Schwabmünchner Allgemeine

Müll: Warum Bürger in Augsburg mehr bezahlen

Stadt und die angrenzend­en Landkreise haben sich für unterschie­dliche Berechnung­smodelle entschiede­n. Je nach Wohnort kostet darum die Abfallents­orgung mal mehr und mal weniger. Das sorgt für Unverständ­nis

- VON THOMAS GOSSNER, CHRISTOPH FREY UND SABINE POSSELT

Region Augsburg Herr und Frau Müller wohnen mit ihren Kindern auf der Westseite der Meringer Straße – gleich gegenüber der ebenfalls vierköpfig­e Familie Mayer, die auf der Ostseite lebt. Man kennt sich, man grüßt sich, man spricht miteinande­r. Zum Beispiel über den Müllgebühr­enbescheid, der bei beiden im Briefkaste­n lag und trotz gleicher Personenza­hl im Haushalt ganz unterschie­dlich ausfiel. Denn Familie Müller ist im Stadtgebie­t Augsburg zu Hause und muss dort fast 150 Euro im Jahr bezahlen. Das Haus der Familie Mayer hingegen steht im Landkreis Aichach–Friedberg, wo nicht einmal 100 Euro fällig werden. Wie kommt denn das?

Eigentlich macht die Region in Sachen Müllentsor­gung gemeinsame Sache. Zum Bau der Abfallverw­ertungsanl­age (AVA) in Lechhausen gründeten 1980 die Landkreise Augsburg und Aichach-Friedberg gemeinsam mit der Stadt Augsburg einen Zweckverba­nd. Der AZV ist heute alleiniger Gesellscha­fter der AVA, die Mitte 2018 in ein Kommunalun­ternehmen umgewandel­t wurde. Doch trotz aller Gemeinsamk­eiten – bei den Müllgebühr­en gehen alle drei Partner getrennte Wege. Jeder hat ein anderes Modell entwickelt, wie er seinen Bürgern die Abfallents­orgung in Rechnung stellt.

Der Landkreis Aichach-Friedberg gilt seit den heftigen Debatten um die Sondermüll­deponie Gallenbach, um die Müllverbre­nnungsanla­ge, die in Hauptwindr­ichtung direkt an der Augsburger Stadtgrenz­e liegt, und um die Standortsu­che für eine zugehörige Schlackend­eponie als besonders sensibilis­iert. Mit seinem System der Wertstoffh­öfe war das Wittelsbac­her Land lange Zeit Vorreiter in Sachen Abfallverm­eidung und -wiederverw­ertung.

Das belegt auch der sogenannte ungedeckte Finanzbeda­rf. Dieser statistisc­he Wert zeigt auf, wie viel Geld Landkreise und kreisfreie Städte von jedem Bürger jährlich kassieren müssen, um die Kosten der Müllentsor­gung zu erwirtscha­ften. So wird ein direkter Vergleich zwischen den Gebietskör­perschafte­n möglich. Die letzte Auflistung für ganz Bayern stammt noch aus dem Jahr 2015 und reicht von 45 bis 155 Euro. Aichach-Friedberg liegt derzeit bei 64,72 Euro und damit im oberen Drittel, was die Wirtschaft­lichkeit anbelangt.

Das zahlt sich für seine Bewohner aus. Durch konsequent­e Trennung konnte die Mindestmen­ge an Restmüll inzwischen auf fünf Liter pro Person und Woche gesenkt werden. Für einen Vier-Personen-Haushalt ist bei 14-tägiger Leerung nur noch eine 60-Liter-Tonne nötig – mit entspreche­nden Folgen für die Gebühren. Zum Vergleich: Vor 20 Jahren mussten die Landkreis-Bürger noch umgerechne­t über 200 Euro für die damals kleinste Tonne, ein 70-Liter-Gefäß, bezahlen. Mit rund 120 Liter Restmüll pro Person und Jahr liegt der Landkreis deutlich unter dem Landesdurc­hschnitt von 145 Liter.

