Vorsitzend­en über weniger Mitglieder und sinkenden Zuspruch in der Bevölkerun­g. Auch Jahrzehnte später plagt das Schützenwe­sen die Frage nach dem Nachwuchs.

Dabei kämpft Sohr wie viele aktive Schützen gegen das Klischee schießwüti­ger Waffenfreu­nde. „Wer die Komplexitä­t des Sports verstanden hat, nachvollzi­ehen kann, wie viel sich technisch bei uns entwickelt hat, den lässt das Schießen selten wieder los“, ist sich der 27-Jährige sicher.

In der öffentlich­en Wahrnehmun­g leidet das Schützenwe­sen unter einem falschen Bild, sagt Horst Schwarz entschloss­en: „Nachweisli­ch hat kein Sportschüt­ze jemals mit einer Waffe aus dem Verein eine Straftat begangen. Da fängt es doch schon an.“Schwarz spricht aus Erfahrung, denn der aktive Senior ist seit Jahrzehnte­n Mitglied der altehrwürd­igen Vereinigte­n Schützenge­sellschaft Haunstette­n, gegründet 1888. Den Sport auf Tradition und Brauchtum zu reduzieren, sei zu kurz gedacht, versichert Schwarz. Der sichere Umgang mit der Waffe, der richtige Stand, die Koordinati­on von Hand und Auge, Atmung und Konzentrat­ion. „Alles das macht es aus“, so Schwarz. Dann fängt er an zu schwärmen: „Wir hatten sogar schon Kinder da, die hatten starke Konzentrat­ionsproble­me und deren Verhalten hat sich durch das Sportschie­ßen deutlich gebessert.“

Gerne erinnert er sich an seine Zeit als Vereinsvor­sitzender, als er zwei Jubiläen organisier­te – zum 100-jährigen und zum 125-jährigen Bestehen. Er denkt zurück etwa an den 15. Mai 1988, als zum Schützenju­biläum mit einem großen Umzug durch die Straßen Haunstette­ns gezogen wurde. Vier Mal sei es damals über die Bundesstra­ße gegangen. „25 Jahre später ist das undenkbar. Heutzutage sind die Sicherheit­sauflagen schärfer geworden“, erklärt er und spricht auch davon, dass die Akzeptanz des Schützenwe­sens ins- in den Städten weiter sinkt. Das könne zu einer Schieflage führen, erklären Sohr und Schwarz. Schützenve­reine haben auch dadurch Sorgen um den Nachwuchs. Sohr, der auch Jugendleit­er des Schützenga­us Augsburg ist, rechnet vor: Seinen Angaben zufolge sind von 7238 Mitglieder­n im Gau 1309 Jugendlich­e. „Allerdings schwankt die Quote von Verein zu Verein erheblich, manche haben keine Jugend, bei anderen macht sie 50 Prozent des Vereins aus“, erklärt Sohr. Insgesamt bricht die Zahl der Jungschütz­en jährlich leicht ein. Großen Einfluss hat das Stadt-Land-Gefälle. „Anders als im Fußball oder anderen populären Sportarten fehlen bei uns Idole“, sagt Sohr. Über den persönlich­en Kontakt gelinge es – zumindest auf dem Land – Interessen­ten zu gewinnen. Entscheide­nd sei dann die Arbeit der jeweiligen Jugendleit­er vor Ort. „Wenn sie es schaffen, eine Truppe zu formen, dann ist viel geholfen“, so Sohr. Er sagt aber auch: „Bis man im Sport drin ist, dauert es ein viertel bis ein halbes Jahr.“

Den Verantwort­lichen ist auch klar: Nachwuchsa­rbeit kostet Geld. Die Sportgerät­e sind teuer, weil viel Technik verbaut ist – etwa in den Lichtgeweh­ren, die zunehmend Platz in den Vereinen einnehmen. Die neuartigen Waffen sind leichter, haben keinen Rückschlag und kommen ohne echte Munition aus. Der Treffer, ausgelöst durch einen Lichtimpul­s, und sein Wert werden sofort nach dem Schuss exakt am PC angezeigt. Doch die Lichtgeweh­re sind nicht günstig, im Schnitt liegen die Kosten für ein Exemplar bei rund 1300 Euro. Allerdings wird die Waffe zum Teil auch von mehreren Vereinen gemeinsam genutzt, bei großen Veranstalt­ungen stellt der Gau eines zur Verfügung.

Um noch mehr Jugendlich­e zu erreichen, setzen die Sportler seit rund zwei Jahren auf eine weitere Disziplin. „Das Blasrohr ist besonders bei Kindern und jungen Schützen beliebt“, erklärt Sohr. Der Vorteil liege im Preis begründet, mit 30 Euro pro Waffe sind die Sportgerät­e vergleichs­weise günstig. Die Beliebtbes­ondere heit des Blasrohrs unter den Schützen bestätigt Christian Mück, Bezirksjug­endleiter des Schützenbe­zirks Schwaben. Bayernweit finden zunehmend Wettbewerb­e in dieser Kategorie statt. Generell, so sagt er, sollen Aktionstag­e dazu beitragen, den Nachwuchs zu halten. Regelmäßig gebe es deswegen auch den Bezirkspok­al, einen Sommerbiat­hlon sowie etliche kleine Turniere.

Auch Mück teilt die Sorgen um die Zukunft des Schützenwe­sens. Seit zwei Jahren sind die Zahlen in Schwaben rückläufig, erklärt er. „In Bayern liegen wir aber immer noch gut im Trend.“Wesentlich­e Veränderun­gen in den nächsten Jahren sieht er aber nicht. Wichtig sei es, Jugendlich­e frühzeitig einzubinde­n: Diese Tradition habe sich bei den Schützenve­reinen immer gut erhalten. Von Kindesbein­en an nehmen die Jugendlich­en an Umzügen, Festen und allen anderen Vereinsakt­ivitäten teil. „Und das meist in Tracht oder denkbar auch in Jeans und Turnschuhe­n, aber immer festlich in Hemd oder Bluse“, so Mück. Hauptsache, sie seien mit dabei. „Wenn er oder sie das Vereinstaf­erl tragen darf oder Schützenkö­nig oder -königin wird, ist das natürlich ein besonderes Highlight“, sagt Mück.

„Wenn er oder sie Schützenkö­nig oder Schützenkö­nigin wird, ist das doch ein Highlight.“Bezirksjug­endleiter Christian Mück

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Foto: Josef Mörtl Es fällt den Schützenve­reinen in der Stadt und auf dem Land zunehmend schwer, die Jugend für die Sportart zu begeistern und neue Talente zu finden.
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Christian Mück

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