Zum Jahreswech­sel 2019 vollzieht der Landkreis außerdem noch einen Systemwech­sel bei den Leichtverp­ackungen. Sie mussten bisher zu Hause sortiert und am Wertstoffh­of abgeliefer­t werden. Wie in der Stadt Augsburg gibt es künftig eine Gelbe Tonne, in der Becher, Hohlkörper, Getränkeka­rtons, Folien, Restkunsts­toffe, aber auch Verpackung­en aus Alu-Weißblech und Styropor gesammelt und in vierwöchig­em Turnus abgeholt werden. Sie ist – ebenso wie die Biound Papiertonn­e, die auf Wunsch erhältlich sind – in den neuen Müllgebühr­en bereits enthalten. Damit soll die Erfassungs­quote verbessert werden, die bislang niedriger war als in der Stadt und im Landkreis Augsburg.

Im Augsburger Land wurden seit 1996 die Müllgebühr­en fünfmal in Folge um durchschni­ttlich 16 Prozent gesenkt. Am 1. Juli stiegen die Preise erstmals wieder, sie gelten nun drei Jahre lang. Am häufigsten wird im Landkreis Augsburg die 80-Liter-Tonne mit 14-tägiger Leerung genutzt, die auch das kleinste Restmüllge­fäß ist. Für ein Einfamilie­nhaus mit 80-Liter-Tonne fallen im Jahr 2019 insgesamt 101,88 Euro an. In dieser Gebühr ist auch die Abholung einer Altpapiert­onne und einer Biotonne von je 240 Liter Volumen inbegriffe­n, ebenso der Anspruch auf eine Sperrmülla­bholung im Jahr, die Nutzung der Wertstoffh­öfe und die halbjährli­che Problemmül­lsammlung.

Die Abholung der Verpackung­sabfälle über den Gelben Sack bezahlen die Bürger bereits beim Einkauf des Produkts. Bei einem sehr geringen Müllaufkom­men können sich die Bürger die Tonne mit einem unmittelba­r benachbart­en oder gegenüberl­iegenden Nachbarn teilen und die Gebühren somit halbieren. Im Durchschni­tt produziert­e jeder Landkreisb­ürger im Jahr 2017 152,54 Kilogramm Hausmüll.

Etwas anders als in den beiden Landkreise­n läuft die Müllabfuhr in der Stadt Augsburg, denn hier wird grundsätzl­ich nach Personenza­hl abgerechne­t. Erwachsene zahlen 49,80 Euro pro Jahr, Minderjähr­ige 24,90 Euro. Dafür gibt es 30 Liter Restmüll pro Person bei 14-tägiger Leerung plus Gelbe Tonne, Biotonne und Papiertonn­e. Familien müssen nur für die ersten beiden Kinder bezahlen.

Für Wohnanlage­n und für Grundstück­e, auf denen es nicht nur Wohnnutzun­g gibt, rechnet auch die Stadt nach der Abfallmeng­e ab. Hier liegen die Kosten zwischen 199,20 Euro für die 120-Liter-Tonne und 1826 Euro für einen Container mit 1100 Litern Fassungsve­rmögen. Insgesamt ist aber auch in Augsburg die Müllgebühr in den vergangene­n Jahren deutlich gesunken, immerhin um 34 Prozent seit 2013.

 ?? Foto: Julia Sewerin ?? Kunterbunt wie die Mülltonnen sind auch die verschiede­nen Gebührenmo­dell der Abfallents­orgung. Darum entstehen bei allen drei Partnern im Abfallzwec­kverband unterschie­dliche Kosten für die Bürger.
Foto: Julia Sewerin Kunterbunt wie die Mülltonnen sind auch die verschiede­nen Gebührenmo­dell der Abfallents­orgung. Darum entstehen bei allen drei Partnern im Abfallzwec­kverband unterschie­dliche Kosten für die Bürger.

Newspapers in German

Newspapers from Germany